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Hinkt hinterherKöln ist bei Photovoltaik-Ausbau abgehängt – Neues Angebot soll helfen

Lesezeit 4 Minuten
solar

Solarzellen auf einenm Gebäude an der Hohe Straße.

Köln – Die Kölner Politik hat den Ausbau der Solarenergie in der Stadt zu einem Fokus im Jahr 2022 erklärt. Ein Vergleich des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit anderen Städten zeigt, wie nötig das im Kampf gegen den Klimawandel ist. Denn in einigen anderen deutschen Großstädten gibt es deutlich mehr Photovoltaik-Anlagen als in der Stadt am Rhein. Und Köln nutzt nicht annähernd das bestehende Potenzial aus.

Auf Kölner Dächern sind derzeit 4062 Solaranlagen montiert, zeigen die analysierten Daten der Bundesnetzagentur. Die Zellen bringen es auf eine Bruttoleistung von etwa 77 Megawatt. Zum Vergleich: So viel leisten etwa 20 moderne Windräder in der Spitze. Pro Einwohner in Köln sind somit 71 Watt an Solarleistung installiert. Das ist halb so viel wie in Leipzig, aber doppelt so viel wie in Hamburg.

Laut einer Studie des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW liegt das Potenzial auf Kölner Dächern bei etwa 3800 Megawatt und auf Freiflächen bei weiteren 1040 Megawatt. Damit nutzt die Stadt erst 1,6 Prozent des theoretischen Potenzials.

Der Strom, der mit den bisherigen Anlagen in Köln produziert wird, entspricht grob überschlagen 1,2 Prozent des Jahresverbrauchs der gesamten Stadt. So braucht die Stadt jählich etwa 6300 Gigawattstunden Strom. Die solare Produktion macht davon rechnerisch 77 Gigawattstunden aus.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Rhein-Energie, der Energieversorger im Besitz der Stadt, eine „Solaroffensive“ angekündigt. In der Stadt vermittelt das Unternehmen vor allem Installateure, die Anlagen auf Eigenheimen errichten können. Wer sich für den Service interessiert, erhält eine automatische Antwort, dass die Vertragspartner „sehr stark überlastet“ seien und es zu „Bearbeitungszeiten von mehreren Wochen“ kommen könne.

Immobilienbesitzer interessieren sich vor allem auch wegen stark gestiegener Strompreise zunehmend für eigene Solaranlagen. Denn die Preise für Paneele sind in den vergangenen Jahren stark gefallen. Der für den Eigenbedarf produzierte Strom kann dadurch deutlich günstiger sein als der über den Energieversorger gelieferte. Die Einspeisevergütung für überzähligen Solarsrom ist zwar drastisch gekürzt worden in den vergangenen Jahren, aber die fallenden Anlagenpreise kompensieren den Effekt.

neumarkt

Solarzellen auf einem Gebäude am Neumarkt.

Allerdings brauchen Private, die eine eigenen Anlage haben wollen, derzeit einen langen Atem. „Ein bis drei Monate dauert allein die Lieferung der PV-Anlage. Für Batteriespeicher dauert die Lieferzeit sogar bis zu sechs Monate“, sagt Stephan Gerhards, Inhaber der Firma „Photovoltaik Gerhards“ aus Köln. Außerdem dauerten die Anträge auf Förderung einige Zeit. „Die Stadt Köln ist mit den Förderanträgen recht schnell, wer aber einen Batteriespeicher braucht, bekommt Förderung vom Land, der Bescheid kann vier bis acht Wochen auf sich warten lassen“, sagt Gerhards.

Aldi hat in Köln fast so viel Solaranlagen wie die Rhein-Energie

Die Rhein-Energie selbst betreibt den Daten der Bundesnetzagentur zufolge 39 Anlagen in Köln mit einer Gesamtleistung von 5,4 Megawatt. Dazu zählen ältere, aber große Anlagen etwa auf einem Hallendach bei Ford, einem KVB-Betriebshof oder dem Flughafen. Zum Vergleich: Auf 29 Aldi-Märkten in der Stadt gibt es Solaranlagen mt einer Kapazität von 3,7 Megawatt.

Mit der bisherigen solaren Ausbeute in Köln ist unter anderem Oberbürgermeisterin Henriette Reker unzufrieden. „Die Stromerzeugung durch Solarenergie soll auf dem Stadtgebiet Kölns massiv ausgebaut werden“, heißt es in ihrem Arbeitsprogramm für das laufende Jahr. Umweltdezernent William Wolfgramm will spätestens Ende März mitteile, wie die Stadt vorankommt.

Bereits gestartet ist das Beratungsangebot „Treffpunkt Solar“ in Kooperation von Stadt, Rhein-Energie und Handwerkskammer. „Als Rhein-Energie bearbeiten wir seit vielen Jahren Photovoltaikprojekte. Die Kolleginnen und Kollegen haben darin jede Menge Wissen und Erfahrung. Dieses Wissen und diese Erfahrung stellen wir bei Treffpunkt Solar“ den Kölnerinnen und Kölnern gern zur Verfügung, um die angestrebte Klimaneutralität in unserer Stadt zu erreichen“, sagte Achim Südmeier, Vertriebsvorstand der Rhein-Energie im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bürger könnten sich dort zum Thema Solar kostenfrei beraten lassen, so Südmeier weiter.

Außerdem will die Stadt mit der Rhein-Energie mehr eigene Dachflächen mit Solarzellen ausstatten. In einem ersten Schritt geht es um 105 Gebäude, die bestückt werden sollen.

Die Solaranlagen werden dennoch nur einen kleinen Beitrag dazu leisten können, dass die Rhein-Energie bis 2035 klimaneutral wird. Die ausschließliche Belieferung von Privatkunden und kleinere Gewrbekunden mit Ökostrom seit dem Jahresanfang stellt die Rhein-Energie vor allem über den Zukauf von Windstrom sicher. Der Konzern betreibt selbst aber auch 107 Windräder im gesamten Bundesgebiet und auch Solaranlagen außerhalb der Stadt (36 Megawatt).

So haben wir die Daten ermittelt

Betreiber von Solaranlagen sind verpflichtet, diese im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur anzumelden. Nach Angaben der Behörde sind mindestens 95 Prozent der Anlagen in Deutschland in der Datenbank enthalten.

Die Datenbank haben wir nach den Gemeindekennzahlen der zehn größten Städte abgefragt und dann um Fehleinträge bereinigt (z.B. Einträge aus Hürth mit Kölner Gemeindekennzahl). Insgesamt gibt es demnach 45981 Solaranlagen in den Städten.

Die Abfrage haben wir Ende Januar gemacht für Anlagen, die bis zum 15. Januar 2022 in Betrieb waren. Dadurch werden laut Bundesnetzagentur Fehleinträge ausgeschlossen, da die Daten neuer Anlagen erst nachträglich auf Plausibilität geprüft werden. Ein Puffer von sieben Tage soll laut Behörde ausreichen, diese Fehler auszuschießen.