Vor 50 JahrenKölner Künstler Wolf Vostell betonierte sein Auto ein
Köln – Im Oktober 1969 schlug das letzte Stündlein für Wolf Vostells stolzen Opel Kapitän. Der Kölner Happening-Künstler hatte seinen Wagen, Baujahr 1964, in die enge Domstraße gesteuert und in einer Parklücke vor der Galerie Art Intermedia abgestellt. An Ort und Stelle wurde der Wagen danach unter der erregten Anteilnahme besorgter Bürger in mehreren Etappen einbetoniert.
In historischen Filmaufnahmen ruft eine Frau nach der Stadtverwaltung, doch die steckte mit dem Künstler unter einer Decke und steuerte eine Parkuhr als Leihgabe für das Denkmal bei. Schließlich stellte ein Mann die ebenso bange wie naheliegende Frage: Was wäre, wenn das jeder machen würde? Ja, was wohl: Die Stadt würde heute nicht an Blechlawinen ersticken, und wir alle wären Künstler.
Heute eine Sehenswürdigkeit auf den Ringen
Stattdessen machte Wolf Vostells „Ruhender Verkehr“ als Einzelstück Karriere. Knapp drei Wochen blieb der Betonklotz als Menetekel für den Verkehrskollaps in der Domstraße stehen, dann wurde er zum Neumarkt verfrachtet, wo ein Skulpturenpark geplant war. Als daraus nichts wurde, fand sich im Jahr 1986 schließlich ein Platz auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings. Dort ist die Skulptur zwar falsch abgestellt, denn Vostell wollte unbedingt einen Parkplatz mit ihr besetzen. Aber heimisch geworden ist sie auf den Ringen doch: als Sehenswürdigkeit, Stadtikone und Erinnerung daran, dass intelligente Kunst durchaus für produktive Unruhe auf den Straßen sorgen kann.
Die Idee zur Betonplastik war Vostell in Amsterdam gekommen. Dort hatte er ein von Bruce Nauman einbetoniertes Tonbandgerät mit aufgezeichnetem Schrei entdeckt und sogleich für Größeres ausersehen – als Verneigung vor dem US-Künstler ließ Vostell beim Zementieren das Autoradio laufen. Das Geld für die Aktion besorgte die beteiligte Galerie, ein befreundeter Künstler steuerte seine während einer Maurerlehre erworbene Expertise bei.
„Ruhender Verkehr“ fährt um die Welt
Die Enthüllung des Kunstwerks, die eigentlich eine Entschalung war, wurde auf den Eröffnungstag des dritten Kölner Kunstmarkts gelegt und war ein voller Erfolg. Besucher, Passanten und Fernsehteams brachten gemeinsam den Verkehr in der Domstraße zum Erliegen. Wer es trotzdem ins Innere der Galerie schaffte, sah dort eine Ausstellung mit Schimmelobjekten von Dieter Roth.
Es waren die großen Anfangsjahre der modernen Kölner Kunstwelt – auch für den 1998 verstorbenen Vostell. Sein „Ruhender Verkehr“ fuhr beinahe um die ganze Welt, wenn auch jeweils mit anderem Kern. In Chicago übergoss Vostell einen Cadillac mit Zement, für den Berliner Rathenauplatz legte er gleich zwei Straßenkreuzer „in Form der nackten Maja“ still. Köln blieb aber die Heimat des „Ruhenden Verkehrs“, zum einen, weil hier alles seinen Anfang nahm, aber vor allem, weil Vostell mit Köln ein besonders inspirierendes (weil scheußliches) Beispiel der autogerechten Stadt gefunden hatte. Sein bereits 1967 eingereichter „Vorschlag für die Kölner Domumgebung“ ist eine geniale Übung in Galgenhumor: Auf der gleichnamigen Foto-Collage umschließt ein Autobahnkreuz die Kathedrale, mehrere Abfahrten führen direkt in sie hinein.
Skulptur wird auch gerne übersehen
Allzu viel wusste die Stadt Köln trotzdem nicht mit ihrem Wahrzeichen anzufangen. Mehrmals wurde die Skulptur zur Zielfahne großer Sportveranstaltungen, und bei diesen Gelegenheiten vom Bananen-Künstler Thomas Baumgärtel verhüllt. Zuletzt nutzte die Firma Opel „ihren“ Kapitän auf ähnliche Weise für einen Guerillatag als Werbefläche.
Ansonsten wird auch Wolf Vostells für den Stadtraum geschaffene Skulptur auf ihrem Hohenzollern-Podest gerne übersehen. Dabei gibt es wenige andere Kölner Orte, an denen man wie hier in Betrachtung versinken und selbst zur Ruhe kommen kann.