Singen mit HändenGebärdenchor der „Jecke Öhrcher“ macht im Kölner Karneval Furore
Köln – Bei der jüngsten Proklamationen des großen wie des Kinderdreigestirns ließ ein Chor die Gäste aufhorchen. Gemeinsam mit dem Sänger Oly Blum präsentierte der Gebärdenchor des Vereins „Jecke Öhrcher“ das Lied „Luur hin, hür uns zo“. Es ist die Hymne des ersten Kölner Karnevalsvereins für Menschen mit und ohne Hörschädigung. Mit elf Leuten ging es 2014 los, mittlerweile zählt der Verein annähernd 450 Mitglieder. Der Impuls ging von zwei karnevalsbegeisterten Kölnern aus. „Als unser gehörloser Sohn Max zwei Jahre alt wurde, haben meine Frau und ich uns überlegt, wie wir ihm den Karneval und die kölsche Sprache näher bringen können“, sagt Präsident Udo Prell, „das damalige Sessionsmotto »Sozial jeck – kunterbunt vernetzt« hat uns auf die Idee gebracht, einen Karnevalsverein ins Leben zu rufen. Das passte zu uns: jeck, bunt und vernetzt.“
Die Startelf setzte sich aus Eltern von Kindern mit Schwerhörigkeit, erwachsenen Menschen mit Hörschädigung und deren Freunden zusammen. Von Beginn an waren Fachleute des Cochlear-Implant-Zentrums an der Uniklinik Köln mit im Boot. Die „Jecke Öhrcher“ sind ein Förderverein, der Eltern von gehörlosen oder hörgeschädigten Kindern unterstützen möchte. „Wir bieten zum Beispiel Patenschaften für Eltern an, um sie zu unterstützen und laden ein zum Erfahrungsaustausch“, sagt Prell.
Vor allem wollen die „Jecke Öhrcher“ Karneval feiern. „Wir verstehen uns als eine Bereicherung für den Karneval und dessen Vielfalt.“ Nur kurze Zeit nach der Gründung gingen die Karnevalisten auf die Straße. Zwei Jahre zogen sie mitsamt Wagen im Ehrenfelder Veedelszug mit, dann bewarben sie sich erfolgreich um einen Platz bei den Schull- und Veedelszöch und sind in wenigen Wochen zum dritten Mal mit dabei. „Wir möchten zeigen, dass gehörlose und hörgeschädigte Menschen jeden Alters ebenso Karneval feiern können wie alle anderen. Natürlich gemeinsam mit Hörenden. Wir möchten Schritt für Schritt sichtbarer werden“. Das gelingt prächtig. Der Auftritt auf der Proklamation machte die Öhrcher über die Fernsehübertragung des WDR einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Ebenso wie der Auftritt des Gebärdenchores bei der Sessionseröffnung auf dem Heumarkt. Gemeinsam mit der Band „Klüngelköpp“ zeigten sie deren Lied „Stääne“.
Zu den eifrigsten Unterstützern des Chores zählt Oly Blum von der Musikgruppe „De Blömcher“. Er hat nicht nur den Text und die Musik des Vereinsliedes „Luur hin“ geschrieben, er lädt die Sängerinnen und Sänger auch häufig zu gemeinsamen Auftritten ein. „Das ist so großartig, was der Verein macht. Das unterstütze ich gern.“ So war es auch keine Frage, dass der Chor im aktuellen Video der Blömcher „Leev Mamm, sprech noch einmol met uns Kölsch“ mitwirkt. Den Titel hat die Band gemeinsam mit dem Rapper „Jason dä Immi“ aufgenommen. Den Gebärdenchor gibt es seit etwa drei Jahren. Unter der Leitung von Katrin Kral werden vor allem kölsche Lieder einstudiert. Knapp 30 Kinder und Erwachsene – Gehörlose, Hörgeschädigte, Implantierte und Hörende – machen gemeinsam Musik. Ein Cochlea-Implantat ist ein elektronisches, medizintechnisches Gerät, das die Funktion der geschädigten Teile des Innenohrs übernimmt, um Audiosignale ans Gehirn zu übertragen.
Die „Jecke Öhrcher“ schmieden schon weitere Pläne. Im kommenden Jahr soll es die erste Kinderkarnevalssitzung geben. Ein neuer Karnevalswagen für die kommende Session ist in Planung. Wünsche gibt es auch. Dazu zählt ein zentral gelegenes Vereinsheim mit einem abschließbaren Raum, um die Kostüme und Requisiten zu lagern, sowie eine kleine Halle, um den Karnevalswagen unterzustellen. „Toll wäre es, wenn wie auf der Proklamation und der Sessionseröffnung bei vielen Karnevalsveranstaltungen Gebärdensprachdolmetscher eingesetzt würden“, sagt Prell. Gesellschaften wie die Blauen Funken, die Willi-Ostermann-Gesellschaft oder die Altstädter tun dies bereits. Die Altstädter kooperieren mit dem Landschaftsverband Rheinland, der das Engagement über die Initiative „Karneval für alle“ unterstützt.
Damit möglichst viele Menschen die Gebärdensprache kennenlernen können, bieten die „Jecke Öhrcher“ in dieser Session zum ersten Mal zwei Workshops „Gebärden op Kölsch“ an. Interessenten, die lernen möchten, wie Dom, Strüssjer und Bützje in Gebärdensprache aussehen, müssen sich etwas gedulden. Die Workshops waren im Handumdrehen voll. Es sollen aber schon bald weitere angeboten werden. Frei nach dem Motto aus dem Vereinslied: „Mir sin jeck op alle Fälle. Un met de Häng dun mir verzälle.“
Mehr Infos finden Sie unter www.jecke-oehrcher.de.