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Corona-Welle nach Kölner KarnevalGesundheitsamtschef: „Sie müssen den aktuellen Wert mit zehn multiplizieren“

Lesezeit 4 Minuten
Das Foto zeigt Johannes Nießen, Leiter des Kölner Gesundheitsamtes.

Johannes Nießen, Leiter des Kölner Gesundheitsamtes.

Die Zahl der Corona-Infektionen ist in Köln nach Ende der Karnevalssession in die Höhe geschossen. Gesundheitsamtschef Johannes Nießen erklärt, wie es in den nächsten Wochen weitergeht.

Herr Nießen, wie sieht die Corona-Situation in Köln zurzeit aus und wie hängt das mit dem Karneval zusammen?

Johannes Nießen: Wir stellen fest, dass sich die Zahl der PCR-Tests in Köln in den letzten vier Wochen verdoppelt hat und fast jeder zweite Test positiv ist. Das liegt aber nicht nur am Karneval. Aus den Untersuchungen des Abwassers wussten wir, dass die Kurve mit den Infektionszahlen schon vor Karneval nach oben ging. Das liegt auch an der neuen Omikron-Sublinie XBB 1.5, die noch ansteckender ist, aber nicht so gefährlich. Ein Viertel aller Neuinfektionen ist darauf zurückzuführen.

Wir haben in Köln zurzeit eine Inzidenz von 412 und liegen damit bundesweit auf Platz sieben. Der Rhein-Erft-Kreis und Euskirchen sind noch vor uns. Wo Karneval gefeiert wurde, gibt es auch ein erhöhtes Ansteckungsgeschehen, aber eben auch mit einer neuen Sublinie von Omikron.

Auf welcher Grundlage kommt die Inzidenz derzeit denn überhaupt noch zustande? Es gibt ja keine Testpflicht mehr.

Die Inzidenz bezieht sich ausschließlich auf die Zahl der positiven PCR-Tests. In den Hochzeiten der Pandemie haben fast alle Bürgerinnen und Bürger nach einem positiven Schnelltest auch einen bestätigenden PCR-Test gemacht. Das ist inzwischen nicht mehr so. Wir gehen daher von einer hohen Dunkelziffer aus. Ende 2022 musste man die Inzidenz mit drei multiplizieren, um die tatsächliche Inzidenz einschätzen zu können – jetzt muss man laut Einschätzung des RKI den Wert mit zehn multiplizieren.

Wir haben also faktisch eine Inzidenz in Höhe von 4000 – der stadtweite Höchstwert lag vor einem Jahr bei 3000. Warum beunruhigt Sie das nicht?

Es haben sich jetzt vor allem Menschen zwischen 19 und 29 Jahren infiziert, eine Altersgruppe, die besonders gerne Karneval feiert. Das sind junge Menschen, die eine Corona-Infektion mit ihrem Abwehrsystem gut wegstecken, zumal wenn sie geimpft sind oder vorher schon einmal infiziert waren. Deshalb haben wir Karneval nicht mit Sorge entgegengeblickt, wohlwissend, dass es danach zu einem höheren Infektionsgeschehen kommt. Gefährdet sind jetzt vor allem diejenigen, die über 70 Jahre alt sind und diejenigen, die in einem Seniorenheim leben. Wenn man schon drei, vier andere Krankheiten hat und dann noch Corona oben drauf bekommt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, schwer zu erkranken oder sogar zu sterben größer, als bei einem jungen Menschen. Um die älteren Infizierten kümmern wir uns deshalb weiterhin, auch in enger Zusammenarbeit mit der Feuerwehr.

Welche Rolle spielen denn zurzeit Influenza-Infektionen?

Das Influenza-Geschehen hat sich vor allem im Herbst abgespielt. Momentan haben wir kaum noch gemeldete Fälle. Es sind meist Atemwegs-Viren, die jetzt grassieren, nachdem wir uns nicht mehr mit Masken vor Corona schützen.

Was ist jetzt entscheidend, um andere vor Infektionen mit der neuen Corona-Variante zu schützen?

Als Besucher in Krankenhäusern und Seniorenheimen muss man weiterhin eine Maske aufsetzen, um vulnerable Gruppen zu schützen. Man muss sich vorab nicht mehr testen, aber ich würde momentan für Besucher*innen einen Schnelltest empfehlen, bevor man pflegebedürftige oder kranke Menschen besucht.

Wie ist denn die Lage in den Krankenhäusern?

In Deutschland sind aktuell 2546 Hospitalisierungen erfasst, die mit Covid-19 zusammenhängen, 1050 Covid-Fälle befinden sich in intensivmedizinischer Behandlung und es gab 139 neue Todesfälle. Gestern hatten wir eine Besprechung mit allen Kölner Krankenhäusern: Die Lage ist angespannt.

Zurzeit fallen überall Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Corona-Infektionen aus. Wie wird sich das in den nächsten Wochen weiterentwickeln?

Wir wissen aus früheren Wellen – auch aus dem Karneval 2022 – dass die Infektionszahlen nach zwei Wochen wieder nach unten gehen. Ab drei bis vier Wochen nach den jecken Tagen werden wir wieder Inzidenzen wie vor dem Karneval haben.

Lässt ich für den weiteren Jahresverlauf skizzieren, wie es mit Corona weitergehen wird?

Die Pandemie hat ihren Schrecken verloren, wir gehen zunehmend in die Endemie über. Dennoch müssen wir im Blick behalten, ob nicht noch einmal eine neue Variante auftaucht. Für diesen Fall sind wir gut gewappnet, haben einen Maßnahmen-Dreiklang aus Impfen, Testen, Maske-Tragen – außerdem das gut wirksame Medikament Paxlovid. Insgesamt ist das Infektionsgeschehen schwer vorhersehbar: So gab es die meisten Erkrankungen eigentlich immer im Herbst und Winter, weil wir uns dann in Innenräumen aufhalten, wo man sich leichter ansteckt. Dennoch hatten wir im vergangenen Jahr eine Sommerwelle. Das Coronavirus hält also immer wieder Überraschungen für uns bereit.