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KarriereKölner Überflieger im Online-Geschäft

Lesezeit 5 Minuten

Christian Schröder (l.) und Lucas Kollmann bei der Arbeit an ihrer gemeinsamen Bachelorarbeit

Köln – Mit acht lieh sich Christian Schröder von seinen Eltern Geld, um große Mengen Pokémon-Bilder zu kaufen. Die Monster-Bildchen waren sehr gefragt, der Drittklässler verkaufte sie mit Gewinn bei Ebay. Als er zwölf war, züchtete Schröder brasilianische Zebra-Welse, die nicht mehr importiert werden durften; gerade volljährig, machte er auf dem Hohenzollernring eine Cocktailbar auf. Inzwischen ist Schröder 22. Seine Karriere hat sich so exponentiell entwickelt wie die Computertechnik: Computer werden alle zwei Jahre doppelt so leistungsstark. Schröder ist fast ganz oben angekommen.

Der junge Mann mit den hellblauen Augen und der hohen Stirn sitzt vor einer Idee, die er mit seinem Kölner Studienfreund Lucas Kollmann ausgeheckt hat: „Internet of things: Building the next billion dollar E-commerce enterprise“ steht auf der Kladde – das Konzept für einen Internetmarktplatz, auf dem intelligente Alltagsgegenstände verkauft werden. „Internet der Dinge“ – dahinter steckt die Vision, dass unser Alltag bald komplett mit Hilfe von Computern gesteuert wird. Kühlschränke, die sich merken, was wir herausnehmen und Tipps für das gesunde Abendbrot geben, Uhren, die Alarm schlagen, wenn wir uns zu wenig bewegen, Rauchmelder, die registrieren, wie lange wir auf der Couch liegen.

„Wir wollen schnell wachsen“

Den Kölner Brüdern Marc, Oliver und Alexander Samwer, die als Gründer und Investoren (Jamba, Zalando, MyVideo) zu millionenschweren Multis der Internetbranche aufstiegen, gefiel die Idee. So gut, dass sie Schröder beauftragten, ein Unternehmen von Rocket Internet zu übernehmen: einer Beteiligungsgesellschaft, die in Start-up-Unternehmen investiert. Schröder ist mit einem 35-jährigen Kollegen ab sofort für das Asiengeschäft eines Online-Marktplatzes verantwortlich, der funktioniert wie Ebay. Er hat 100 Mitarbeiter unter sich, „aber wir wollen schnell wachsen“, sagt er. „In Ländern wie Myanmar, Pakistan, Bangladesh oder Sri Lanka steigen Wohlstand und Kaufkraft. Immer mehr Menschen dort nutzen das Internet und kaufen dort ein.“

An der privaten Wirtschafts-Universität WHU Otto-Beisheim-School of Management in Vallendar bei Koblenz, einer Eliteschule, die auch Oliver Samwer besucht hat, galt Christian Schröder als Überflieger. „Während wir Wochen für eine Klausur gelernt haben, hat Christian sich die Nacht vorher um die Ohren geschlagen und konnte dann alles auswendig“, sagt Lucas Kollmann. Im März hat Schröder bei einem Logik- und Wissenstest des Finanzdienstleisters Bloomberg das beste Ergebnis aller deutschen und europäischen Teilnehmer erreicht – unter Tausenden jungen Managern.

In der Nacht hat er bis 5 Uhr mit Kollmann bei Energy-Drinks, Nüssen und Chips über der gemeinsamen Bachelor-Arbeit gehockt: Corporate Venture Capital ist ihr Thema – es geht um Konzerne, die in vielversprechende Start-ups investieren. Schröder und Kollmann haben mit Dax-30-Managern gesprochen. Die Freunde sind Anfang 20 – und arbeiten für Internet-Unternehmen, in denen mitentschieden wird, wie die Welt von morgen aussieht. Dafür brennen sie. Auf „gut 80 Stunden“ schätzt Schröder seine Arbeitszeit. Manchmal werden es deutlich mehr.

Er trenne Arbeit und Freizeit nicht strikt voneinander, sagt der gebürtige Bergisch Gladbacher. Wenn man anfange, Stunden zu zählen, brauche man so einen Job nicht anzufangen. „Man muss schnell hinbekommen, was verlangt wird. Natürlich bin ich leistungsgetrieben. Aber es ist eine riesige Motivation, so jung so viel Verantwortung zu übernehmen.“

Für eine Freundin ist keine Zeit

Schröder hat mit 16 bei einer Immobilienverwaltung gearbeitet, in der Schulzeit eine Managementschule für Nachwuchskräfte besucht. Während der Studienzeit war er bei der Unternehmensberatung KPMG und bei der Investmentbank Merrill Lynch in London. Dort hat im vergangenen Sommer zur gleichen Zeit auch sein Studienfreund Moritz Erhardt hospitiert. Eines Tages wurde Erhardt tot in seiner Londoner Wohnung aufgefunden. Die Geschichte des WHU-Studenten, der sich totgearbeitet habe, ging um die Welt.

Nach Erhardts Tod haben Lucas, Christian und ihre Kommilitonen geschwiegen. Heute, neun Monate später, sagt Christian Schröder: „Moritz’ Tod hat uns nachdenklich gemacht. Aber Moritz war Epileptiker und hat keinem davon erzählt. Er war sehr ehrgeizig und hat seine Kräfte leider überschätzt.“ Es lasse ihn nicht kalt, dass Investmentbanker als „Heuschrecken“ bezeichnet werden. „Ich habe mich nach Moritz Tod vielleicht auch deswegen gegen die Investmentbranche entschieden. Es gab zu viele Menschen, die gesundheitlich unter dem Job gelitten haben. Aber die Aufgaben dort waren auch eher stumpfer Natur.“

Jetzt sitzt er in einem Wolkenkratzer in der pakistanischen Metropole Lahore und steuert einen Internetmarktplatz, der rasant wachsen soll. Jüngst berichtete die „Financial Times“, dass die Samwer-Brüder Rocket Internet an die Börse bringen wollen. Dass er schnell erfolgreich sein muss und nicht viele falsche Entscheidungen treffen darf, ist Christian Schröder bewusst: Oliver Samwer gilt als Star der deutschen Internetbranche, bezeichnet sich aber auch selbst als „aggressivster Typ im Internet auf dieser Welt“. Er würde „sterben, um zu gewinnen und ich erwarte das Gleiche von Euch“, hat er seinen Mitarbeitern mal geschrieben, er verfolge „den aggresivsten Plan der Geschichte“ für den nächsten Milliarden-Dollar-E-Commerce-Konzern.

Christian Schröder hat Samwers Diktion verinnerlicht. Er weiß, dass er schneller ist als die meisten. Er ist bereit, „für die nächsten Jahre auf eine feste Freundin zu verzichten, denn dafür wird keine Zeit sein“. Kann gut sein, dass er in ein paar Jahren selbst als Kölner Internetmulti gilt. Für seine Karriere sterben will er nicht.