Flucht heißt, dass man für immer entwurzelt ist – das sagt die Kölner Comedienne Negah Amiri, die mit elf aus dem Iran nach Deutschland kam.
„Köln ist die offenste Stadt Deutschlands“Negah Amiri über ihre Flucht aus dem Iran und ihre Wahl-Heimat
Wie es war, damals mit elf Jahren aus dem Iran zu flüchten, werde sie oft gefragt. Für Negah Amiri hapert es an der Fragestellung und dem Wörtchen „war“. Flucht sei nicht etwas, das man einmal tut und das dann vorbei ist. Vielmehr ist sie ein Dauerzustand. „Ich glaube, viele stellen sich Flucht so vor, als würde man die Heimat verlassen und in ein neues Land kommen – und dann ist alles gut und man ist frei, und genießt diese Freiheit“, sagt die 29-jährige Comedienne und Wahl-Kölnerin. „Aber was viele nicht sehen, ist, dass man für immer entwurzelt ist, dass man Konditionierungen, die man vorher hatte, von heute auf morgen verliert.“
Nicht, dass Amiri sich hier nicht wohlfühlen würde. Und dennoch: „Man kann sich zwar an das neue Leben gewöhnen, aber nicht so richtig zu Hause fühlen. Das ist bei mir jedenfalls noch nicht eingetreten.“ Nach ihrer Flucht lebte sie zunächst in Wiesbaden, wo sie aufwuchs. Nach dem Studium zog Amiri dann in die Comedy-Hauptstadt Köln. Nicht nur, weil man das als Comedian für beste Chancen im Beruf und vielen Möglichkeiten für Auftritte – etwa bei Nightwash oder der 1Live-Comedynacht – eben so macht.
„Ich finde, Köln ist die offenste Stadt Deutschlands. Kölner sind die sympathischsten Menschen in Deutschland“, sagt sie und fügt hinzu: „Und ich habe hier viele Städte gesehen.“ Besonders der Rheinauhafen habe es ihr mit seiner Weite und den schicken Kranhäusern angetan, sagt sie voller Begeisterung. „Das gibt mir eine schöne Energie.“
In ihrem aktuellen Projekt „Never Ever“ stellt sich Amiri ihren eigenen Vorurteilen und Ansichten zu bestimmten Themen. Am Ende jeder Episode der Serie zieht sie ihr Fazit: Bleibt es bei ihrem Ursprungsgedanken „Never Ever“ oder hat sie ihre Meinung geändert? Mit etwas Straßenslang, Humor, Sketchcomedy, aber auch ernsthaften Gesprächen mit Experten nähert sich Negah Amiri dabei Themen wie Schönheitsoperationen, Drogen oder Klimawandel.
Das stellte sie teils auch vor Herausforderungen. „Ich hatte immer die Wahl, ob ich die Sachen mache oder nicht. Aber als ich dann im Wald geschlafen habe: Das war das, wovor ich am meisten Angst hatte. Es ist ein bisschen gruselig allein“, gesteht sie. „Ich bin gerne in der Natur, aber davor hatte ich schon Angst.“ Augenöffnend sei auch das Gespräch mit einer Klimaaktivistin von Extinction Rebellion gewesen.
Kölnerin Negah Amiri: Bewunderung für iranische Freiheitskämpferinnen
Ganz anderen Herausforderungen stellen sich derzeit die Frauen in ihrem Heimatland Iran. Seit Monaten kämpfen sie dort für Freiheit. Das macht auch etwas mit Negah Amiri. „Es ist für mich bewundernswert, was diese Frauen machen. Es ist so wichtig für den globalen Blick auf Feminismus. Ich glaube, wenn die Frauen im Iran tatsächlich diese Revolution schaffen, dann ist das ein Riesensieg für alle Frauen weltweit“, sagt sie sichtlich bewegt. „Es ist vor allem beeindruckend, für welche Sichtbarkeit die iranischen Frauen gesorgt haben. Alle Iraner wussten, was in unserer Heimat abgeht. Aber durch die heutige Revolution wurden wir endlich global gesehen und verstanden.“
Von einer vergleichbaren Situation kann man in Deutschland zwar nicht sprechen. Dennoch kann sich in Sachen Feminismus auch hier noch etwas tun. Das Klischee, Frauen könnten nicht witzig sein, sei ihr nicht nur einmal begegnet, sagt Amiri. Mit „Doppel X“ veranstaltet sie gemeinsam mit Maria Clara Groppler eine rein weibliche Comedy-Show, die ab Herbst auf Tour geht und im Dezember auch in Köln zu Gast ist.
Die fünfteilige Comedy-Reihe „Never Ever“ läuft bereits und ist eine Koproduktion von Hessischem Rundfunk (HR) und WDR. Seit Freitag, 9. Juni, ist wöchentlich eine neue Folge in der ARD-Mediathek zu sehen. Das HR-Fernsehen zeigt die Folgen ab dem 12. Juni um 23.15 Uhr, der WDR ab dem 16. Juni jeweils um 23.30 Uhr.