Kurioser TransportDas steckt hinter dem fliegenden Auto über den Dächern von Köln
Köln – „Wir haben die Trash-People auf die Chinesische Mauer gestellt und zur Documenta ein Flugzeug abstürzen lassen, aber so viele schlaflose Nächte wie in den letzten fünf Wochen hatten wir noch nie.“ Es ist Sonntagmorgen, 11 Uhr, und Elke Koska, Muse und Managerin des Aktionskünstlers HA Schult, ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Soeben ist Schults tonnenschwere Auto-Skulptur „Steinerne Zeit“ wieder sicher auf dem Erdboden gelandet – nach einem spektakulären Flug über die Hausdächer Kölns. Ein Kran hatte den mit einem Steinmuster überzogenen Ford Fiesta zuvor aus dem„Museum für Aktionskunst“ an der Marzellenstraße gehievt.
Es war das letzte Stück aus Schults leer geräumtem Privatmuseum, das damit nach 25 Jahren Geschichte ist. Der Künstler hat seinen Lebensmittelpunkt nach Düsseldorf verlagert – aus Ärger über die seiner Ansicht nach mangelnde Unterstützung der Kölner Stadtspitze für seine Kunst. Doch die steinüberzogene Skulptur aus der Reihe „Fetisch Auto“ wird Köln erhalten bleiben. Als neuer Standort ist das DEVK-Gebäude an der Johannisstraße im Gespräch. Der Autoversicherer, auf dessen Zentrale am Riehler Rheinufer schon Schults Neon-Weltkugel thront, hat das Kunstwerk gekauft. Der Erlös kommt dem Verein „Kunst hilft Geben“ zugute, der sich für Wohnungslose, Arme und Ausgegrenzte in Köln engagiert.
1,6 Tonnen schwerer Wagen von Steinsockel befreit
Bereits seit dem frühen Morgen hatten mehrere Mitarbeiter der Spezialfirma DDM, die ansonsten schon mal Ölplattformen in der Ostsee abreißt oder Windkraftanlagen demontiert, die diffizile Aktion vorbereitet. Die Außenspiegel mussten abmontiert, der 1,6 Tonnen schwere Wagen von seinem Steinsockel befreit und auf Transportrollen gesetzt werden.
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Um kurz vor 10 Uhr ist es so weit: Millimeter für Millimeter schiebt sich die Schnauze des Wagens durch das Loft-Fenster im vierten Stock auf eine am Kran hängende Plattform. Die Bühne stellt sich schräg unter dem Gewicht, immer wieder justiert ein Montagearbeiter die Sicherheitsseile und kontrolliert, dass das Kunstwerk nicht von den Rollen kippt. Eine halbe Stunde später ist es geschafft. Mit der Plattform geht es zunächst abwärts in den Innenhof, wo das Auto ein letztes Mal gesichert wird, dann ist es bereit für den Abflug. Für wenige Minuten schwebt die Skulptur hoch über der Häuserschlucht, die Domspitzen im Hintergrund, dann setzt der Kran-Fahrer es auf einem wartenden Tieflader ab.
Die dritte Schult-Skulptur hoch über der Stadt
„Das Auto kommt jetzt in ein Zwischenlager in Dellbrück, wo es konserviert wird“, sagt DEVK-Direktor Georg Müller, der die Aktion von einem benachbarten Dach aus beobachtet hat. Derzeit werde noch die Statik des Gebäudes an der Johannisstraße geprüft. Wenn alles glattgeht, soll die Skulptur noch im Laufe des Jahres an ihren neuen Standort unweit des Breslauer Platzes umziehen. Zusammen mit der Weltkugel und dem Flügel-Auto auf dem Stadtmuseum wäre es die dritte Schult-Skulptur hoch über der Stadt. Nicht jedem dürfte das gefallen: So hatte sich der Kölner Kunstbeirat negativ über Schults Arbeit geäußert. Der Künstler revanchierte sich, indem er den Beirat als Kulturpolizei beschimpfte und seinen Umzug in die verbotene Stadt ankündigte.
Wie viel Geld die Versicherung für das Auto bezahlt hat, wollte Müller nicht sagen. Dass es sich um eine erhebliche Summe handelt, dürfte indes klar sein. Dank der Schenkung konnte „Kunst hilft Geben“ sein Eigenkapital auf mehr als 500 000 Euro aufstocken. Der Verein will damit sein Integrationsprojekt „Casa Colonia“ finanzieren, ein Haus für Wohnungslose, Studenten und arme Künstler.