Köln – Es sind fast schon alte Bekannte, die da in ihren, in diversen Rottönen strahlenden Kleidern und Kostümen den Saal im Altenberger Hof stürmen: Finchen und Hilde, Jennifer und Hedwig, Helga, Elfie und Luise. Selbst wenn man die Damen nicht beim Namen kennt – die Gesichter, die Typen schon, und die Begeisterung, mit der sie (etwa das Mottolied „Uns Hätze kloppe“ nach „I’m so excited“ von den Pointer Sisters) performen, auch.
Es ist wieder Schnittchen-Sitzung. Auch im elften Jahr des lesbisch-alternativen Ensemblekarnevals gibt es unter dem Motto „Scherzkekse“ schillernde, durchaus selbstironische Darbietungen zu lesbischen, politischen, frauentypischen und sonstigen Themen.So werden im Gewand der Sendung mit der Maus genüsslich lesbische Klischeefrauen typisiert wie etwa die herbe „Butch“ , „Blondy“ oder „Kesser Vater“. Ein gerade aufgetautes weibliches Ei (Charla Drops) träumt von seinem Beitrag zur perfekten Regenbogenfamilie. Die Rede wird ergänzt von einem herrlichen Krätzchen der Heilsschnittchen Valerie Jacob und Karolin Balzar: die Gloria-Gaynor-Hymne „I will survive“ mutiert zu „Dann springt dat Ei/demnächs nit mehr“. Und auch „Alexa“, omnipräsente sprachgesteuerte Haushaltshilfe, bekommt als intrigantes Miststück ihr Fett weg.
Es wird aber auch politisch: in einer Nummer zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“, über das drei Frauenrechtlerinnen von damals im Himmel ablästern, erfährt man, dass im Bundestag nur 31 Prozent Frauen sitzen, während es etwa in Ruanda 61 sind – dä! Und der Mangel an Altenpflegern wird schön bösartig in die Drogenszene verlegt – „Senis“ kriegen 1000 Euro am Tag, sind aber nicht unter 2500 Euro zu haben, denn: „Ich bin Dealerin, nicht das Sozialamt.“ Den Klüngel um Kalkberg, Hambacher Forst oder Stadionneubau nimmt „Babylon-Köln“ auf den Arm, wenn die aus der Eifel strafversetzte Kommissarin Gerlinde Rath (Eva Samrotzki) einen Zug anhält und Reisende befragt.
Höhepunkt ist eine Opernpersiflage, in der der böse Don Santo versucht, die Bienen und ihre Königin (Klara Koolen) auszurotten, was die „schöne Julia“ als Landwirtschaftsministerin (Valerie Jacob ) auch mit Hilfe der kampferprobten „Lespen“ zu verhindern sucht. Was da gesanglich einmal quer durchs Opern-Evergreen-Repertoire geboten wird, ist aller Ehren wert, die unvermeidliche Gänsehaut bei der Bienen-„Königin der Nacht“ inklusive.
Überhaupt die Musik: Die jazzig-groovende Hausband Martina’s um Frontfrau Momo Krämer-Wozniak reisst das Publikum zu wiederholten Begeisterungsstürmen hin, von Rockemarieches „Ich han dat Marieche jebütz“ bis zur eingekölschten „Babylon-Berlin“-Hymne „Zu Asche, zu Staub“. Absolut hörens- und sehenswert.
Die Schnittchensitzung: Wenige Restkarten für die Vorstellungen am 22. und 23. Februar ab 25 Euro