Italienische Gastronomen aus Köln„Die Deutschen sollten sich nicht beklagen“
- „Die Deutschen sollten sich nicht beklagen. Wir durften die ganze Zeit raus und ich konnte zehn Tage nach Schließung auch wieder einen Außer-Haus-Verkauf anbieten“, so der Kölner Eismeister Giacomo Ferigo.
- „Casa di Biase“-Chef Mario di Biase nimmt in seinem italienischen Freundeskreis Misstrauen gegenüber Deutschland wahr.
- Zwei italienische Gastronomen aus Köln schildern ihre Eindrücke aus ihrer Heimat.
Köln – Den 11. Mai behält Mario di Biase als persönlichen Feiertag in Erinnerung. Denn nach wochenlanger Schließung seines Restaurants „Casa di Biase“ am Eifelplatz durfte er endlich wieder seine Gäste empfangen: vorwiegend Stammpublikum, das sich gerade in der Krise besonders solidarisch gezeigt habe.
„Ein Kunde hat einen Gutschein für 1000 Euro gekauft. Und heute hat uns jemand statt 120 Euro 150 Euro dagelassen, den Rest als Corona-Zuschlag“, sagt di Biase. Die Situation fühle sich fast wieder normal an, so der Gastronom, wäre da nicht das große Banner am Eingang, auf dem in roter Schrift „Hygieneabstand einhalten“ prangt. Oder, wenn er nicht seine Gäste bitten müsste, ihre Maske erst am Sitzplatz abzustreifen. Doch die meisten hielten sich daran.
Mittlerweile habe sich sogar der Umsatz wieder einigermaßen normalisiert, erzählt di Biase, der seit 26 Jahren das Kultlokal am Volksgarten betreibt. Der Italiener, der seit 1978 in Deutschland lebt, kann nur Gutes über seine Wahlheimat sagen: Mit der Soforthilfe und der Kurzarbeit habe sich der deutsche Staat gerade in dieser schweren Zeit als zuverlässiger Helfer erwiesen.
Gedrückte Stimmung
Misstrauen gegenüber Deutschland drückte hingegen zuletzt die Stimmung bei seinen italienischen Freunden und Bekannten, mit denen er täglich per Smartphone im Kontakt ist. Im Bel Paese, das durch das Coronavirus mit am härtesten getroffen wurde, grassieren derzeit anti-deutsche Ressentiments: „Sie fühlen sich von der EU im Stich gelassen“, so di Biase. Diese Einstellung könnte sich mit den jüngst beschlossenen EU-Hilfen zwar ändern. Doch die Diskussionen in di Biases Bekanntenkreis aus dem 1200-Seelen-Dorf seiner Heimatregion Molise waren zeitweise vergiftet. „Einer von dieser Chat-Gruppe – wir nennen uns die Panzerknacker – hat eine blöde Bemerkung gemacht“.
Di Biase, völlig verständnislos, habe entgegnet: „Du liest doch nur italienische Zeitungen. Was gab es denn bei Euch für Hilfen? 600 Euro, auf die Ihr noch wartet. Ich hingegen habe 15 000 Euro erhalten.“ Nach einer Woche haben sie sich wieder vertragen. Der hochgewachsene Italiener weiß natürlich, wie schwer es um die Hotellerie und Gastronomie in Italien bestellt ist – und das aus solchen Streitereien letztlich Frust spricht. „Die haben alle Angst. Es ist eine Katastrophe. Den ganzen Winter warten sie auf die Hauptsaison. Wenn diese wegfällt, können sie einfach nicht überleben“. Er selbst kann es kaum erwarten, endlich wieder nach Italien zu fahren. „Sobald es wieder geht, steige ich ins Auto und fahre in die Toskana, wo ich einen Bauernhof und einen Olivenhain habe“.
Mit viel Sorge blickt auch Eismeister Giacomo Ferigo von „Il Gelato“ in sein Heimatland. Der 56-Jährige, der seit 25 Jahren in der Goldsteinstraße extravagante Eissorten wie Gurke-Rose oder Apfelrotkohl mit schwarzem Pfeffer herstellt, hat nämlich Familie in Norditalien. „Meine 85-jährige Mutter wohnt in einem Altenheim nahe der österreichischen Grenze. Dort waren über 90 Einwohner mit dem Coronavirus infiziert“. Seine Mutter hat sich zwar bisher nicht angesteckt, wurde aber zwischenzeitlich in ein Krankenhaus nach Padua verlegt, erzählt er. Der Kontakt brach zunächst ab. „Es hat eine Woche gebraucht, bis wir sie wieder erreichen konnten“.
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„Alte Menschen wurden degradiert. In den Heimen durften sie nicht mal in den Garten“. Sein Fazit: „Die Deutschen sollten sich nicht beklagen. Wir durften die ganze Zeit raus und ich konnte zehn Tage nach Schließung auch wieder einen Außer-Haus-Verkauf anbieten“.
Dabei hatte der Gelatiere sein Geschäft erst Ende Februar wieder aufgemacht – nach einer Abwesenheit von mehreren Monaten, weil er lungenkrank ist und seit Jahren an allergischem Asthma leidet. Sein Gewicht war vergangenes Jahr auf 42 Kilo abgesackt, nun wiege er glücklicherweise wieder 60 Kilo. „Ich habe aber keine Panik. Jetzt habe ich wieder Kraft, letztes Jahr war es viel schlimmer. Außerdem habe ich mir nun zwei Partner dazu geholt, ich stehe selbst maximal zwei Stunden an der Theke.“