Die Diskussionsrunde „Köln kann inklusive Bildung“ im Comedia-Theater zeigt: Behinderte Schüler profitieren enorm von Inklusion.
Inklusion in Köln„Klima des Aufbruchs ist weg, Skepsis wächst“
Sarah ist eine von etwa 180 Kindern mit Behinderung auf der Gesamtschule in Köln-Holweide. Seit 1984 werden in Holweide Kinder mit Förderbedarf gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern unterrichtet. Hier fühlt Sarah sich als Mensch wahrgenommen, weil ihre Mitschüler durch den regelmäßigen Kontakt aufhören würden, über die Behinderung zu sprechen. "Sie nehmen mich so, wie ich bin."
Auch Simon gehört zu den rund zehn Prozent der Kinder mit Behinderung an der Schule. „Auch wenn man das nicht tun soll, hat es mir in meiner Entwicklung sehr geholfen, mich mit den anderen Schülern zu messen“, erzählt er. Das habe ihn motiviert und ihm Mut gegeben. „Ich lerne von den anderen Schülern und sie von mir“, sagt er.
Inklusion hat viele Vorteile an der Gesamtschule in Köln-Holweide
Sarah und Simon schildern an diesem Abend ihre Erfahrungen auf der Bühne des Comedia-Theaters in der Kölner Südstadt. Der Verein „mittendrin e.V.“ hat zu einer Diskussion unter dem Motto „Köln kann inklusive Bildung“ eingeladen. Dass Inklusion in Köln klappt, das wollten auch Lehrkräfte aus Kölner Schulen der Politik deutlich machen.
Britta Klostermann ist Lehrerin und Koordinatorin an der Holweider Gesamtschule. Sie erfahre an ihrer Schule, dass Inklusion funktioniert. Zum einen liege das daran, dass Lehrkräfte mehr zusammenarbeiten würden und sich gegenseitig ein Korrektiv sein könnten, was den Schülerinnen und Schülern zugutekomme. Zudem erlebten die Kinder erleben und entwickelten ein Gefühl dafür, dass jeder und jede dazugehört, egal wo er oder sie herkommt und unabhängig davon, was er oder sie leisten kann. Jedes Jahr verließen behinderte Schüler mit ihrem ersten oder sogar dem mittleren Abschluss die Schule.
Inklusion in Köln: Skepsis wird größer
Eltern, die befürchten, dass sich ihr Kind nach unten orientiert und durch die Schüler mit Behinderung zu wenig gefördert werde, könne sie nur entgegnen: „Nein, so ist das nicht. Und außerdem finde ich, dass diese Eltern ein komisches Menschenbild haben.“ Zudem verbessere sich das Sozialverhalten und die Teamfähigkeit der Kinder durch den Austausch in heterogenen Gruppen. Bedenken kämen meist von Eltern, die Inklusion noch nie mitbekommen hätten. Bei Politikerinnen und Politikern sei das ähnlich.
Eva-Maria Thoms, 1. Vorsitzende von „mittendrin e.V.“, bemängelt, dass Abende wie dieser zur Ausnahme geworden seien. „Es gab einmal ein Klima des Aufbruchs in Köln. Man hat gemerkt, dass man Inklusion verbessern wollte, auch in der Verwaltung. Dieser Spirit ist weg.“ Die Skepsis gegenüber Inklusion sei stärker geworden. Oft erhalte sie heute die Rückmeldung: Das funktioniert doch nicht. Laut Thoms sei das Gegenteil der Fall. „Ich möchte wieder eine positive Haltung zu Inklusion in Köln entstehen sehen.“
Kölner Politik will Inklusion unterstützen
Politikerinnen und Politiker der großen Parteien des Kölner Rates haben zum Abschluss der Veranstaltung die Chance, ihre Sichtweise zu Inklusion zu erläutern. CDU und FDP sprechen sich für ein zweigleisiges System aus, also sowohl Inklusion als auch Förderschulen. Katja Hoyer von der FPD betont, dass vor allem die transparente, nicht wertende Weitergabe von Informationen über beide Schulformen verbessert werden müsse, damit die Eltern eigenständig die Entscheidung treffen könnten, in welcher Form ihr Kind eingeschult werden soll.
SPD, Grüne, Volt und Linke positionieren sich klar für inklusive Bildung. „Ich nehme aus dem heutigen Abend mit, dass Inklusion kein Problem, sondern eine Chance ist. Inklusion kann gelingen“, sagt Bärbel Hölzing-Clasen von den Kölner Grünen. Oliver Seeck von der SPD möchte die Voraussetzungen an den Schulen für inklusives Lernen verbessern und „weg vom klassischen Frontalunterricht“.
Kölner Stadtverwaltung Vorbild sein
Einig sind sich alle Parteien darin, dass es eine Änderung in der Fahrtkostenregelung geben soll. Hierfür soll bald ein Förderungsprogramm zur kostenlosen Beförderung von behinderten Kindern beschlossen werden.
Behindertenbeauftragte der Stadt Köln, Mirjam Tomše, die eine Gehbehinderung hat, beendet die Veranstaltung mit einem Appell: „Wäre ich auf eine Förderschule gegangen, säße ich heute nicht hier auf der Bühne“. Es bräuchte nicht nur neue Gebäude und Schulen, sondern auch ein Umdenken. „Inklusion braucht Begegnung und Kommunikation. Das können wir alle erreichen, dafür braucht es nicht viel Geld“, sagt sie. Die Stadtverwaltung wolle als gutes Vorbild vorangehen.