Queermed soll nicht nur Menschen aus der queeren Community helfen, sondern jeglichen von Diskriminierung betroffenen Gruppen.
Diskriminierung beim ArztbesuchVerzeichnis für queerfreundliche Arztpraxen kommt aus Köln
Diskriminierung kann jeden und jede treffen – und das auch in jedem Lebensbereich. Gerade im Gesundheitswesen kann Diskriminierung aber besonders fatale Folgen haben. „Menschen, die sowieso schon überall Diskriminierung erfahren, überlegen dann fünf Mal, ob sie wirklich eine Arztpraxis besuchen müssen“, sagt Sara Grzybek aus Köln. Krankheiten werden dadurch zu spät oder gar nicht erkannt, wenn die Angst vor dem Arztbesuch zu groß ist. Grzybek will das verhindern – und hat ein Verzeichnis von sensibilisierten Ärztinnen und Ärzten gegründet.
Queermed Deutschland richtet sich – auch wenn der Name es erst annehmen ließe – nicht nur an die queere Community. „Ich glaube, ich kenne keine Person, die nicht cis-männlich, hetero und weiß ist, die nicht schon mal Probleme in einer Praxis hatte.“ Ethnische Herkunft, Geschlecht und Geschlechtsidentität, Religion, Behinderung, Alter, sexuelle Identität, sozioökonomischer Status und Gewicht – all das können Gründe für Diskriminierung sein.
Viele Menschen von Diskriminierung im Gesundheitsbereich betroffen
In einer repräsentativen Befragung der Antidiskriminierungsstelle gaben 2017 rund 26 Prozent der Befragten, die in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt hatten, an, diese auch im Gesundheitsbereich erlebt zu haben. Laut dem Afrozensus 2020, einer Befragung unter Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Menschen in Deutschland, haben rund 64 Prozent der Befragten, die in den letzten zwei Jahren Kontakt zum Bereich Gesundheit und Pflege hatten, dort Diskriminierung erfahren. Diskriminierung im Gesundheitswesen ist gerade auch für Menschen mit HIV ein Thema: Bei der Online-Befragung „Positive Stimmen 2.0“ der Deutschen Aidshilfe und des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft gaben 2021 56 Prozent der Befragten an, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens eine negative Erfahrung gemacht zu haben.
Sara Grzybek bemängelt, dass Online-Bewertungsportale oft intransparent seien. Queermed soll ein Ort sein, „wo Menschen positive Erfahrungen teilen“. Seit der Gründung Mitte 2021 sind schon mehr als 800 Arztpraxen in Deutschland empfohlen worden. Möglich sind nur Empfehlungen von Patientinnen und Patienten, Praxen können sich nicht selbst empfehlen. Auf der Webseite von Queermed ist es möglich, die Empfehlungen nach Bundesland, Stadt, Fachbereich, Sprache und Personengruppe zu filtern. Auswahlmöglichkeiten sind etwa: Personen mit Erfahrung sexualisierter Gewalt, trans, blind oder sehbehindert und Musliminnen oder Muslime.
Queermed führt Empfehlungen für verschiedene Facharztpraxen
Die meisten Empfehlungen kommen aus Berlin (mehr als 100), danach folgen mit einigem Abstand Köln, München und Hamburg. Empfohlenen werden am häufigsten Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner – nachvollziehbar, da diese Praxen am häufigsten aufgesucht werden müssen. Aber es gibt auch besonders viele Empfehlungen für Gynäkologie- und Psychotherapie-Praxen.
Wie kam Grzybek überhaupt auf die Idee, Queermed zu gründen? Anfang 2021 sei Grzybek auf der Suche nach einem neuen Ehrenamt neben dem Hauptjob in einer Online-Marketingagentur gewesen. Eine befreundete Person habe dann eine Instagram-Story weitergeleitet, in der es um Queermed Österreich ging. „Wie kann es sein, dass es sowas hier nicht gibt?“, habe Grzybek sich direkt gedacht. Nach Gesprächen mit Verantwortlichen von Queermed Österreich und Gynformation, einem Verzeichnis für sensibilisierte Gynäkologinnen und Gynäkologen, hat Grzybek die Webseite gebaut und im Mai 2021 live gestellt.
„Ich dachte anfangs, das wird ein Hobbyprojekt sein“, sagt Grzybek. Die Nachfrage sei aber direkt sehr groß gewesen und sei es auch immer noch. Ende 2022 ist Queermed als gemeinnützige Unternehmergesellschaft gegründet worden, Grzybek arbeitet nach wie vor ehrenamtlich als Geschäftsführung und betreut die Seite. Neben der Möglichkeit, eine Arztpraxis zu empfehlen oder nach einer Empfehlung zu suchen, bietet Grzybek auch Informationen für Praxen an. Neben einem Leitfaden für respektvollen Umgang mit Patientinnen und Patienten, einem Blog und Buchempfehlungen hält Grzybek auch Vorträge auf Veranstaltungen.