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„Das Schlimmste ist Stagnation“Kölnerin Jenny Thiele verlässt Fortuna Ehrenfeld

Lesezeit 4 Minuten

Köln – Es ist ein mutiger Schritt, den Jenny Thiele geht. Die Keyboarderin von „Fortuna Ehrenfeld“ will sich nach mehr als fünf gemeinsamen Jahren künftig auf ihr Soloprojekt konzentrieren. „Mit meinem aktuellen Soloalbum ‚Killing Time‘ läute ich eine neue Ära ein. Ich habe Bock, meiner Musik jetzt Raum und Zeit und Zuversicht zu geben.“

Und das, obwohl Fortuna Ehrenfeld gerade „auf dem Zenit ist“, wie sie selber sagt. „Manchmal soll man gehen, wenn es am Schönsten ist“, sagt die Kölnerin. „Ich habe so viel erlebt und so viel mitgenommen aus der Zeit bei Fortuna. Ich habe aber den Drang, meine Geschichten zu erzählen. Es hat sich richtig angefühlt, jetzt diesen Schritt zu gehen.“ Angst, eben diesen Schritt zu bereuen, habe sie nicht, sagt die 35-Jährige.

Jenny Thiele: Stagnation als Worst-Case

„Was auch immer kommt, es ist gut, dass sich Dinge weiterentwickeln. Das Schlimmste für mich ist Stagnation.“ Es bleibt jedoch ein Neustart, schließlich hat sich die Indie-Pop-Band Fortuna Ehrenfeld bereits eine Fanbase erspielt, die noch nicht an die von Thiele als Solo-Künstlerin heranreicht. Die Zeit mit Fortuna Ehrenfeld habe sie als Musikerin und als Mensch geschult. „Das ständige Auf-Tour-Sein und das Auf-der-Bühne-stehen macht mir so viel Spaß. Ich habe eine richtig tolle Zeit gehabt mit Martin und Paul – mittlerweile Jannis – an den Drums.“

Martin, das ist Fortuna-Frontmann Martin Bechler, der die tiefgründigen Texte der Band schreibt und auch im Studio die Instrumente selbst einspielt. „Ich stehe mit Martin neben einem unheimlich starken deutschen Songwriter“, sagt Thiele, die auf ihrem Album anders als bei Fortuna, ausschließlich auf Englisch singt. „Das war gar keine bewusste Entscheidung, sondern ist so passiert“, so die Kölnerin. „Die meisten Songs habe ich geschrieben, als ich von Gigs nach Hause kam und mir zum Runterkommen noch einen Kamillentee gemacht habe. Dann habe ich mir meine Gitarre geschnappt.“ So ist dann ihre erste eigene Platte „Killing Time“ entstanden.

Killing Time: Reduzierte und sanfte Songs

„In meiner Musik ist es mir wichtig, Lebensfreude zu vermitteln. Mit ‚Killing Time‘ habe ich jetzt erstmal einen Ruhepol geschaffen Es sind ganz reduzierte und sanfte Songs. Ich spüre eine unheimliche Lebenslust und Freude an dem, was ich mache und das möchte ich vermitteln“, sagt die Wahl-Kölnerin, die 1987 in Dresden geboren wurde und seit knapp zehn Jahren nun hier lebt. Aufgewachsen ist sie am Niederrhein, studiert hat sie in den Niederlanden. Jetzt also Köln-Mülheim. „Köln ist mittlerweile meine Heimat“, sagt sie.

„Viele Künstlis“ – Thiele nutzt das sogenannte Gender-i – „wissen Mülheim aufgrund der Underground-Szene, der zumindest bis vor ein paar Jahren günstigeren Mieten und der alternativen Vibes sehr zu schätzen. Für mich ist es immer wieder überraschend, wie weit weg Mülheim für manche Kölner zu sein scheint“, sagt sie und lacht. „Für mich ist es ganz normal, eine halbe Stunde mit dem Rad irgendwo hin zu fahren.“ Die Sängerin liebt besonders auch die Lebendigkeit der Keupstraße, den Rhein, das Carlswerk-Gelände: „Ich lebe hier so gerne“ – man glaubt es ihr voll und ganz. Neben der Musik ist das Tanzen ihre Leidenschaft, erzählt Thiele. „Das ist das, was mir immer wieder Energie gibt – und eine Community. Seit ich in Köln in der Tanzszene aktiv bin, ist das so richtig mein Zuhause geworden.“

Letztes Konzert mit Fortuna Ehrenfeld in Köln

In der gewählten Heimat Köln wird es auch den letzten gemeinsamen Auftritt mit Fortuna Ehrenfeld geben: Am 28. November wird Thiele zum letzten Mal gemeinsam mit der Band auf der Bühne stehen. Das Konzert im Gloria ist ausverkauft. Praktisch nahtlos geht es für Thiele dann solo weiter, in Stuttgart, Aachen und auch in Köln (am 9. Dezember im „Em Drügge Pitter“, Karten ab 13,20 Euro).

Am 17. Dezember ist sie gar Support für Fortuna Ehrenfeld in der Kulturkirche Ehrenfeld – ein Signal? „Ich finde, es ist die Evolution. Ich bleibe mit Fortuna verbandelt, aber ich spiele meine Sachen.“ Mit der Band, das betont Thiele, geht sie im Guten auseinander. „Wir witzeln, dass ich als ‚Bestrafung‘ dafür, dass ich gehe, Wasser und ein Kanten Brot als Gage bekomme.“ „Wir schlagen keine Türen für immer zu – wer weiß, was in ein paar Jahren ist, ob wir uns da wiedertreffen.“