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Iranische Frauenrechtlerinnen in Köln„Reker muss ihren Worten Taten folgen lassen“

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt protestierende Iranerinnen im März 1979.

„Unsere Freiheit ist universell, weder östlich noch westlich!", riefen die Iranerinnen 1979 in Teheran.

Iranische Frauenrechtlerinnen aus Köln versuchen seit Jahren, auf den Terror des Regimes aufmerksam zu machen. Manche von ihnen sind schon 1979 auf die Straße gegangen. Was sie fordern - auch von der Stadt.

Es war ein Tag im Juni 1981, an dem Mojdeh Noorzads bisheriges Leben ein Ende fand. Die Revolutionsgarden stürmten ihr Elternhaus im nordiranischen Amol und konfiszierten Flugblätter, Plakate, Bücher, sogar ihre Schreibmaschine nahmen sie mit. Eigentlich wollten sie Mojdeh Noorzad selbst finden, die mit einer politischen Gruppe gegen die jüngst ausgerufene „Islamische Republik Iran“ opponierte. Aber Noorzad war zu Besuch bei Verwandten in Teheran.

Während die Aktivistin ihre politische Arbeit im Untergrund fortsetze, überrollte eine von vielen Verhaftungs- und Hinrichtungswellen gegen Oppositionelle das Land. Mithilfe eines maßlosen Gewaltapparates baute der 1979 in den Iran zurückgekehrte „Revolutionsführer“, Ayatollah Khomeini, seinen Gottesstaat aus, der bis heute besteht. Drei Jahre nach der Hausdurchsuchung verließ Noorzad das Land. Die meisten ihrer Mitstreiter waren zu diesem Zeitpunkt verhaftet oder tot. Es sollte das letzte Mal sein, dass sie ihre Heimat gesehen hat.

Mojdeh Noorzad: „Ich warte seit über 43 Jahren auf diesen Moment.“

Heute sitzt Noorzad in ihrer Apotheke in der Kölner Innenstadt. Neben ihr sitzt Tochter Schali, die 24-Jährige macht ihren Master in Markt- und Medienforschung. Auf die Proteste im Iran angesprochen, ringt Mojdeh unter Tränen nach Worten. „Für mich ist es so, als ob ein Traum in Erfüllung geht. Ich warte seit über 43 Jahren auf diesen Moment.“ Wie viele Iranerinnen und Iraner im Exil ist die 62-Jährige hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung, dass die Islamisten endlich entmachtet werden. Und der Angst vor der Gewalt, mit der die fundamentalistischen Machthaber bislang jedes Mal auf Proteste geantwortet haben. Auch diesmal. Vor allem aber ist die Apothekerin überwältigt von dem Zuspruch der Menschen aus Köln, aus der ganzen Welt. „Ich habe von Anfang an Nein zu diesem Regime gesagt“, erklärt Mohjde Noorzad stolz.

Das Bild zeigt die Exil-Iranerin und Frauenrechtlerin Mojdeh Noorzad und ihre Tochter Schali.

Mojdeh Noorzad und ihre Tochter Schali träumen davon, irgendwann wieder in den Iran reisen zu können.

Wer sich mit Frauen wie Noorzad über ihre Lebensgeschichte unterhält, begreift, wie entscheidend die politische Situation im Iran auch für das gesellschaftliche Leben in Deutschland ist. Dass es Zeit ist, den Iranerinnen und Iranern, die seit Jahrzehnten heimlich oder offen gegen die totalitäre Politik in ihrem Land kämpfen, endlich zuzuhören.

Noorzad weiß nicht mehr, wie oft sie mit Protestplakaten in der Schildergasse stand. Wie oft sie mit ihrer „No to Hijab“-Gruppe“ aus dem Netzwerk „Iran Women Solidarity“ versucht hat, auf den Terror des Regimes aufmerksam zu machen. „Das Kopftuch ist das Machtsymbol der Mullahs, ein Instrument, um das Leben der Frauen zu kontrollieren“, sagt sie. „Und darauf basiert die gesamte Entrechtung der Iranerinnen: Du darfst dich nicht scheiden lassen, du hast kein Sorgerecht, du darfst bestimmte Berufe nicht ausüben, du bist vor der Justiz nicht gleichberechtigt. Deswegen ist der Protest der Iranerinnen gegen die Zwangsverschleierung so vehement.“

Tochter Schali ist in Deutschland geboren und kennt diese Zwänge nur aus Erzählungen. „Nieder mit der Islamischen Republik“, war der erste Satz, den sie als kleines Mädchen sagen konnte. Das fordern heute auch Iranerinnen und Iraner auf den weltweiten Kundgebungen. Seite an Seite mit Menschen, die nicht länger wegsehen möchten. Die durch den Aufschrei nach dem gewaltsamen Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini begriffen haben, dass Verletzungen von Frauen-, von Menschenrechten im Iran an der Tagesordnung stehen. „Es war lange so, als würde ich zwei parallele Leben führen“, sagt Schali. „Auf der einen Seite meine iranischen Wurzeln und der politische Kampf meiner Eltern. Auf der anderen Seite meine deutschen Freunde und Kommilitonen, die kaum etwas über meine iranische Identität wussten.“ Durch die Präsenz der revolutionären Bewegung in den Sozialen Medien habe sich das verändert.

