„Häufig vergessen“Demenzkranke stehen in Corona-Krise vor besonderer Herausforderung
- Die coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens bedeuten für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen eine besondere Herausforderung.
- Manche ecken in bestimmten Situationen sogar an, weil sie vergessen, was ihnen zuvor erklärt wurde – etwas das Tragen einer Maske oder das Abstandhalten.
- Corinna Goos, Koordinatorin des Demenzbesuchsdienstes „Duo“, erzählt, wie das Coronavirus ihre Arbeit beeinflusst.
Köln – Frau Goos, zunächst einmal: Was ist Duo?
Es ist ein gemeinsames Angebot des ASB Köln und der Kölner Freiwilligen-Agentur. Es geht um die Betreuung von an Demenz erkrankten Menschen und die Unterstützung ihrer Familien. Die Angehörigen, die einen Menschen mit Demenz zu Hause betreuen, können die gewonnene Zeit zur Entspannung nutzen, um ein paar Stunden Luft zu holen und um neue Kraft zu schöpfen. Deren physische und psychische Belastung ist sehr hoch. Da gerät man rasch an seine Grenzen. Wir raten dringend dazu, sich früh Hilfe zu holen und nicht bis zur völligen Erschöpfung zu warten.
Wie sieht diese Hilfe in Corona-Zeiten aus?
Nach der Kontaktsperre Mitte März mussten wir von einem Tag auf den anderen alle Besuche stoppen. Von den 80 Begleitungen sind nur acht durchgelaufen. Das war möglich, weil die gesetzlichen Vorgaben Ausnahmeregelungen in Einzelfällen erlaubt haben. Wir haben das sorgfältig geprüft. Dabei mussten beide Seiten betrachtet werden. Die Familie muss überlegen, ob jemand in die Wohnung kommen soll. Das gilt für die Freiwilligen umgekehrt auch. Nicht alle möchten derzeit in einen fremden Haushalt gehen. Das ist trotz der Lockerungen bei einigen noch immer so.
Welchen Einfluss hat Duo in dieser Frage?
Wir überlegen gemeinsam, was angemessen ist und was nicht geht. Entscheiden müssen das die Menschen selber. Wir können die Verantwortung nicht übernehmen, aber wir haben für die Sorgen und die Zurückhaltung großes Verständnis. Niemand wird gedrängt, wieder anzufangen. Wir statten unsere Freiwilligen natürlich mit Masken aus. Zunächst gab es sie selbstgenäht durch eine Duo-Freiwillige, die von Beruf Schneiderin ist. Dann kam „Filz Gnoss“ auf uns zu und hat uns 80 genähte Masken gespendet. Das war toll.
Wie waren die Reaktionen zu Beginn des Lockdowns?
Sehr unterschiedlich. Es gab Freiwillige, die sofort gesagt haben, wir können uns weiter um unsere Leute kümmern. Andere setzten erst einmal aus. Bei den Familien war das ähnlich. Das Besondere an Duo ist: Wir schicken immer die gleiche Person. Da ist es mitunter schwierig, wenn plötzlich jemand anderes kommt. In den zurückliegenden Wochen haben einige Angehörige entschieden, die Betreuung zunächst selber zu übernehmen. Wir haben sie telefonisch beraten und den Kontakt gehalten. Ebenso wie zu den Freiwilligen. Die sich ihrerseits so gut es ging, weiter um ihre Leute gekümmert haben. Einige gingen einkaufen und haben die Sachen vor die Tür gestellt, andere haben sich auf Abstand über den Balkon miteinander unterhalten. Aber ganz klar: Das persönliche Treffen und die regelmäßigen Besuche der Freiwilligen sind nicht zu ersetzen.
Was war und ist besonders schwierig?
Es gibt Menschen mit Demenz, die allein leben und nur eingeschränkt verstehen können, was die Beschränkungen bedeuten. So wie die Dame, die üblicherweise jeden Tag zum Mittagessen ins Restaurant geht. Plötzlich war das Lokal zu. In diesem Fall hat jemand von Duo, ein junger Mann, gesagt: Ich begleite die Dame und erkläre ihr die Situation. Auch, dass sie nun eine Maske aufsetzen muss. Angehörige haben erzählt, dass die Erkrankten angeeckt sind, weil sie wie gewohnt in die Bäckerei oder in den Kiosk gehen wollten, aber keine Maske trugen oder Abstand gehalten haben. Dazu kommt, dass Menschen mit Demenz häufig rasch vergessen, was man ihnen erklärt hat.
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Wie viele Freiwillige arbeiten für Duo?
Wir haben 111 Freiwillige, von denen nicht alle im Einsatz sind. Die Frauen und Männer sind zwischen 20 und 84 Jahre alt. In der Krise hat sich noch einmal ganz deutlich gezeigt, wie wichtig die Alltagsbegleitung für die ambulante Betreuung ist.
Die Besuchsdienste sind ja oft der erste Einstieg in das Hilfesystem.Welche Leistungen bietet Duo an?
Wir informieren über das Thema Demenz. Wir vermitteln Freiwillige, die Menschen mit Demenz in ihrem Zuhause besuchen und Zeit mit ihnen verbringen. Wir begleiten und qualifizieren die Freiwilligen vor und natürlich während ihres Einsatzes in den Familien.
Welche Aufgaben erwarten die Helferinnen und Helfer?
Das ist ganz verschieden. Es kommt auf die individuelle Situation an. Auch darauf, in welchem Stadium sich die Erkrankung befindet. Entscheidend ist, was dem Kranken gut tut und was die Angehörigen entlastet. Das können gemeinsame Spaziergänge sein, Fahrradtouren, Besuche im Café oder im Museum, gemeinsame Arbeit im Schrebergarten, Vorlesen, Kartenspielen, Musikhören, Fotoalben ansehen. Oder einfach nur da sein und am Bett sitzen. Wichtig ist auch zu sagen, was unsere Freiwilligen nicht machen: Sie übernehmen keine Pflege, keine Putzdienste und verabreichen keine Medikamente.
Wie stellt sich die Situation für Duo aktuell dar?
Was den Erfolg des Dienstes angeht sehr gut, nur finanziell nicht so gut. Der Kölner Freiwilligen Agentur fehlen für dieses Projekt bis zum Jahresende 9000 Euro, weil fest einkalkulierte Einnahmen weggefallen sind.
Wieso fehlen die Einnahmen?
Wir hatten Einnahmen aus Veranstaltungen, Vorträgen und vermittelten Besuchsstunden eingeplant, die aufgrund der Corona-Situation ausgefallen sind. Und die städtische Förderung allein reicht nicht aus, um alle unsere Kosten für den Dienst zu decken. Ich habe bereits einige Anträge gestellt, um für die Kölner Freiwilligen Agentur Geld aus Corona-Hilfsfonds zu erhalten. Bislang ohne Erfolg. Wir müssen jetzt schauen, wie wir das Projekt gesichert bekommen. Spenden würden uns natürlich sehr helfen.
Wie geht es weiter?
Zunächst hoffen wir, dass sich die Situation weiter entspannt. Wir möchten in diesem Jahr noch zwei Schulungen, im September und im Dezember, anbieten und suchen dafür Menschen, die sich bei Duo engagieren möchten. Übrigens bieten die anderen städtisch geförderten Besuchsdienste für Menschen mit Demenz in der Stadt auch wieder Schulungen an. Wir sind untereinander gut vernetzt und arbeiten stadtweit prima zusammen. Das war gerade während der Corona-Zeit sehr hilfreich.