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Baubeginn wohl 2026EU will kleinere Gefängnisse – Was heißt das für den geplanten Neubau der JVA Köln?

Lesezeit 3 Minuten
Das Gelände der Justizvollzugsanstalt Köln in der Abenddämmerung.

Das Gelände der Justizvollzugsanstalt Köln in der Abenddämmerung.

Nach den aktuellen Plänen wäre der neue Klingelpütz mit rund 1000 Haftplätzen wieder die größte JVA im Land.

Noch ist das Projekt nur auf dem Papier skizziert, bis zum ersten Spatenstich des geplanten Gefängnisneubaus in Köln wird es wohl noch Jahre dauern. Aber geht es nach der Europäischen Union, sollten das Justizministerium NRW und der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb (blb) ihre Pläne für die neue JVA in Ossendorf noch einmal überdenken. Denn die Justizminister der 27 EU-Länder haben sich auf einer Tagung einstimmig für die künftige Nutzung von „kleineren, differenzierteren Haftformen“ statt „großer Haftanstalten“ in Europa ausgesprochen.

Köln: Geplanter JVA-Neubau im laufenden Betrieb

Eine konkrete Zahl oder eine pauschale Obergrenze für die Haftplätze in einem Gefängnis nannte der EU-Rat zwar nicht. Auch handelt es sich nur um eine Anregung, nicht etwa um ein Gesetz. Aber die Justizminister lassen in ihrem Beschluss keinen Zweifel daran, dass große Anstalten nicht mehr zeitgemäß sind. Damit dürfte auch die Kölner JVA gemeint sein, die zurzeit über knapp 1200 Haftplätze verfügt und auch nach dem Neubau an gleicher Stelle wieder ungefähr 1000 Gefangene beherbergen soll.

Kleinere Anstalten oder „andere alternative Haftformen“ seien laut EU-Rat dagegen viel besser geeignet, „die negativen Auswirkungen der Haft zu begrenzen und inhaftierten Personen eine bessere Hilfestellung bei ihrer Rückkehr in die Gesellschaft zu geben“. Resozialisierung ist das gesetzlich festgeschriebene Ziel des Strafvollzugs auch in NRW. Kleinere Haftanstalten, so argumentieren die EU-Minister, verbesserten sowohl die Arbeitsbedingungen für die Vollzugsbediensteten als auch die Lebensqualität der Insassen und schafften ein „konstruktives Klima“ für ihre Wiedereingliederung.

Kölner Kriminologe befürwortet EU-Pläne für kleinere Gefängnisse

Bei Frank Neubacher trifft die EU-Initiative auf Zustimmung. Der Leiter des Instituts für Kriminologie an der Uni Köln forscht seit vielen Jahren über die Zustände in Gefängnissen und das soziale Klima hinter Gittern. Er sagt: Nur in kleineren Haftanstalten könne man mit den Gefangenen so arbeiten, „dass sie eine echte Chance haben, künftig nicht mehr straffällig zu werden“. Ein positives soziales Klima, sagt Neubacher, reduziere Gewalt und Rückfallrisiken und erhöhe „erwiesenermaßen die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Behandlungsmaßnahmen“. Die Größe einer JVA sei dabei nicht der einzige, aber ein wichtiger Baustein.

Nach Auskunft des Bau- und Liegenschaftsbetriebs laufen derzeit die Ausschreibungen für die Detailplanungen der Baumaßnahmen in Köln. Bis erste Teile des 55 Jahre alten Klingelpütz zurückgebaut werden, dauere es allerdings noch mehrere Jahre, teilt ein Sprecher mit. Der Neubau soll im laufenden Betrieb stattfinden, zeitweise müssen Gefangene in anderen Haftanstalten untergebracht werden. Deshalb soll der Neubau in Köln erst beginnen, wenn auch die neuen Gefängnisse in Willich und Münster fertigstellt sein werden, voraussichtlich im Jahr 2026. In Köln rechnet der BLB mit rund zehn Jahren Bauzeit. Die Kosten dürften bei mehr als einer halben Milliarde Euro liegen.

EU-Beschluss dürfte Kölner Pläne nicht grundlegend ändern

Dass die Pläne nun nach dem EU-Beschluss noch einmal grundlegend geändert werden, ist aber nicht zu erwarten. „Unmittelbare Auswirkungen auf die Neubaupläne der JVA Köln haben die Schlussfolgerungen des EU-Rates nicht“, teilt der Sprecher der Landesjustizvollzugsdirektion, Maurits Steinebach, auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit.

Im Strafvollzugsgesetz NRW sei bereits geregelt, dass Haftplätze eine „dem Vollzugsziel entsprechende Behandlungsdifferenzierung“ ermöglichten. In NRW sei außerdem bereits „gelebtes Ziel“ des offenen Vollzugs, Gefangene zu integrieren, etwa durch Lockerungen wie Ausgang, Urlaub aus der Haft, Freigang oder die Ausübung eines Berufs. „Zu berücksichtigen ist aber auch, dass größere Anstalten mit entsprechenden personellen und sachlichen Ressourcen eher in der Lage sind, ein differenziertes Versorgungs-, Betreuungs- und Therapieangebot vorzuhalten“, sagt Steinebach.

Kriminologe Frank Neubacher hält den Vorstoß des EU-Rates als „Denkauftrag“ an die Politik dennoch für wichtig. Und: Es sei ja nicht auszuschließen, sagt er, dass die EU ihre Initiative für kleinere Anstalten irgendwann auch mal in Gesetzesform gießen könnte.