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Berichte von der Seenotrettung21-jähriger Kölner zurück vom Einsatz im Mittelmeer

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Bernhard Seigert, Robert Kleine, Johannes Gaevert, Laura Gey und Hans Mörtter (v.l.) vor den Bannern der „Seebrücke“ an der Lutherkirche

Köln – Harter Wellengang, der das Beiboot des Rettungsschiffs „Alan Kurdi“ und seine Insassen bedroht. Einen Arm fest um ein Kind gelegt, den anderen weit in die Höhe gereckt, um seine Kamera vor der peitschenden Gischt zu schützen. Mit eindrücklichen Schilderungen berichtet Johannes Gaevert von den Erlebnissen bei seinem ersten Einsatz im Mittelmeer für die Hilfsinitiative „Seebrücke Köln“, von dem der 21-Jährige kürzlich nach Hause zurückgekehrt ist.

„Ich hatte Angst. Und meinen Job, Aufnahmen von der Rettungsaktion zu machen, konnte ich kaum ausführen, weil ich mich und das Kind schützen musste“, berichtet der Student im Gemeindesaal der Lutherkirche in der Südstadt. Rund 80 Menschen haben Gaevert und sein Team an dem Tag von einem völlig überfüllten Boot aus Seenot gerettet, „darunter viele junge Frauen und minderjährige Kinder“, wie Gaevert sagt.

Kölner Aktion: „Jeder Mensch hat einen Namen“

Der 21-Jährige und seine vier Jahre ältere Kollegin von „Seebrücke Köln“, Laura Gey, waren am Dienstag als Gäste der evangelischen sowie der katholischen Kirche Kölns mit ihren Berichten zum Martin-Luther-Platz gekommen.

„Als Vertreter einer Zivilgesellschaft, der wir zu Dank verpflichtet sind und die mit ihrem Engagement Nächstenliebe praktiziert, wie sie auch Bestandteil des christlichen Glaubens ist“, erläuterte einer der beiden Gastgeber, Stadtsuperintendent Bernhard Seiger. Er und der katholische Stadtdechant Robert Kleine hatten eingeladen, um die Aktion „Jeder Mensch hat einen Namen“ von „Seebrücke“ zu unterstützen, die anlässlich des von den Vereinten Nationen (UN) jährlich am 18. Dezember ausgerufenen „Tag der Migranten“ stattfindet.

Banner machen auf tägliches Sterben im Mittelmeer aufmerksam

Außen an der Lutherkirche hängen zwei jeweils fünf mal zehn Meter große Banner am Glockenturm, die auf das tägliche Sterben im Mittelmeer aufmerksam machen. Darauf stehen Namen von Menschen, die bei dem Versuch ums Leben gekommen sind, das Mittelmeer in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sich oder ihre Familien zu überqueren.

„Nach UN-Schätzungen sind in den letzten fünf Jahren mehr als 15 000 Menschen im Mittelmeer ertrunken“, erläuterte Monsignore Kleine. Diese bedrückende Menge an Personen und ihr Leid blieben größtenteils anonym. Darum sollen die großen Plakate der Aktivisten und eine gemeinsame Erklärung der beiden Kölner Kirchenspitzen ein „Zeichen gegen das Vergessen und gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung“ setzen. „Wir, die evangelische und die katholische Kirche der Stadt Köln, fordern die Politiker auf europäischer und deutscher Ebene auf, sich für sichere Fluchtrouten und humane Flüchtlingspolitik einzusetzen“, heißt es in dem Dokument.

Hans Mörtter, der Hausherr der Lutherkirche, wählte am Dienstag noch schärfere Worte: „Die Seenotrettung ist eine staatliche Verpflichtung. Sie zu unterlassen, kommt dem Straftatbestand der fahrlässigen Tötung gleich“, so der Südstadtpfarrer. „Die EU hat hier versagt, ihre Politiker sind schuldig.“ Alle Christen sollten ihre Stimmen gegen dieses Unrecht erheben – nicht nur in der Weihnachtszeit. Alle Anwesenden im Gemeindesaal warben dafür, in den Gemeinden, der Politik, der Wirtschaft und vielen gesellschaftlichen Gruppen dafür zu arbeiten, dass Menschen in Not Schutz, neue Perspektiven und Sicherheit finden. Denn, so schließt die Erklärung der beiden Kirchen in Köln: „Jedes Leben zählt.“

Weitere Informationen unter: www.seebruecke.org oder www.un.org/en/events/migrantsday