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Annett Louisan im Interview„Ich konnte nur für meine Tochter aufhören zu rauchen”

Lesezeit 5 Minuten
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Sängerin Annett Louisan

  1. Annett Louisan steht größtenteils für französisch-deutschen Chanson und wurde 2004 mit ihrem Lied „Das Spiel“ bekannt.
  2. Im Interview spricht die 42-Jährige über ihre Rückkehr ohne vorherigen Abschied, das Muttersein und Konzerte in Köln.
  3. Am 17. November steht die Sängerin im Palladium auf der Bühne.

KölnFrau Louisan, Sie haben zuletzt das Doppelalbum „Große kleine Liebe“ veröffentlicht. Knapp fünf Jahre nach Ihrem letzten regulären Album. Eine lange Zeit, von der Sie in einem Interview einmal sagten, dass es „Mut“ bedürfe, sie zu überstehen. Ist die Angst groß, vergessen zu werden?

Ich glaube, die anderen hatten eher Angst, dass ich vergessen werde. Ich bin der Meinung, wenn man nicht mal ein paar Jahre weg sein kann, ohne dass die Leute einen sofort vergessen, dann macht das alles eh keinen Sinn. Ich finde, das muss man sich nehmen dürfen. Ich lebe ja schließlich noch. Und die vergangenen Jahre waren wirklich eine besondere Zeit. Es war das Ende meiner doch sehr weit ausgedehnten Jugend, denn bis 39 habe ich echt noch ein anderes Leben geführt. Die Mitte des Lebens, die Überquerung der 40, das Mutterwerden. Das alles ist nicht unbedingt ein ausgeglichener, aber dafür ein sehr intensiver Ort und ich bin heute froh, dass ich nicht schon früher etwas veröffentlicht habe. Nach meinem Gefühl konnte ich die Fragen, die ich mir 2015 noch beim Schreiben einiger Lieder gestellt habe, jetzt mit den neuen Liedern beantworten. Zusammen ergibt das ein großes, ganzes Bild. Eine Art Bilanz.

Die Lieder handeln unter anderem von Ihrer Familie, mit der auszukommen, nicht immer leicht ist. Von dem Leben als 1,52 Meter große Frau, der Liebe zu Ihrem Mann als „Traumpaar aus der Gosse“ und dem Glück des eigenen Kindes. Eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit?

Zur Person

Annett Louisan (42) lebt mir ihrem Ehemann und der gemeinsamen Tochter (2) in Hamburg. Bekannt wurde die Sängerin, die größtenteils für französisch-deutschen Chanson steht, 2004 mit ihrem Lied „Das Spiel“. Ihr neues Album „Große kleine Liebe“ präsentiert sie derzeit im Rahmen ihrer Tour. Am 17. November kommt sie ins Kölner Palladium. Karten sind ab 48,90 Euro erhältlich. (kle)

Ja, das Texteschreiben war in jedem Fall therapeutisch. Ich glaube, ich bin mir in den letzten Jahren etwas näher gekommen, und das hört man meinen Liedern auch an. Auf der Bühne habe ich gelernt, dass je näher ich mir selber bin, desto näher bin ich auch dem Publikum. Und vielleicht kann man so ein autobiografisches Album auch nur einmal im Leben schreiben, aber für mich war es jetzt einfach an der Zeit, meine großen Themen anzugehen. Den Mauerfall, meine Kindheit, meine alleinerziehende Mutter, das selbst Mutter werden, die Selbstliebe oder die Liebe, die krank macht.

In „Ein besserer Mensch“ singen Sie: „Für dich werd ich ’n besserer Mensch, hör auf zu rauchen, fang an zu laufen, geh nicht mehr feiern, sondern rechtzeitig penn’.“ Haben Sie all das tatsächlich für Ihre Tochter geschafft?

Ich konnte nur für meine Tochter aufhören zu rauchen, das habe ich für mich und niemand anderen geschafft. Als unser Kinderwunsch wirklich aufkam, habe ich sogar noch eine ganze Menge mehr geschafft. Ich habe mein Leben auf den Kopf gestellt und geändert. Denn das war der Punkt, an dem ich ein bisschen Platz machen musste, damit sie zu mir kommen kann. Und dann ist es auch passiert. Ich weiß, ich sehe das ein bisschen spirituell.

Bei Ihrer letzten Tour standen Sie noch schwanger auf der Bühne. Nun ist Ihre Tochter im Sommer bereits zwei Jahre alt geworden. Wie verbinden Sie das Familienleben mit der anstehenden Tour, bei der Sie mehr als 30 Konzerte spielen?

Ich weiß zwar noch nicht ganz genau, wie ich das Doppelalbum auf die Bühne bringe, ich habe bisher nur eine Ahnung und brenne darauf. Aber was ich weiß ist, dass ich meine Tochter unbedingt mitnehmen werde. Ich könnte gar nicht ohne sie auf Tour gehen, das würde ich nicht aushalten. Daher reisen wir nachts mit dem Nightliner, abends stehe ich auf der Bühne, während sie schläft, und morgens werden wir dann alle Zoos dieser Republik besuchen und ein kindergerechtes Programm starten. Das tut mir auch ganz gut, weil ich das von früher noch anders kenne. Da lagen wir bis 16 Uhr in irgendeinem Bus herum, sind dann zum nächsten Ort gefahren und haben uns dort im Sound-Check-Bereich ein Käsebrötchen geholt. Kinder geben einem das Gefühl, dass auch ein Morgen toll ist. Dadurch fühlt sich ein Tag manchmal wie eine ganze Woche an. Das ist unfassbar.

Im Rahmen dieser Tour treten Sie am 17. November im Palladium auf. Aufgrund Ihrer Teilnahme an der TV-Show „Sing meinen Song“ (Vox), in der Sie neben Wolfgang Niedecken aufgetreten sind, haben Sie mit „Verdamp lang her“ sogar ein Kölsches Lied in petto – Sie singen den Text allerdings auf Hochdeutsch...

Ich liebe Akzente, aber Kölsch kann ich einfach nicht. Ich muss mich wohl fühlen, und Hochdeutsch ist meine Muttersprache, da bin ich zu Hause. Außerdem ist der Text so toll, dass ich natürlich möchte, dass die Leute, die Hochdeutsch sprechen und kein Kölsch können, diesen auch verstehen. Das ist eine spannende Erfahrung. Und ich freue mich sehr auf den Auftritt, an Köln habe ich nur gute Konzerterinnerungen. Das Publikum hier ist – und ich weiß, es ist ein Klischee, aber ich habe es immer so empfunden – sehr warm, sehr offen. Einfach eine sichere Bank.