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Obdachlosigkeit in KölnIn Hauseingängen kommt es immer häufiger zu Saufgelagen

Lesezeit 3 Minuten
Bernd Mombacher

Bernd Mombauer, Geschäftsführer des Kalker Arbeitslosenzentrums, 

Köln – Sie hocken auf der Severinstraße mitten auf dem Bürgersteig oder belagern Bänke, umringt von Müll und leeren Flaschen. Passanten werden angebettelt oder sind gezwungen, über Schnapsleichen zu steigen. Szenen wie die im Vringsveedel seien in der Innenstadt mittlerweile an der Tagesordnung, sagt Bezirksbürgermeister Andreas Hupke.

Seit Wochen erreichen Hupke nach eigenen Angaben beinahe täglich Mails von Anwohnern, die sich über Saufgelage, Gegröle und Urinieren in Hauseingängen beschweren. Häufig handele es sich dabei um Obdachlose aus Bulgarien oder Rumänien, die durch exzessiven Alkoholkonsum und besondere Aggressivität auffielen. „Das reißt nicht ab und wird immer virulenter“, so Hupke.

Zuwanderung habe sich „relativ linear“ entwickelt

Indes: Neu ist das Problem, das mit der Elendszuwanderung aus Südosteuropa zusammen hängt, keineswegs und auch nicht auf die Innenstadt begrenzt. Seit dem EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien vor zehn Jahren habe sich die Zuwanderung „relativ linear“ entwickelt, heißt es in einer Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion, die demnächst dem Sozialausschuss vorgelegt wird. Zwischen 2010 und 2016 stieg die Zahl der bulgarischen Staatsbürger in Köln demnach um 140 Prozent, die der Rumänen um 114 Prozent – auf insgesamt knapp 12.000 Einwohner.

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Besonders hoch ist der Anteil im Bereich der Keupstraße, am Kölnberg in Meschenich, in Höhenberg-Süd und in Mülheim-Nord. Die Obdachlosen am untersten Ende dieser Zuwanderungs-Skala, diejenigen, die sich vorwiegend im Bereich der Innenstadt aufhalten und etwa im Inneren Grüngürtel, am Mediapark oder unter den Brücken campieren, dürften dabei noch gar nicht erfasst sein.

Wohnungslosenhilfe ist für Klientel nicht ausgestattet

Bereits in einer Studie aus dem Jahr 2013 wird Köln deshalb als „Arrival City“ bezeichnet für jene, die den elenden Lebensverhältnissen in ihren Heimatländern in Südosteuropa entfliehen wollen. Die Verfasser der Untersuchung, der Düsseldorfer Professor Thomas Münch sowie der Geschäftsführer des Kalker Arbeitslosenzentrums, Bernd Mombauer, hatten damals zahlreiche Obdachlose und Hilfsorganisationen befragt.

Eines der zentralen Ergebnisse, das auch heute noch gilt: Die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe sind für dieses Klientel gar nicht ausgestattet. „Es gibt weder Sprach- und Kulturmittler, noch finanzielle Mittel, um der Herausforderung zu begegnen“, kritisiert Mombauer, der auch die Überlebensstation Gulliver am Hauptbahnhof leitet.

Probleme können nicht mehr abgefangen werden

Die Folge: Gewalttätige Auseinandersetzungen, Konkurrenz und ein zunehmender Verdrängungswettbewerb zwischen hiesigen Wohnungslosen und den Zuwanderern. Einige innenstadt-nahe Hilfseinrichtungen für Obdachlose hätten in den vergangenen Monaten ihre Türen für Südosteuropäer ganz geschlossen, weil sie die Probleme nicht mehr abfangen konnten. „Möglicherweise ist das auch der Grund, warum die obdachlosen Rumänen und Bulgaren derzeit wieder verstärkt auf den Straßen der Innenstadt auffällig werden“, mutmaßt er.

In einer Folgestudie hat Thomas Münch 2015/16 den Kölnberg in den Fokus genommen. „Der Kölnberg hat sich zur 'Arrival City' entwickelt, weil er die entsprechenden ethnischen Netzwerke bietet – und damit Zugang zu Wohnungen, Arbeit und Einkommen“, sagt Münch mit Blick auf den hohen Anteil von Südosteuropäern in Meschenich. Ebenso wie in der Innenstadt fehlten auch hier Job-Lotsen und andere Sozialarbeiter mit Sprachkompetenzen, um Lösungen zu entwickeln. „Wir brauchen eine Politik und eine Sozialverwaltung, die das Thema anpacken.“