AboAbonnieren

KölnDie wichtigsten Orte, Personen und Anekdoten der Karnevalsgeschichte

Lesezeit 5 Minuten

Der doppelte Berbuer auf dem Brunnen.

Köln – Ich mööch zo Fooß durch Kölle jon“: Klar, in dem Klassiker von Willi Ostermann „Heimweh nach Köln“ heißt es im Refrain „no Kölle jon“, aber wer „durch Kölle jeiht“, dem begegnet an vielen Stellen Karnevalsgeschichte und -geschichten. In der jecken Spurensuche steckt Verborgenes, Offensichtliches, Verschwundenes und Vertrautes. Wir stellen die wichtigsten Orte, Personen und Anekdoten vor und beginnen in der Südstadt.

Ein Brunnen für Karl Berbuer

Im Severinsviertel gibt Karl Berbuer den Ton an. Der Texter, Komponist und Sänger schrieb an die 150 Lieder. Darunter keins über den Dom, dafür aber welche über „et Müllemer Böötche“, die Mosel und sonstige Wein-Anbaugebiete, über Freud und Leid eines Campingausflugs, et Fleute-Arnöldche und über die Stadtgründerin Agrippina. Einige der Figuren, die Berbuer in seinen Liedern besungen hat, sind auf dem prächtigen Berbuer-Brunnen zu sehen. Er steht auf dem Karl-Berbuer-Platz, fast gegenüber der Kirche St. Johann Baptist/„CRUX“-Kirche des Jugendpastoralen Zentrums, etwas abseits der Severinstraße. Der Bildhauer Bonifatius Stirnberg hat den Bronze-Brunnen als „Narrenschiff“ mit zum Teil beweglichen Figuren geschaffen.

Der doppelte Berbuer auf dem Brunnen.

Am auffallendsten sind ein Roter Funk, ein Funkenmariechen, Mutter Colonia als Galionsfigur und Berbuer selber, der als Kapitän am Steuer auf einem Podest steht. Mitunter hat er ein Blumensträußchen in der Hand oder „Drink doch ene met“- Freunde stellen ihm ein volles Glas Kölsch vor die Füße. Nicht weit vom Brunnen entfernt, in Richtung Nord-Süd-Fahrt, grüßt Berbuer von einer Hauswand. Auf dem Berbuer-Platz sind einige Garagentore mit den Noten und Textzeilen der Lieder „Heidewitzka, Herr Kapitän“ und vom „Camping-Leed“ verziert. Die Verbindung des Künstlers zum Vringsveedel war die Bäckerei der Familie im Eckhaus Metzer Straße/Vondelstraße.

Als Karl am 26. Juli 1900 geboren wurde, lebten die Berbuers im Griechenmarktviertel, genauer gesagt in der „Löhrgaß“, jetzt Agrippastraße 18. Dort befindet sich heute die Feuerwache 1. An der Fassade erinnert ein Relief an den bekannten Sänger. Karl Berbuer war wie sein Vater und seine drei Brüder Bäcker, sogar mit Meisterbrief. Der Beruf brachte ihm im Karneval den Spitznamen „Et jecke Hefeteilchen“ ein.

Trude Herr, Ikone der Severinstraße

Eng verbunden mit dem Severinsviertel ist Trude Herr. Sie führte von 1977 bis 1986 auf der Severinstraße ihr Volkstheater „Theater im Vringsveedel“. Heute ist dort das „Odeon-Kino“. Bevor Trude Herr Theaterdirektorin wurde, zählte sie zu den bekanntesten deutschen Volksschauspielerinnen in den Musik- und Tanzfilmen der Nachkriegszeit und gehörte zum Ensemble des Millowitsch-Theaters. Aber ihre ersten großen Solo-Erfolge auf der Bühne feierte Trude Herr im Karneval.

Jecke Spurensuche in Köln.

Im Herbst 1954 geschah zwar kein Wunder, aber so etwas Ähnliches. Trude Herr stellte sich mit einer Büttenrede als „Wunderkind“ den Programmgestaltern der Karnevalssitzungen. „Das Wunderkind“ kam als unbedarftes, dickes, kölsches Mädchen daher und erzählte seine Erlebnisse als Nachwuchsfilmstar. Es gab vor, alle Stars zwischen Hollywood und Venedig persönlich zu kennen. Die Rede basierte auf einer raffinierten Naivität, die leicht Anrüchiges verdeckte. So behauptete das Filmsternchen, es habe die Filmgesellschaft gebeten, den Titel „Die Jungfrau von Orléans“ in „Das Mädchen von Orléans“ zu ändern. Die Leute zu Hause im Vringsveedel würden sonst dumme Bemerkungen machen.

