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Köln-Mülheim im WandelKünstler sollen Stadtentwicklung mitgestalten

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Das ehemalige Gelände von Klöckner-Humboldt-Deutz im Mülheimer Süden

Köln – Wer länger nicht mehr an der Deutz-Mülheimer Straße unterwegs war, wird das Areal zwischen Zoobrücke und Danzierstraße nicht mehr wieder erkennen. Es geht rasant voran mit dem Umbau des Quartiers, in dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Motorisierung der Welt ihren Anfang nahm und zuletzt unter anderem Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) produzierte.

Nicht jedem wird gefallen, was geschieht. So hat die Gerch-Group, ein privater Projektentwickler aus Düsseldorf, fast alles abgerissen, was auf ihrem Gelände stand. Ein anderer Investor, die CG-Gruppe aus Berlin, geht ein bisschen behutsamer vor. Es stehen auch noch Gebäude, die nicht denkmalgeschützt sind.

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Das ehemalige Gelände von Klöckner-Humboldt-Deutz im Mülheimer Süden

Umzingelt von Abrissbaggern befindet sich ein Teil des industriellen Erbes, in dessen Fall noch nicht über Ausverkauf und Kahlschlag entschieden wurde. Die Zukunft des zentralen, etwa sechs Hektar großen Grundstücks, das „Otto und Langen Quartier“, inmitten des riesigen Stadtentwicklungsprojekts ist noch offen. Die Bauten verfallen, die Natur holt sich das Areal zurück.

Stadt behält Planungsrecht

Kölns Baudezernent Markus Greitemann möchte sich zu dem, was private Investoren auf dem historischem Areal und drumherum anstellen, nicht äußern. Er formuliert seine Kritik indirekt: Das Planungsrecht für das „Otto und Langen Quartier“ werde die Stadt in keinem Fall aus der Hand geben. Mit anderen Worten: Es soll hier anders laufen. Die Stadt lernt aus ihren Fehlern.

Die Industriehallen auf dem Gelände, zu denen das denkmalgeschützte Stahlfachwerk-Gebäude der Möhring-Halle gehört, sind verbunden mit dem riesigen Backstein-Bau entlang der Deutz-Mülheimer Straße, wo einst die KHD-Hauptverwaltung residierte. Vor acht Jahren sind hier Künstler eingezogen, die seit dem in ihrem „Zentralwerk der schönen Künste“ nicht nur Kunst, Theater und Tanz präsentiert haben.

Die Halle des Architekten Bruno Möhring

Vielmehr ist aus der darstellenden und bildenden Kunst das „gesellschaftliche Reallabor Zukunftswerk Stadt“ geworden. So nennen Anja Kolacek und Mark Leßle von der Initiative „Raum 13“ und ihre Mitstreiter die Verbindung von Kunst und Stadtentwicklungspolitik. Architekten, Vertreter von Stiftungen, Wissenschaftler und Künstler wollen den Umgang mit einem historischen industriellen Erbe, von dem viele Kölner gar nichts mehr wissen, mit einer Zukunftsvision für ein lebenswertes Stadtquartier mit unterschiedlichen Nutzungen verbinden. Dezernent Greitemann hat sich bereits zweimal mit den Künstlern getroffen. Verabredet wurde ein gemeinsamer Workshop im Laufe des nächsten Jahres.

Festival im Zentralwerk der schönen künste

Die Künstlerinitiative „Raum 13“ lädt zu einem vierwöchigen Festival „Zeitspiralfedern“ in das Zentralwerk der schönen Künste, Deutz-Mülheimer Straße 147-149, ein. Am Freitag, 13. September, wird um 19.30 Uhr das Buch „Zukunfts Werk Stadt“ vorgestellt, das die Ergebnisse der Diskussionen und Projekte der vergangenen zwei Jahre dokumentiert.

Der Eintritt kostet 12 Euro, ermäßigt 8 Euro. Die Lesung aus dem „Buch zur Vision“ mit Performance und Musik ist die erste von mehreren Veranstaltungen, „theatralen Werkstätten“ und Führungen durchs Haus und die Umgebung, bei denen es bis zum 6. Oktober um die Zukunft des Quartiers geht. Informationen zum Programm findet man im Internet. (fra)

www.raum13.com

Das, was sich da anbahnt, ist eine für die Stadt ziemlich ungewöhnliche Herangehensweise an ein Stadtentwicklungs-Projekt. Unklar bleibt, wie viel von dem, was in dem „Reallabor“ der Künstler in den vergangenen Jahren diskutiert und entwickelt wurde, tatsächlich in die Planungen einfließen kann. Greitemann sagt, dass er „Impulse mitnehmen und möglichst viel integrieren“ will.

Die Mülheimer Künstler hoffen auf mehr: Die Stadt soll nicht nur planen, sondern das Areal kaufen. Danach soll zwei bis drei Jahre unter Beteiligung von Bürgern und Initiativen überlegt werden, was neu errichtet, umgebaut und weiterentwickelt werden kann. Man habe „sechs Hektar zum Ausprobieren“, sagt Marc Leßle. Und in Köln seien „so viele gute Leute am Start“, die sich in so einen Prozess einbringen könnten.

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Am Ende stünde eine kleinteilige Konzeptvergabe in Erbpacht für einzelne Bereiche des Areals. Verschiedene Wohnformen, eine enge Verbindung mit Arbeit und Kultur, eine Belebung der imposanten Industriearchitektur, soziale und kulturelle Initiativen, Bildungsangebote – das alles könnte sich hier im Quartier verbinden.

Es darf nicht um maximalen Profit gehen

Eine Voraussetzung: Bei der Verwertung des Areals dürfte es nicht wie andernorts um den maximalen Profit gehen. Die Fläche befindet sich noch im Eigentum der Gesellschaft NRW Urban, die dem Land gehört. Seit mehr als einem Jahr laufen Kaufverhandlungen mit der städtischen Gesellschaft „Moderne Stadt“.

Warum es so lange dauert, verraten weder „Moderne Stadt“ noch Dezernent Greitemann. Zu laufenden Verhandlungen will man sich nicht äußern. Dem Vernehmen nach hat das Land im Jahr 1995 nur 1,3 Millionen Mark für fünf Hektar gezahlt. Hinzu kommt ein weiterer Hektar, auf dem das alte Verwaltungsgebäude steht. Das Gelände ist nun ein Vielfaches wert. Die Versuchung, Profit zu machen, konkurriert mit der Idee ein am Gemeinwohl orientiertes Pilotprojekt zu initiieren.