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Neue Serie „Schule in Not“Das Gymnasium Kreuzgasse verfällt bei laufendem Betrieb

Lesezeit 5 Minuten
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Das Gymnasium Kreuzgasse

Köln – In Köln gibt es 296 Schulen. Viele davon befinden sich in einem beklagenswerten Zustand. Die letzte Sanierung liegt oft lange zurück, eine neue ist nicht in Sicht. Eltern und Lehrer stemmen sich mit Provisorien gegen die baulichen Mängel, damit sich die Schüler auf den Unterricht konzentrieren können.

Das Gymnasium Kreuzgasse im Inneren Grüngürtel ist eine dieser maroden Schulen – und dabei dürfte es nicht einmal diejenige sein, die am schlechtesten dasteht. Ein Rundgang durch das Gebäudeensemble zeigt höchst eindrucksvoll, in welcher Atmosphäre viele Kinder und Jugendliche lernen und ihr Abitur machen müssen.

Das Schultheater spielt am Gymnasium Kreuzgasse seit jeher eine bedeutende Rolle. Aufwendige Produktionen, in die Schüler wie Lehrer auch ihre Freizeit investieren, sind keine Seltenheit. Es existiert sogar eine Kooperation mit der Jungen Theatergemeinde Köln. Doch wer einen Abend in der Aula verbringt, sollte sich besser nicht allzu weit nach vorne setzen. Der Geruch der sanierungsbedürftigen Toiletten ist an ungünstigen Tagen bis in die sechste Reihe zu riechen.

Bettlaken ersetzen am Gymnasium Kreuzgasse die defekten Jalousien als Sonnenschutz.

Ein Blick hinter die Bühne verrät, dass sich nicht nur die Sanitäranlagen in einem desolaten Zustand befinden. Stromleitungen liegen teilweise offen, Kabelbündel sind ineinander verschlungen – und das Notausgangsschild sieht so aus, als würde es jeden Moment von der Wand fallen.

Steckdosen hängen aus der Wand

Auch die Stromversorgung im Hauptgebäude bringt einen Elektriker im Jahr 2017 zur Verzweiflung. Steckdosen hängen aus der Wand heraus, ganz so, als wollten sie so schnell wie möglich die Flucht aus der maroden Schule antreten. Eine unbedachte Berührung eines Schülers würde ausreichen, um sich lebensgefährlich zu verletzen. Denn über einen Fehlerstrom-Schutzschalter verfügt die Kreuzgasse nicht – obwohl das für Neubauten seit 2009 Vorschrift ist.

Viele Steckdosen befinden sich in einem desolaten Zustand.

Bei älteren Gebäuden ist eine Nachrüstung nur dann Pflicht, wenn eine Sanierung stattfindet, die in die Bausubstanz eingreift. Genau darauf warten Lehrer, Schüler und Eltern allerdings bereits seit knapp zwei Jahrzehnten – und zwar vergeblich. Und das, obwohl an nahezu jeder Ecke Mängel zu finden sind.

Will jemand im Hauptgebäude eine Tafel putzen, muss er zunächst den gesamten Gang entlanglaufen, um zum einzigen Waschbecken zu gelangen, das zumal so aussieht, als stamme es noch aus der Bauzeit der Schule in den 1950er Jahren. Waschbecken in den Klassenzimmern – eigentlich in jeder Schule unabdingbar – gibt es an der Kreuzgasse nicht mehr, sie wurden bereits vor langer Zeit stillgelegt und abgebaut. Die Leitungen allerdings liegen noch in der Wand, darin steht immer noch Wasser – das gilt als der ideale Nährboden für Bakterien.

Vorhänge mussten aus Brandschutzgründen abgenommen werden

Bei einigen der in den Klassenräumen verbauten Tafeln dürfte das Putzen mit Wasser allerdings ohnehin nicht mehr helfen. Einige Exemplare sind schon so alt, dass sie selbst in den frühen 1990er Jahren nicht mehr als modern galten. Die Vorhänge, die früher vor Sonnenlicht schützten, mussten aus Brandschutzgründen abgenommen werden. Die Stadt ließ sie durch Jalousien ersetzen, die sich häufig jedoch nicht mehr bedienen lassen.

