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Alarmierende Zahlen640 I-Dötzchen an Kölner Grundschulen wiederholen das erste Schuljahr

Lesezeit 3 Minuten
11.08.2022, Köln: Einschulung der I-Dötzchen der KGS Osteräther Straße.

Foto: Michael Bause

Einschulungsfeier an einer Kölner Grundschule (Symbolbild)

Viele Erstklässler waren mit dem Unterrichtsstoff überfordert. NRW-Schulministerin Dorothee Feller will die Defizite der Kinder jetzt erfassen.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) will Kindern mit Förderbedarf einen besseren Start an der Grundschule ermöglichen. Ein Ministeriumssprecher sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass künftig bei der „Schulanmeldung ein standardisiertes Screening“ durchgeführt werden soll, „mit dem die für das Lernen in der Schule notwendigen Kompetenzen der Kinder erfasst werden“, so der Sprecher.

Kita-Schließungen in der Pandemie wirken sich aus

An den Grundschulen in NRW wurden im vergangenen Schuljahr rund 688.000 Schüler unterrichtet. Grundschulpädagogen beklagen, dass der Förderbedarf bei den Erstklässlern enorm zugenommen hat. „Das ist zum einen eine Folge der Pandemie, in der Betreuungszeiten ausgefallen sind“, sagte eine Schulleiterin unserer Zeitung. Auch die Integration von geflüchteten Kindern ohne Deutschkenntnisse sei vielfach eine große Herausforderung.

Wie groß der Förderbedarf ist, zeigt ein Auszug aus der Schulstatistik der Stadt Köln. Ein Sprecher sagte unserer Zeitung auf Anfrage: „Für das kommende Schuljahr 2023/2024 werden 640 Erstklässlerinnen und Erstklässler die erste Klasse wiederholen. Das sind rund sechs Prozent der Gesamtzahl aufgenommener Schülerinnen und Schüler. Im vergangenen Jahr (Schuljahr 2022/2023) haben 484 Kinder die erste Klasse wiederholt.“ Der Anteil der I-Dötzchen, die in Köln die erste Klasse nicht geschafft haben, ist demnach um rund 30 Prozent angestiegen.

Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, zeichnete ein dramatisches Bild von der Lage. „Schulleiter berichten von Erstklässlern, die sich beim Sport nicht alleine umziehen können, keine Schleife binden, nicht rückwärtslaufen oder eine Schere halten. In vereinzelten Fällen können sogar manche nicht selbstständig auf die Toilette gehen“, so Engin. Ein standardisiertes Screening bei der Schulanmeldung komme aber viel zu spät: „Dann lässt sich in der ersten Klasse kaum mehr wirksam gegensteuern.“

FDP kritisiert „blinden Aktionismus"

Massive Kritik an den Feller-Plänen kommt von der FDP. Franziska Müller-Rech, Sprecherin für Schulpolitik der Liberalen im Landtag, sprach von „blindem Aktionismus“. So werde der Förderbedarf auch durch Gesundheitsämter mit der Schuleingangsuntersuchung festgestellt. „Was Feller plant, wird längst an anderen Stellen gemacht.“ Eingangsbeobachtungen von Schulen bräuchten „kein Formblatt aus Düsseldorf“.

Die CDU hingegen begrüßte die Pläne. Die Einführung eines standardisierten Screenings sei „absolut sinnvoll und notwendig“, sagte Claudia Schlottmann, Schulexpertin der CDU-Fraktion. Lena Zingsheim-Zobel von den Grünen schlug vor, „außerschulische Kooperationen zur individuellen Lernbegleitung" zu stärken.

Die Bildungsgewerkschaft GEW bezweifelt, dass genügend Personal für zusätzliche Untersuchungen zur Verfügung steht. „Die Frage, die sich dabei selbstverständlich stellt, ist, wer dieses Screening durchführen soll, denn weder Kitas noch Schulen haben in Zeiten des Fachkräftemangels dafür Kapazitäten“, sagte Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW in NRW, unsrer Zeitung. „Ein Screening ohne zusätzliche Ressourcen an Zeit und Personal wird zum Selbstzweck und bleibt folglich wirkungslos.“

Das Schulministerium erklärte, man stehe in „engem Austausch“ mit dem NRW-Familienministerium über die zielgerichteten „diagnostische Verfahrensweisen vor der Einschulung“. Ministerin Feller wolle darüber hinaus die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen der Kinder gezielt fördern. So soll es in den Grundschulen schon ab dem nächsten Schuljahr eine verbindliche Lesezeit von dreimal 20 Minuten pro Woche geben.