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Kölner Verein stellt Programm vor„Antisemitismus hat in deutschen Klassenzimmern massiv zugenommen“

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Männer in grauen Sakkos und weißem Hemd stehen vor einem Gebäude und lächeln in die Kamera.

Marcus Meier (l.) und Jürgen Wilhelm von der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit informieren über die neuesten Entwicklungen ihrer Arbeit.

Ziel des Programms ist es, den steigenden Antisemitismus zu bekämpfen. Im Fokus stehen Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche.

Der gesellschaftliche Antisemitismus nimmt zu. In Europa und auch in Deutschland. Die verschiedenen Auswüchse dieser wachsenden Judenfeindlichkeit belegen die Ergebnisse aktueller Studien, Statistiken sowie nicht zuletzt die steigende Anzahl ordnungsbehördlicher Maßnehmen dagegen. Vor diesem Hintergrund hat die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (KGCJZ) mit Sitz an der Kartäusergasse in der Kölner Südstadt ihr Programm für das Jahr 2024 neu aufgelegt.

Unter dem schockierenden Eindruck des blutigen Anschlags der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres, haben die Verantwortlichen der KGCJZ sich dazu entschlossen, Anpassungen sowohl bei Veranstaltungen als auch grundsätzlich in der Arbeit der Initiative vorzunehmen, um den sich dadurch ergebenden Entwicklungen gerecht werden zu können und damit Antisemitismus und Rassismus effektiver zu bekämpfen.

Die antisemitischen Vorfälle und Äußerungen in Deutschland und insbesondere in deutschen Klassenzimmern haben massiv zugenommen.
Jürgen Wilhelm, Vorstandsvorsitzender der Kölnischen Gesellschaft

„Die antisemitischen Vorfälle und Äußerungen in Deutschland und insbesondere in deutschen Klassenzimmern haben massiv zugenommen“, hebt Jürgen Wilhelm, Vorstandsvorsitzender der Kölnischen Gesellschaft, bei der Vorstellung der neuen Inhalte und Strategien im „Haus der Evangelischen Kirche“ Köln am Mittwoch hervor. Vor allem im Bereich der Aufklärung von Kindern und Jugendlichen will die Initiative noch verstärkter als bislang Akzente setzen.

Köln: Jüdischer Verein will mehr Aufklärung von Kindern und Jugendlichen in Schulen leisten

„Das betrifft unsere Arbeit unmittelbar“, sagt Wilhelm. „Der Bedarf an Handlungsstrategien und Unterstützung seitens der Lehrkräfte ist seit dem brutalen Terrorangriff der Hamas deutlich gewachsen.“ So erhalte die KGCJZ aktuell viele Nachfragen aus schulischen und außerschulischen Lernorten.

„Unsere Bildungsarbeit wollen und müssen wir intensivieren, zudem ist uns wichtig, sie noch stärker mit einer Öffentlichkeitsarbeit zu verschränken, die sich auch auf ein jüngeres Zielpublikum ausrichtet“, betont der Vorstandsvorsitzende. Viele junge Menschen würden ihre Informationen oft vornehmlich aus den sozialen Medien beziehen, wo Fake-News, Verschwörungstheorien und dergleichen kursierten.

Als einen der ersten Schritte hat die KGCJZ Anfang März ihren Internetauftritt überarbeitet, ergänzt am Mittwoch Geschäftsführer Marcus Meier: „Durch den Relaunch ist unsere Homepage jetzt deutlich benutzerfreundlicher“.

Neues Projekt soll Lehrkräfte im Bereich Antisemitismus schulen

Im Zentrum des Engagements steht außerdem das Bildungsprojekt „Refl:act – kein Ort für Antisemitismus und Rassismus“, über das junge oder angehende Pädagogen und Pädagoginnen geschult werden sollen, um anschließend in 15 theaterpädagogischen Workshops Kinder ab zehn Jahren in Köln und Umgebung zu sensibilisieren, wie die Verantwortlichen mitteilen.

Die kostenfreie Ausbildung der dafür dann auf Honorarbasis tätigen Pädagoginnen und Pädagogen sei nicht zuletzt aufgrund einer sehr erfolgreichen Spenden-Verdopplungsaktion im vergangenen Winter möglich gemacht worden. Mit Unterstützung durch die Bethe-Stiftung seien im Zeitraum von November 2023 bis Januar demnach 45.000 Euro zusammengekommen.

„Das Geld fließt vollumfänglich in unsere Bildungs-, Aufklärungs- und Präventionsarbeit“, sagt Meier. Dazu gehöre auch das im Februar neu initiierte Projekt „Unter Druck? Medien und Antisemitismus im NS-Staat und heute“. Im Rahmen dessen wird die Rolle der Medien im NS-Staat als Sprachrohr der NS-Regierung untersucht und „Medienschaffende sollen in die Lage versetzt werden, auch aktuelle Erscheinungsformen von Antisemitismus zu erkennen“, erläutert der KGCJZ-Geschäftsführer.

Kontakt zu Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, um Aufklärungsarbeit an Schulen zu etablieren

Die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit stehe überdies in Kontakt mit Nathanael Liminski (CDU), dem Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf, um weiterhin das Anliegen zu vertreten, dass an Schulen in Nordrhein-Westfalen die Aufklärungsarbeit gegen Antisemitismus und Rassismus als fester Bestandteil in die Lehrpläne implementiert werden.

„Darum bemühen wir uns schon lange, jetzt hat Minister Liminski auf unsere Anfragen reagiert“, sagt Jürgen Wilhelm, dem zufolge sollen das Schulministerium sowie das für Wissenschaft zuständige Ressort bis Ende April 2024 ein entsprechendes Konzept dafür entwickeln. „Das stimmt uns optimistisch“, so Wilhelm, der sich beruflich und privat bereits seit Jahrzehnten mit dem Nahostkonflikt befasst, unter anderem zwei Jahre lang als Referent für den Nahen Osten im Kabinett des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt.

Eine Wanderausstellung unter dem Titel „Du Jude – Alltäglicher Antisemitismus in Deutschland“ soll Menschen in ganz Europa erreichen, teilt die Kölnische Gesellschaft als weiteres geplantes Vorhaben mit. Darüber hinaus finden bis Ende 2024 Gedenkveranstaltungen, Konzerte, Lesungen und Podiumsdiskussionen statt, auch in Kooperation mit anderen Kölner Einrichtungen, wie etwa der Volkshochschule oder dem Literaturhaus Köln.

KGCJZ ist größte Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit

Eine vollständige Übersicht über alle geplanten Veranstaltungen und Projekte sowie grundlegende Informationen zur Arbeit der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die mit mehr als 650 Mitgliedern die mitgliederstärkste der insgesamt 83 deutschen Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ist, die im „Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ verbunden sind, gibt es auf den Seiten der KGCJZ im Internet.