Corona-Run auf Kölner Weinhändler„Die Leute kaufen, als würde die Welt untergehen"
Köln – „Wer Sorgen hat, hat auch Likör“ – diesen Spruch von Wilhelm Busch kennt Jörg Thunemann natürlich. Es ist sozusagen sein Lebensmotto. Deshalb hat er auch noch eine eigene Version davon gemacht: „Seid gescheit, habt immer einen Likör bereit.“ Und das hat er auch, denn er führt seit 1984 „Jörgs Weinshop“ an der Frankfurter Straße in Mülheim. Er hat alle Hände voll zu tun. Weinhandlungen sind nicht vom Shutdown betroffen – und die Menschen haben jede Menge Sorgen in Corona-Zeiten.
Entsprechend groß ist der Andrang. „Die Leute kaufen schon seit Montag wie jeck, als würde die Welt untergehen“, sagt er. An einem der vergangenen Tage habe er so viel Umsatz gemacht wie sonst in zweieinhalb Wochen.
Ihm fallen Einnahmen aus Belieferungen für Weihnachtsfeiern und für die Gastronomie weg. Auch seien Firmen derzeit zurückhaltend beim Versand von Präsenten. „Aber das wird durch die große Nachfrage unserer Kundschaft im Laden aufgefangen.“ Das Jahr 2020 ist also kein schlechtes für ihn.
Mülheimer Brückenschluck im Angebot
Neben Wein und Likör führt Thunemann auch Rum, Whiskey und Schnaps – unter anderem den von ihm selbstkreierten „Mülheimer Brückenschluck“, alles abgefüllt aus schönen Glasbehältern. Kunden kommen herein und das Telefon läutet oft. Ehefrau Margot Thunemann packt Präsentkörbe. „Man merkt, dass sich die Leute selbst mehr gönnen und auch gerne für andere mehr ausgeben.“ Da wird für den kranken Nachbarn etwas bestellt oder jemanden, der geholfen hat. „Für uns ist das ein größerer Aufwand, wir machen viele kleine Gebinde statt große.“
Aber die Arbeit mache Spaß. „Die Leute fragen jetzt mehr nach der Qualität, nicht nur nach dem Preis“, sagt Jörg Thunemann. Er hat auch viele ältere Kunden in der Nachbarschaft, die nicht mehr so mobil sind. Denen bringt er sogar einzelne Flaschen vorbei, auch wenn sich das nicht rechnet. „Das haben wir aber schon vor Corona so gemacht.“
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Beim ersten Shutdown im Frühjahr hatten die Thunemanns zwei Wochen zugemacht – weil sie annahmen, dass Wein als Genussmittel gilt. „Dann haben wir aber gesehen, das Pfeifen Heinrichs geöffnet hatte“, erzählt Margot Thunemann lachend. Sie rief beim Ordnungsamt an und bekam die Auskunft, dass sie gar nicht hätten schließen müssen.
Wein ist flüssiges Lebensmittel
Das Gesundheitsministerium hatte klargestellt, dass der Betrieb von Einzelhandelsgeschäften, die ausschließlich Genussmittel vertreiben, ebenfalls von dem Begriff Lebensmittel umfasst würde. „Wir sind eben systemrelevant. Wir verkaufen flüssige Lebensmittel.“
Der Verkaufs-Renner bei Jörg Thunemann ist übrigens derzeit ein Rotwein – ein Barbera d’Asti 2011 für 15 Euro. „Den kann man fast kauen, so intensiv ist der.“ Man kann ihn aber auch noch weitere 20 Jahre lagern und dann trinken. Und sich an das merkwürdige Jahr 2020 erinnern.