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Motorrad-Liebe rostet nicht„Genosse“ Jürgen Becker und seine DDR-Maschine

Lesezeit 4 Minuten
Jürgen Becker

Jürgen Becker mit seinem Oldtimer Motorrad MZ aus der DDR.

Köln – Knatternd biegt Jürgen Becker in die Deutzer Siegesstraße ein, dabei zieht er blaue Abgaswolken hinter sich her. Der Kabarettist und Motorrad-Fan hat die Kult-Gaststätte Lommerzheim als Hintergrund für das Foto-Shooting ausgesucht.

Leicht verwahrlost sieht die legendäre Kneipe aus oder, wie es Becker ausdrückt, „schön zonig“. Aus der Zone, also aus der DDR, kommt sie nämlich, seine MZ-Geländemaschine mit dem Zweitakt-Motor. Genauer gesagt handelt es sich um einen von Becker selbst konzipierten Nachbau jenes sagenumwobenen Rallye-Motorrads, gegen das ein großer Hollywood-Star einst das Nachsehen hatte.

MZ-Motorräder, gebaut im „VEB Motorradwerk Zschopau“, mobilisierten zu DDR-Zeiten die Massen. Nach der Wende wurde die traditionsreiche Marke zum Spielball von Spekulanten und Dilettanten und machte schließlich dicht. „Eine Schande“, findet Jürgen Becker.

Jürgen Becker mit den Brüdern Krull, die sein Motorrad gebaut haben.

Deshalb habe ich sie:

„Ich habe gute Freunde im wunderschönen Ostseebad Ahrenshoop in Mecklenburg-Vorpommern, das sind die Brüder Frank und Bodo Krull, die dort eine Werkstatt betreiben. Meine Idee war, eine alte MZ-Straßenmaschine vom Typ ETZ 250 in eine der legendären Geländemaschinen von MZ umzuwandeln. Die Originale sind nämlich für Normalsterbliche viel zu teuer, dafür werden mittlerweile fünfstellige Beträge gefordert.

Umgesetzt haben es dann die Krulls, die mittlerweile drei Gelände-Motorräder nach meinen Plänen gebaut haben und weitere Bestellungen entgegen nehmen. Zu besichtigen ist sie in der Kölner Südstadt bei Motorrad Lust. Diese MZ finde ich vor allem wegen einer Geschichte so sympathisch. So fand 1964 in Erfurt der „International Six-Days-Trial“ statt, das härteste Motocross-Rennen der Welt. Damals durften noch Mannschaften aus dem Ausland mitfahren. Als sich Schauspieler Steve McQueen mit seinem Team anmeldete, schwebte ein Hauch von Hollywood über Erfurt. Alle wollten ihn sehen. Aber die MZ-Maschinen waren erfolgreich, während sich McQueen mit seiner viel zu schweren Triumph hinlegte.

Steve McQueen

Steve McQueen nahm 1964 beim „Six-Days-Trial“in Erfurt teil, konnte aber gegen die MZ-Maschinen aus der DDR nichts ausrichten.

Durch diese Geschichte habe ich mein Denken revidiert. Als Student fand ich MZ nämlich immer doof, so etwas fuhren doch nur die Leute von der DKP. Ich wollte als „normaler Linker“ angesehen werden und fuhr lieber eine Gilera 150 aus Italien. MZ wurde im Westen über Neckermann vertrieben, auch deshalb war das für mich kein richtiges Motorrad. Aber dieses leicht ideologisch beeinflusste Denken war falsch, die Ingenieure in Zschopau haben eine Super-Arbeit geleistet unter den damaligen Bedingungen.“

Das kann sie:

„Sie ist ein leichtes und auch leises Motorrad, mit dem man wunderbar durch das Bergische Land fahren kann und auf Oldtimer-Treffen umschwärmt ist. Der typische Zwei-Takt-Geruch ist für viele Leute Gestank, aber ich rieche es gern, für mich ist das Parfum, der Geruch meiner Jugend. Ich habe mit Zündapp- und Kreidler-Mopeds angefangen, auch alles Zwei-Takter.“

Das kann sie nicht:

„Zugegeben: Verzögern ist nicht ihre Stärke. Die Bremsen erfüllen sozusagen den alten Traum der Roten Armee: erst am Rhein zum Stehen zu kommen. Man muss vorausschauend fahren, wie mit allen alten Motorrädern. Mit 21 PS ist sie keine Rakete, aber weniger ist manchmal mehr. Die Abgaswerte des Zweitakt-Motors sind natürlich auch nicht politisch korrekt, wobei: So schlimm wie ein VW- Diesel ist es auch wieder nicht.“ (lacht)

Das habe ich für sie getan:

„Ich hatte nur die Idee zu der Maschine und habe die nötigen Teile dafür besorgt. Die alte Straßen-MZ zum Beispiel aus dem Jahr 1984, die mich nur 600 Euro gekostet hat. Die Krulls haben dann daraus die Gelände-Maschine gebaut und viele Teile konstruiert und erneuert. Die haben das Motorrad rundherum überholt. Man kann den Krulls den größten Schrott hinstellen und die machen ein funktionstüchtiges Fahrzeug daraus. Improvisieren haben sie schließlich gelernt in der DDR. Und sie können noch perfekt die sozialistische Sprache imitieren. Wir schreiben uns manchmal Briefe, als wäre der Eiserne Vorhang nie gefallen. Ich bitte dann um Lieferungen für das „imperialistische Ausland“, sie schreiben dann so an den Genossen Becker zurück, dass es mir oft kalt den Rücken runter läuft.“

Das haben wir erlebt:

„Eine spannende Fahrt durch Vorpommern mit meinen beiden Freunden. Da sind manche Straßen noch so gepflastert wie schon zu DDR-Zeiten, dafür ist es natürlich die richtige Maschine. Das Schöne an Mecklenburg-Vorpommern ist, dass es so groß ist wie Nordrhein-Westfalen, aber nur die Einwohnerzahl von Köln und Aachen hat. Da wohnt keiner, da darf man meist auch querfeldein fahren oder über die Stoppelfelder. Man hat oft den Eindruck, man ist in Kanada.“

Das haben wir vor:

„Schon bald bin ich wieder unterwegs an die Ostsee zu meinen Freunden. Aber natürlich nicht über die Autobahn, sondern genüsslich über Land. Und dann möchte ich sie vielleicht mal verkaufen und mir mit den Jungs wieder einen neuen Quatsch ausdenken. Trotz unterschiedlichster Erfahrungen teilen wir die Freude, nie erwachsen zu werden.“

Aufgezeichnet von Tobias Christ

Steckbrief des Motorrads

So fährt die Maschine von Jürgen Becker.

Name: MZ ETZ 250 Geländeversion

Baujahr: 1984/2015

Hubraum (ccm): 243

PS: 21

Zylinder: 1

km/h (max.): 130

Verbrauch: 4,5 l

Gebaute Exemplare: 3

Neupreis (D-Mark): n.b.