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„Slow-Brewing“-Zertifikat verlängertWarum Früh das Kölsch langsam braut

Lesezeit 4 Minuten
August Gresser und Dirk Heisterkamp unterhalten sich vor Bierfässern.

August Gresser (links) war bei der Früh-Brauerei und Dirk Heisterkamp vor Ort, um die Kriterien des „Slow Brewing“ zu überprüfen.

32 Brauereien haben sich dem „Slow Brewing“ verschrieben. In Köln braut Früh nach diesem Prinzip. Und hat ein entsprechendes Siegel.

Ein Bier ist mehr oder weniger schnell getrunken. Kein Vergleich zu den Wochen, die es gebraucht hat, um ein Bier zu werden. Wie viele genau, das unterscheidet sich von Bier zu Bier. Bei der Cölner Hofbräu Früh geht es eher langsam voran.

Früh hat sich dem „Slow Brewing“, dem langsamen Brauen, verschrieben. Wer das tut und weitere Kriterien erfüllt, darf sich das Siegel des „Slow-Brewing“-Vereins auf seine Flaschen drucken. „Das härteste und konsequenteste Gütesiegel für Bier“, wie August Gresser, Gründer und Geschäftsführer des Vereins, sagt. Das Siegel soll vor allem für Qualität stehen.

„Slow Brewing“ beginnt dort, wo das Reinheitsgebot aufhört

Qualität und deutsches Bier, da denken viele an das Reinheitsgebot. Es beschränkt die Zutaten für ein Bier auf Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Gresser geht das nicht weit genug: „Slow Brewing beginnt dort, wo das Reinheitsgebot aufhört.“

Für ihn geht es bei der Qualität eines Biers um Zeit. Bei der Hauptgärung spricht Gresser für untergärige Biere wie Pils oder Lager von einer Woche. Die Lagerung nehme, je nach Biertyp, vier bis zwölf Wochen in Anspruch. Langsam und schonend soll ein „Slow-Brewing“-Bier gebraut werden. Diese Brauweise wirke sich „ganz wesentlich auf den besonders runden und ausgereiften Geschmack von 'Slow-Brewing'-Bieren aus“, wie der Verein auf seiner Website schreibt.

Wie bei einem Brühwürfel

Doch der Brauprozess lässt sich natürlich auch beschleunigen. Mit high gravity zum Beispiel. Dabei wird das Bier zunächst mit einer höheren Stammwürze gebraut, um es später auf die gewünschte Würze zu verdünnen. Aus weniger gebrautem Bier lässt sich mehr abgefülltes Bier herstellen.

In etwa wie bei einem Brühwürfel, erklärt Gresser und macht eine einfache Rechnung auf: „Gebe ich 30 Prozent Wasser hinzu, benötige ich 30 Prozent weniger Lagerkapazitäten.“ Höhere Temperaturen lassen das Bier schneller gären, aber auch vermehrt Gärungsnebenprodukte entstehen. Im Volksmund sind die besser als Fuselalkohole bekannt. Und waren schon an dem ein oder anderen schweren Kopf am nächsten Morgen beteiligt.

Laut Gresser wird der Großteil des Biers weltweit beschleunigt hergestellt. Für ihn „ein no go. Bei uns muss ein Bier im Sudhaus hergestellt werden.“ Danach, während Gärung und Lagerung, darf nichts hinzugegeben werden.

Langsames Backen brachte August Gresser auf langsames Brauen

Nicht nur beim Bier ist Gresser ein Freund der traditionellen Herstellung. Der Südtiroler sitzt im Konferenzaum der Früh-Brauerei und schwärmt von deutschem Brot. Immer, wenn er hier sei, kaufe er eins. An einer Bäckerei am Bodensee entdeckte er dabei eins ein Schild: „Slow Baking“. Schnell kam ihm der Gedanke: Das muss es auch für Bier geben. 2011 gründete er einen Verein, der seitdem das „Slow-Brewing“-Siegel vergibt.

Ursprünglich wollte sich der langjährige Braumeister dabei auf das Brauen fokussieren. „'Slow Brewing' steht für herausragenden Geschmack“, so Gresser. „Mit der entsprechend langen Zeit zur Reifung, die sortentypisch ist, bildet sich der jeweilige Charakter des Bieres aus“, erklärt er.

„Slow Brewing“ ist mehr als langsames Brauen

Dass es bei „Slow Brewing“ um mehr als Brauweise Qualität geht, liegt an einem mit Gresser befreundeten Braumeister aus Bayern. Der brachte ihn auf die Idee, die Kriterien zu erweitern. Und so ist es nicht nur die Zeit, die als fünfte Bier-Zutat eine Rolle spielt. „Slow Brewing“ stehe außerdem für Können, Individualität und Respekt, sagt Gresser. Es geht um Nachhaltigkeit, von den Rohstoffen bis zum Unternehmen selbst.

Die Prüfungen für das Siegel sind umfangreich. Frisches und künstlich gealtertes Bier wird monatlich von der Technischen Universität München geprüft, einmal im Jahr wird die Brauerei auf Herz und Nieren gecheckt – von Gresser höchstpersönlich. Die lange Anreise aus Südtirol ins Kölner Gewerbegebiet Feldkassel nimmt er dafür auf sich. Bier ist Gressers Leidenschaft, das merkt man ihm schnell an.

Früh seit zehn Jahren Mitglied des „Slow-Brewing“-Vereins

Aus seiner Tasche holt er einen dicken Stapel Papier. Mehr als 900 Kriterien muss eine Brauerei erfüllen, um sich das „Slow-Brewing“-Siegel auf die Bierflasche drucken zu dürfen – vom Brauprozess über die Rohstoffe bis hin zur Unternehmensführung.

Für Früh ist die Abnahme ein Jubiläum. Seit 2014 trägt die Brauerei das Siegel, ist damit eine von vier Brauereien in Nordrhein-Westfalen und von 32 aus Deutschland, aber auch Italien, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Als man von dem Siegel erfahren habe, sei die Bewerbung sofort in die Wege geleitet worden, erzählt Verkaufs- und Marketingleiter Dirk Heisterkamp. Natürlich wäre es aus wirtschaftlicher Sicht „viel profitabler“, das Bier schneller zu brauen, sagt er. Das passe jedoch nicht zu Früh.

Ob langsames Bier besser schmeckt als schnelles Bier, lässt sich pauschal nicht sagen. Dafür sind Geschmäcker und auch die Möglichkeiten beim Brauen zu vielfältig– trotz des Reinheitsgebots. Laut dem Deutschen Brauerbund gibt es rund 170 Hopfensorten, 40 Malzsorten und knapp 200 Hefestämme. Eins haben sie aber gemeinsam: Um ein Bier zu werden, brauchen sie Zeit.