„Wäre geil, nicht mehr gehasst zu werden“Liser und Taby Pilgrim über Frau-Sein im Rap
Köln – „Eine weibliche Stimme und ein bisschen Melodie – das kann ja gar kein Rap sein“, rappt die Kölnerin Liser auf dem Song „Das kann ja gar nicht“. Gemeinsam mit der Essener Künstlerin Taby Pilgrim hat sie vergangenen Freitag das Album „JA“ herausgebracht – und begleitend dazu eine Mini-Serie produziert, die sich satirisch mit dem Frau-Sein im Rap-Business beschäftigt.
Zum zentralen Thema ihrer Musik wollen beide ihr Geschlecht zwar nicht machen. „Es schwingt aber überall mit, selbst wenn es im Song nicht darum geht. Die Leute merken – das ist eine Frau im Rap. Und dann musst du dich wieder selbst dazu positionieren. Es ist ein ewiger Kreislauf“, sagt Taby Pilgrim.
Kennengelernt bei Twitter
Die 24-jährige Liser, die nur unter ihrem Künstlernamen bekannt ist, und die 25-jährige Taby Pilgrim, die bürgerlich Tabea Hilbert heißt, lernten sich vor rund zwei Jahren über Twitter kennen. „Twitter ist ein bisschen wie Tinder – nur ohne sexy“, sagt Liser und lacht. Zunächst ging es nur um einen gemeinsamen Streaming-Auftritt des Cologne Custom Studios in Höhenberg, in dem auch jetzt beide zusammensitzen. Aus dem Streaming-Auftritt wurde der Podcast „Der Boden ist Laber“, aus dem Podcast die Idee zum Album „JA“, zu dem Album kam die begleitende Serie.
Für das Album sind beide jeweils alte Skizzen durchgegangen, acht Songs haben es auf „JA“ geschafft. Es ist ein Rap-Album, auf dem viele weitere Genres mitschwingen. „Panik“ ist ein jazz-angehauchter Big-Band-Song, „Nutten im Westen“ klingt nach Country, Trap kommt ebenso vor wie Pop. „Wir haben musikalisch beide sehr unterschiedliche Einflüsse", sagt Taby. „Was Hip Hop angeht, habe ich immer eher ‚Studenten-Rap‘ gehört, Alligatoah oder Fatoni.“
Weibliche Perspektive, ohne Frau-Sein im Rap direkt zu thematisieren
„Ich wollte eigentlich immer nur mit Rappern abhängen, ich dachte früher, das wären coole Leute. Was für eine Fehleinschätzung“, sagt Liser und lacht. Inspiriert war die Kölnerin vom Sound einer Künstlerin, dessen Einfluss auf „JA“ zu hören ist. „Als ‚Angst‘ von Haiyti rauskam, war das krass. Ein großartiger, emotionsgeladener Song, von einer Frau, die nicht darüber gerappt hat, wie viel Geld sie hat oder welche Drogen sie nimmt. Da habe ich gedacht – das krieg‘ ich auch hin.“
Thematisch ist das Album breit gefächert: Vom Lieblingsschnaps „Berliner Luft“, über das Musik machen in „Popstar ist kein Vollzeitjob“ oder Minderwertigkeitskomplexe auf „Panik“: „Wenn ich nichts Besonderes bin, dann bin ich gar nichts“, singen Liser und Taby Pilgrim mit voller Stimme. Ohne, dass das Frau-Sein im Rap-Business in den Mittelpunkt gerückt wird, zieht sich eine weibliche Perspektive durch die Songs.
Anfeindungen fürs „Woke-Sein“
„Es gibt viele Leute, die davon überzeugt sind, dass wir in einer Gesellschaft leben, die nach Leistung bewertet. Dabei gibt es etliche Studien, die belegen, dass das nicht so ist. Ich würde deshalb nicht wollen, dass mein Frau-Sein und alle Probleme oder auch Vorteile, die damit kommen, wegignoriert werden. Es wäre aber geil, wenn man deswegen nicht mehr angefeindet oder gehasst wird“, sagt Liser.
„Ich würde gerne an einen Punkt kommen, an dem es erstmal akzeptiert wird, dass wir da sind. Und sich von da aus weiter eine Meinung gebildet wird“, so Taby Pilgrim. „Wir machen es uns auch nicht einfacher, in dem wir noch linke Inhalte verbreiten. Künstler wie Casper oder Marteria sind cool, weil sie ‚woke‘ sind – bei uns ist das nur ein weiterer Anfeindungsgrund“, ergänzt Liser.
Satirische Serie begleitend zum Album produziert
Begleitend zum Album haben beide eine Mockumentary, also eine satirische Serie, die den Stil einer Dokumentation imitiert, produziert. In sieben kurzen Clips, an die sich jeweils das Musikvideo eines der Album-Songs anschließt, geht es um die Emanzipation der beiden Künstlerinnen von einem fiktiven bevormundenden Manager, der stellvertretend für das Patriarchat steht.
Mit der Zeit brechen beide aus den Vorgaben aus und entwickeln ihren eigenen Stil. „Wir hatten vor allem Lust, die Serie zu kreieren, weil es sowas noch nicht gab. Wir wollen nicht die große politische Keule schwingen. Dass es diese Thematik geworden ist, liegt vor allem daran, dass das für uns gute Witze sind, die wir Erzählen können“, sagt Liser.
Nimmt man Sexismus und den Auswirkungen für Frauen denn nicht die Ernsthaftigkeit, wenn man daraus eine lustige Serie produziert? „Wir hätten auch ein melodramatisches Schwarz-Weiß-Epos machen können – das guckt dann nur keiner“, sagt Taby Pilgrim. „So sehen es vielleicht ein paar Leute mehr, lachen über die Witze und hinterfragen danach etwas. Ohne, dass wir eine Predigt gehalten haben.“