Frauen berichtenKölner Ordnungsamt geht „gewaltsam“ gegen illegale Prostitution vor
- Das Coronavirus beeinflusst das öffentliche Leben in Köln bis heute. Auch Prostituierte leiden darunter – sie dürfen ihrer Arbeit nach wie vor nicht nachgehen.
- Bisher ist die Stadt Köln 27 Beschwerden über illegale Prostitution nachgegangen. „Ich bekam Angst“, sagt eine der Frauen, nachdem das Ordnungsamt gewaltsam in ihre Wohnung eingedrungen sei.
- Wir haben mit betroffenen Frauen über ihre aktuelle Situation in der Corona-Krise, Freier mit Mundschutz und ihre Erfahrungen mit dem Ordnungsamt gesprochen.
Köln – Der Mann, der am Mittwochmittag vor zwei Wochen an Kataleyas (Name geändert) Tür klingelt, ist komplett schwarz gekleidet, er trägt Sonnenbrille und Käppi. Das erkennt die 22-Jährige über die Bilder der Überwachungskamera am Eingang. Sie zögert, ihm zu öffnen, er trommelt gegen die Tür, mit Fäusten und einer Taschenlampe, erzählt die Prostituierte. „Ich bekam Angst.“
Die Rumänin wohnt und arbeitet in einem Appartementhaus im Rechtsrheinischen, wo mehrere Prostituierte Wohnungen gemietet haben. Es wirft Fragen auf, wenn Kataleya berichtet, auf welche Weise ein Trupp des Ordnungsamts aus Frauen und Männern, angeführt von dem in zivil gekleideten Mitarbeiter in Schwarz, in ihre Privatsphäre eingedrungen ist.
Einsatzkräfte treten laut und herrisch auf
Auch andere Frauen aus dem Haus sprechen von einer „überfallartigen“ Aktion – laut und herrisch seien die Einsatzkräfte aufgetreten. Teile des Geschehens sind auf Videobildern mit Ton dokumentiert, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ eingesehen hat. Eine Prostituierte aus dem Haus sagt, sie habe sich noch gewundert – „die Leute vom Ordnungsamt“ seien sonst immer so nett. Doch diesmal sei es anders gewesen.
Vor lauter Angst habe sie sich in die Küche zurückgezogen und die Tür abgeschlossen, erzählt Kataleya. Sie hörte, wie der Mann durch ein offen stehendes Fenster in ihre Erdgeschosswohnung eindrang und sofort begann, Schränke und Schubladen zu öffnen. „Ich dachte, der will mich ausrauben.“ Kurz darauf habe sie auch weibliche Stimmen gehört und die Küchentür geöffnet. „Der Mann brüllte mich an: Nicht bewegen! Hände gegen die Wand!“ Sie sei an die Wand gedrückt und durchsucht worden.
Prostitution in Zeiten von Corona verboten
Trotz ihrer Proteste habe der Wortführer ihr kleines Portemonnaie geöffnet. Die Kontrolleure seien offenbar darauf aus gewesen, Beweise zu finden, dass sie der Prostitution nachgehe – das ist in Zeiten von Corona verboten. Eine weitere Prostituierte aus dem Haus bestätigt, dass die Einsatzkräfte auch ihr Portemonnaie durchsucht hätten.
Das könnte Sie auch interessieren:
Anlass für den Einsatz sei eine Beschwerde im Büro der Oberbürgermeisterin gewesen, dass in dem betreffenden Haus der Prostitution nachgegangen werde, bestätigte eine Sprecherin der Stadt Köln auf Anfrage. Das Vorgehen des Ordnungsdienstes sei gedeckt durch das Ordnungsbehörden- und das Polizeigesetz, und zwar im Sinne der „unmittelbaren Gefahrenabwehr, zur Einhaltung der Corona-Schutzverordnung und zum Infektionsschutz“. Zu diesem Zweck dürften die Mitarbeiter sich gegebenenfalls auch gewaltsam Zutritt verschaffen – egal ob durch eine Tür oder ein Fenster.
Bei dem Einsatz habe man Personen angetroffen, die der Prostitution nachgegangen seien und angegeben hätten, nicht in den Wohnungen zu leben, berichtete die Sprecherin. Diese seien des Ortes verwiesen worden.
Ordnungskräfte vermuten in dem Besucher einen Freier
Tatsächlich wurden zwei Wohnungen versiegelt: die von Kataleya und die einer Kollegin, die – anders als die Stadt es angibt – nach eigener Aussage nicht nur in der betreffenden Wohnung arbeitet, sondern auch dort wohnt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle habe sie Besuch von einem „langjährigen Bekannten“ gehabt, sagt sie. Die Ordnungskräfte wiederum vermuteten in dem Besucher einen Freier. Sie nahmen auch seine Personalien auf.
Die 22-jährige Kataleya dagegen war allein in ihrer Wohnung. Sie habe keinen Kunden gehabt, beteuert sie. Doch auch Kataleya steht nun vorerst auf der Straße, solange ihre Wohnung versiegelt ist. Den Frauen droht ein Bußgeldverfahren. Für die Kontrollen haben sie grundsätzlich Verständnis, sagen beide. „Aber die Art und Weise ist absolut nicht in Ordnung. Wir sind keine Schwerverbrecher.“
27 Beschwerden über illegale Prostitution
Seit Inkrafttreten der Corona-Schutzverordnung Mitte März ist die Stadt Köln nach eigenen Angaben 27 Beschwerden über illegale Prostitution nachgegangen. Während die Beschränkungen in vielen öffentlichen Bereichen nun nach und nach gelockert werden, bleibt Sexarbeit auf unbestimmte Zeit verboten. Viele betreffende Frauen seien „schlimm dran“, sagt Anne Rossenbach vom Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF).
„Sie können nicht arbeiten, ihnen fehlt Geld für Lebensmittel, für Hygieneartikel, für ihr Handyguthaben.“ Die Not scheint groß zu sein. In den vergangenen Wochen, so Rossenbach, habe der SKF in Köln mehr als 80 Prostituierte beraten – fast so viele wie sonst im ganzen Jahr. Dank Spenden könne man in vielen Fällen immerhin finanzielle Soforthilfen gewähren.
Prostituierte arbeitet seit Wochen wieder – trotz Corona
Eine Prostituierte aus dem Linksrheinischen berichtete dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, sie arbeite schon seit einigen Wochen wieder – trotz Corona. In ihrer Wohnung empfange sie derzeit nur Stammgäste. Manche trügen Mundschutz, sie nicht. „Die Kunden wollen mein Gesicht sehen.“ Angst vor einer Infektion habe sie nicht, sagt die 24-jährige Bulgarin.
Und außerdem: „Ich habe auch keine Wahl.“ Im Moment verdiene sie etwa 20 Prozent ihres üblichen Monatslohns. Auch viele Freier trauten sich zurzeit nicht zu ihr, sagt sie. Andere hätten schlicht nicht die Möglichkeit. „Sie sind zu Hause im Homeoffice oder in Kurzarbeit und kommen nicht so leicht von der Familie weg.“