„Bringen den Dom nach Japan“Gürzenich-Orchester auf Tour trotz Flugchaos und Corona
Köln – Es ist vielleicht die romantischste Art, den Kölner Dom im Ausland zu präsentieren. Wenn Natalie Chee und Christian Geldsetzer zusammen mit dem Gürzenich-Orchester die „Rheinische Sinfonie“ des Romantikers Robert Schumanns (1810 - 1856) aufführen, verwandeln sie das Wahrzeichen der Kölner zu Ton. „Schumann schrieb, dass der Anblick des Kölner Doms ihn zum vierten Satz der Sinfonie inspiriert hat. Ich finde es toll, dass wir den Dom damit sozusagen nach Japan bringen“, sagt der Solo-Kontrabassist. Auch Violinistin und erste Konzertmeisterin Natalie Chee freut sich besonders auf die Darbietung des Schumann’schen Stücks. „Jedes Orchester auf der Welt spielt diese Sinfonie und das Gürzenich-Orchester hat eine ganz intensive Beziehung zu Schumanns Werken.“
Gürzenich-Orchester: Tournee beginnt am 2. Juli
Rund 80 Musikerinnen und Musiker der rund 130 Mitglieder brechen zum Abschluss der Saison am 2. Juli zu einer einwöchigen Auslandstournee nach Japan und Südkorea auf. Kawasaki, Tokyo, Ako, dann Seoul und Andong. Ein straffes Programm mit Höhepunkten wie dem Konzert in der renommierten Suntory Hall in der japanischen Hauptstadt, die zu den besten Hallen mit einzigartiger Akustik gehöre, so Chee.
Zu Gast in der Welt sein – das war in der klassischen Musik bis vor der Pandemie Usus, hat mittlerweile jedoch Seltenheitswert. Der globale Konzertbetrieb hat sich noch nicht wieder gänzlich rehabilitiert. Coronabedingte Ausfälle, überlastete Flughäfen, weiterhin strenge Covid-Regelungen in Japan und Südkorea, wo ein negatives Testergebnis bei Einreise verlangt wird: Die Reise-Hürden sind zahlreich, das Risiko umfangreicher musikalischer Ausfälle stets im Hinterkopf.
„Ich bin schon drei Jahre nicht zuhause in Australien gewesen. Ich bin die langen Flüge nicht mehr gewöhnt. Daher bin ich etwas nervös“, erzählt Chee, die seit 2019 Teil des Gürzenich-Orchesters ist und im Anschluss an die Tournee ihrer Heimat einen Besuch abstattet. Dennoch ist ihre Freude spürbar.
Besuch im Probezentrum des Gürzenich-Orchester Kölns
Auch im Probezentrum des Orchesters in Braunsfeld ist die Atmosphäre positiv-geschäftig. Bevor sich Gürzenich-Kapellmeister François-Xavier Roth auf das Podest hievt und den Dirigentenstab schwingt, zum Takt von einem Fuß auf den anderen tänzelt, sind die Musikerinnen und Musiker vor Ort noch in ihren jeweiligen Parts versunken. Um kurz vor zehn, vor offiziellem Proben-Beginn herrscht Gewimmel. Manche entern den Saal völlig regendurchnässt, andere sitzen entspannt, einige bedienen ihr Instrument. Der vorläufige, inoffizielle Klang: quirlig, vereinzelt. Dann Schumanns Sinfonie und alles findet zu seiner Ordnung zurück. Die „Rheinische“ beherrscht nun den Raum.
Auslandstourneen stärken Teamgeist im Orchester
Die heimischen Hallen zu verlassen und außerhalb der Philharmonie zu konzertieren sei für das Orchester eine wichtige Erfahrung. „Man geht über die Grenzen, auch über die eigenen. Für eine Zeit sind wir als Orchester miteinander verbunden. Nach einem Auftritt in Köln geht jeder seinen Weg. Die Tournee verbindet einen jedoch und es ist gut für die Stimmung“, ist sich Chee sicher. Dabei trage man auch eine Verantwortung für Köln. „Wir sind dann Botschafter der Stadt und das ist uns bewusst. Da will man natürlich das Beste geben. Es ist eben kein Alltag.“
Publikum in Köln noch zögerlich
Die Tour dürfte in der Tat nochmal Schwung in das Orchesterleben bringen – denn wie viele Kulturschaffenden spüren auch Chee und Geldsetzer durchaus die Nachwehen der Pandemie. „Das Publikum ist sehr zögerlich zurückgekommen. Vergangene Woche waren das erste Mal deutlich mehr Menschen da, da habe ich Hoffnung geschöpft, dass sie die Angst überwinden können und wieder öfter ins Konzert gehen. Deswegen sind uns die Bürgerprojekte wie das Bürger-Orchester und der Chor so wichtig.“ Damit die Nähe nicht verloren gehe. Auch wenn das Kulturleben zeitweise völlig stillstand.
Keine Freizeit auf Reise für das Gürzenich-Orchester
Also Asien. Zeit für Sightseeing bleibt allerdings keine. „Früher, wenn man ankam, musste der nächste Tag frei bleiben. Das ist nicht mehr so. Daher ist meistens beim ersten Konzert ziemlich viel Espresso im Spiel“, sagt Geldsetzer und lacht. Gestiegene Preise und Grenzen im Budget führten zu einem dichten Zeitplan. Das sei für den Körper, der womöglich auch noch mit dem Jetlag zu kämpfen habe, eine echte Herausforderung. Doch Geldsetzer lässt es sich nicht nehmen, sich dennoch etwas Gutes zu tun. „Es gibt ein paar Sushi-Bars, wo ich gern hingehen würde.“