Das Publikum liebte sie, die Karnevals-Offiziellen nicht immer. Und Trude mochte den organisierten Gesellschaftskarneval auch nicht. Im Laufe der Jahre wurde sie in ihren Reden immer frecher, manche Zeitgenossen sagen aggressiver. 1958 knirschte es kräftig im Karnevalsgebälk, ihre für die kommende Session angekündigte Rede als „Karnevalspräsidentengattin“ war nicht erwünscht. Trude schmollte und kehrte den Präsidenten samt Gattinnen den Rücken.

Der Edelweißpirat

In der Anfangszeit als Theaterchefin kreuzten sich ihre Wege mit Jean Jülich, der ebenfalls im Karneval und in der Südstadt eine wichtige Rolle spielte. Er war lange Jahre Pächter der ehemaligen kölschen Wirtschaft „Em Blömekörvge“ in der Josephstraße und der Severinstorburg. Im „Theater im Vringsveedel“ war der Gastronom für das Pausenbuffet zuständig. Allerdings nur so lange, bis sich die Prinzipalin über zischende Zapfhähne, ploppende Sektkorken und penetranten Zwiebelgestank (Jülich servierte auch Mettbrötchen mit Öllich) während den Vorstellungen erregte und den Wirt erfolgreich aus dem Haus klagte.

Jecke Spurensuche in Köln.

Das Gericht hatte zuvor eigens einen Ortstermin auf der Theaterbühne anberaumt, um sich selber von Geräuschen und Gerüchen zu überzeugen. Mehr Glück hatte Jülich, der in seiner Jugend zu den Edelweiß-Piraten gehörte, bei seinen karnevalistischen Aktivitäten. Er war Leiter und Gründer der Tanzgruppe „Winzer un Winzerinne vun d’r Bottmüll“, Präsident der K.G. Alt-Severin und im Vorstand des Festkomitees Kölner Karneval. Schließlich schuf er „Europas kleinste Karnevalsgesellschaft“, die „Löstige 1“, in der Jülich sämtliche Funktionen selber übernahm. In der Siedlung Stollwerckhof, wo er bis zu seinem Tod am 19. Oktober 2011 wohnte, erinnert der Jean-Jülich-Weg an den Lebenskünstler. Nicht weit davon entfernt ist der Trude-Herr-Park mit dem Denkmal für die Volksschauspielerin.

Kamelle von Stollwerck

Begrenzt wird der Park vom Bürgerhaus Stollwerck, unter anderem Heimat der „Immisitzung“. Der massige Backsteinbau ist ein Relikt der Schokoladenfabrik Stollwerck, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis Mitte der 1980er Jahre ihren Sitz im Severinsviertel hatte. Stollwerck und Karneval bedeutete vor allem Kamelle und Pralinen. Beim ersten offiziellen Rosenmontagszug nach dem Zweiten Weltkrieg, der 1949 als „Kappenfahrt“ stattfand, mussten die Karnevalisten an allen Ecken und Enden improvisieren. Aber es gab Kamelle für die Jecken am Straßenrand.

Der doppelte Berbuer: als Fassadenmalerei.

Die Firma Stollwerck bekam mit städtischer Unterstützung Zuckerscheine für etwa 300 Zentner Zucker. Nur mit dieser Sonderzuteilung war es möglich, Kamelle für die Karnevalsgesellschaften herzustellen. An den einst bedeutenden Arbeitgeber Kölns erinnert die Skulptur Schokoladenmädchen oder Stollwerckmädchen auf dem Severinskirchplatz des Bildhauers Sepp Hürten. Einen Steinwurf entfernt, in der Straße Im Ferkulum, befand sich einst die Hauptverwaltung des Konzerns. Ein Teil ist erhalten geblieben. Dort ist heute der „Vringstreff“, eine Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Wohnung. Im Café- und Restaurantbereich sitzen die Gäste in der ehemaligen Empfangshalle der Stollwerck-Zentrale.

Das könnte Sie auch interessieren:

Erhalten geblieben sind die Säulen, ein Teil der Holzvertäfelung an den Wänden und eine prächtige Glaswand. Wer näher an diese vorwiegend aus blauen Glasstücken gestaltete Wand tritt, erkennt verschiedene Pralinenformen, wie sie früher in der Produktion eingesetzt wurden.