Dabei protestieren viele Iranerinnen und Iraner im Prinzip seit mehr als 40 Jahren. Länger noch, wenn man den Sturz von Schah Mohammad Reza Pahlavi hinzuzählt. Mojdeh Noorzad war auch bei den Protesten gegen den Monarchen dabei. „Wir ahnten ja gar nicht, was auf uns zukommen würde“, sagt sie. Bis Khomeini nach seiner Rückkehr im Februar 1979 als Erstes die iranischen Frauen ins Visier nahm, um der ganzen Welt seine neu gewonnene Macht zu demonstrieren. Am 7. März desselben Jahres erklärte er in einer Rede, dass die Frauen im öffentlichen Dienst fortan mit dem Hijab zur Arbeit kommen sollten. Unverschleierte Frauen bezeichnete er als „nackt“. Ein Signal, auch an alle anderen Iranerinnen. Am 8. März 1979 und in den Folgetagen des internationalen Frauentags gingen Tausende in Teheran und anderen Städten gegen diese Anordnung auf die Straße. Es dauerte trotzdem nicht lange, bis der Schleierzwang für alle zum Gesetz wurde.

Die Frauenrechtlerin Mina Ahadi zählt zu denen, die diese Demonstrationen 1979 mitorganisiert haben, in der nordiranischen Stadt Täbris. Nun sitzt sie in einem Café in Köln und erinnert sich: „Anfangs kamen fast 2000 Menschen, die unseren Protest unterstützt haben. Und einige Männer, die uns bedroht haben. Bei der nächsten Demo hatten diese Männer dann Messer. Und bei der übernächsten Kalaschnikows.“ Die Medizinstudentin Ahadi durfte fortan die Universität nicht mehr betreten, jobbte stattdessen in einer Fabrik. Die Revolutionswächter kamen auch in ihre Wohnung. Ahadi war auf dem Weg nach Hause und konnte aus der Ferne beobachten, wie die Milizen ihren Ehemann und Freunde verhafteten. „Ich habe meinen Mann nie wieder gesehen, sie haben ihn kurz danach hingerichtet.“

Das Bild zeigt die Frauenrechtlerin Mina Ahadi.

Die Frauenrechtlerin Mina Ahadi erhält bis heute Morddrohungen.

Ahadi tauchte ab, über Umwege landete sie erst in Wien, dann in Köln. Bedroht wird die Mitgründerin des Zentralrats der Ex-Muslime immer noch. Neulich erst erreichten sie ungewöhnlich viele Warnungen von Freunden, erzählt sie. Sie alle hatten Anrufe von einem Unbekannten bekommen, der auf Farsi erklärte, dass „die nächste Woche die letzte Woche“ von Mina Ahadi sein würde. Kurz darauf gab es eine Bombendrohung für eine ihrer Veranstaltungen. Aber Ahadi lässt sich nicht einschüchtern. Die Frauenrechtlerin reist durch Europa, hält Vorträge über den politischen Islam, berät Menschenrechtsorganisationen, kämpft um Aufmerksamkeit, wenn wieder eine Aktivistin im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis landet oder ein regimekritischer Künstler verschleppt und gefoltert wird.

„Wenn das islamische Regime endlich weg ist, dann wird sich das auch auf den Libanon, auf den Jemen, auf Afghanistan, Pakistan oder auf den Irak auswirken. Und auch in Köln können die Menschen dann besser schlafen“, sagt Ahadi. Von der Bundesregierung fordert sie unter anderem, dass die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu der iranischen Führung abgebrochen werden und stattdessen die Zivilbevölkerung unterstützt wird.

Von Bürgermeisterin Henriette Reker fordert sie, dass sie ihren Worten auch Taten folgen lässt. „Wer sich mit den iranischen Frauen solidarisch erklärt, und genau das hat sie ja kürzlich getan, kann nicht weiter zulassen, dass in der Ditib-Moschee in Ehrenfeld der Muezzin zum Freitagsgebet ruft.“ Für viele Iranerinnen und Iraner in Köln sei dieser Ruf regelrecht traumatisierend, sagt auch Mohjdeh Noorzad.

Frauen, Leben, Freiheit – als Mina Ahadi diesen Protest-Slogan das erste Mal gehört hat, war sie erleichtert. „Ich habe oft gedacht: Wir werden nie eine Chance haben, die Weltöffentlichkeit wirklich zu erreichen. Aber jetzt fühlt es sich anders an, hoffnungsvoll.“ Vor allem würde die Welt nun endlich die jungen, die modernen iranischen Frauen und an ihrer Seite die jungen Männer sehen, die sich schon lange nach einem Sturz des Regimes sehnen. Sie sind die Zukunft des Irans, ist sich nicht nur Mina Ahadi sicher. Nicht der Terror der Islamisten.