In der Aula herrscht ein Wirrwarr an Kabeln.

So muss der erstaunte Besucher feststellen, dass mittlerweile Bettlaken diese Aufgabe übernommen haben. Viele Fenster schließen zudem nicht mehr richtig. An den Projektoren und dem Mobiliar hat ebenfalls der Zahn der Zeit genagt. Generationen von Schülern haben sich bereits in den Tischplatten verewigt.

In einigen Räumen haben sich die Eltern daran versucht, den Zustand ein wenig zu verbessern, indem sie in Eigenregie die Wände gestrichen haben. In den Treppenhäusern entsprechen nicht alle Geländerhöhen den aktuellen Bauvorschriften.

Der Kunstraum in der obersten Etage bietet zwar einen wunderschönen Blick auf die Kölner Stadtsilhouette, bereitet ansonsten aber keine Freude. So verlaufen Stromleitungen kreuz und quer durch den Raum und zwischen Heizkörpern hindurch.

Ein Nebenraum wurde so sehr mit Papier und Kartons vollgestopft, dass es dort niemals brennen sollte – zumal es im Gebäude defekte Brandschutztüren und eine unzureichende Kennzeichnung der Fluchtwege geben soll. Auch für den Fall eines Amoklaufs existiert offenbar kein automatisches Alarmierungssystem.

Der „Neubau“, in dem die naturwissenschaftlichen Fächer unterrichtet werden und in dem die Oberstufe untergebracht ist, hinterlässt ebenfalls alles andere als einen guten Eindruck. Das Gebäude – das mit dem Haupthaus über eine Brücke verbunden ist – wurde 1985 eröffnet.

Die Bausubstanz wurde offensichtlich eingehend untersucht: Durch sämtliche Räume ziehen sich Kernbohrungen. In einem Oberstufenzimmer ist Feuchtigkeit aus einem der Löcher ausgetreten. In den Hörsälen sperrt der Hausmeister ab und an auch mal eine ganze Sitzreihe, weil diese ihre Funktion nicht mehr erfüllt. Ein handgeschriebener Zettel informiert: „Reihe gesperrt – Sicherheit ...“.

Eine gesperrte Stuhlreihe in einem der Hörsäle.

Angesichts der geschilderten Zustände muss sich der Betrachter die Augen reiben, wenn er die Schul-Cafeteria betritt, die tatsächlich ein Hingucker ist. Die Lorbeeren dafür allerdings gebühren nicht der Stadt: Eltern, die Handwerker sind, haben den Raum in Eigenregie neu gestaltet und technisch auf den neuesten Stand gebracht.

Sinnbild für den Sanierungsstau

Auf dem Schulhof läuft der Hausmeister vorbei, er schleppt einen Karton. Darin befinden sich die Überbleibsel des schmiedeeisernen Schriftzugs „Gymnasium Kreuzgasse“, der noch bis vor wenigen Wochen über dem Haupteingang angebracht war.

Es wirkt sinnbildlich für den Sanierungsstau, dass an der Fassade nur die Befestigung übrig geblieben ist. Schüler eines rivalisierenden Gymnasiums sollen die Buchstaben demontiert haben. Der Hausmeister entdeckte einige im Grüngürtel, Polizisten sammelten andere am Straßenrand ein, manche sind bis heute verschwunden. Ein Ersatz für den denkmalgeschützten Schriftzug ist bislang noch nicht in Sicht.

Jenseits der Mängel im Gebäude sorgten ständige Wechsel an der Spitze des Lehrerkollegiums in den vergangenen Jahren für zusätzliche Unruhe an der Kreuzgasse. Seit August 2013 gab es sechs Schulleiter, von denen fünf kommissarisch eingesetzt waren. Zum Vergleich: Ihre drei Vorgänger bekleideten das Amt neun, zwölf und 19 Jahre lang. Lüder Ruschmeyer, seit 2016 Chef in der Kreuzgasse, hat die nun immerhin genehmigte Generalsanierung von Anfang an mit Elan vorangetrieben – es wäre die erste seit dem Schulbau 1953.