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Raser-Prozess in KölnVerfahren zum Auenweg droht wegen Schöffen zu platzen

Lesezeit 4 Minuten

Der 31-jährige Schöffe (l.) und die drei Berufsrichter

  1. Gericht hat den Raser-Prozess zum Unfall am Auenweg unterbrochen
  2. Laienrichter stand unter polizeilicher Beobachtung und hatte Kontakt zur Raser-Szene
  3. Angeklagter gesteht Schuld an Tod von Radfahrerin und zeigt Reue

Köln – Mit einer halben Stunde Verspätung kehren die drei Berufsrichter und die zwei Schöffen um 14 Uhr aus der Mittagspause in Saal 13 zurück. Der Grund für die Verzögerung im neu aufgerollten Raser-Prozess vom Auenweg wird schnell klar. Es ist ein Paukenschlag – einer, der den gerade erst begonnenen Prozess zum Platzen bringen könnte.

Besorgnis der Befangenheit

Denn in der Pause hat einer der beiden Schöffen seinen Kollegen gebeichtet, dass er vor 13 Jahren selbst im Visier der Polizei stand – als Verkehrsrowdy. Und nicht nur das: Der Laienrichter kennt offenbar aus Jugendzeiten einen Mann, der wiederum ein Bekannter einer der beiden Angeklagten ist.

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Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern im Gerichtssaal.

Kurzum: Sowohl die Verteidiger der beiden Raser vom Auenweg als auch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage wollen nun bis zum zweiten Prozesstag am kommenden Mittwoch prüfen, ob der Schöffe noch tragbar ist – oder ob er aus „Besorgnis der Befangenheit“ abgelehnt werden sollte, wie es Nikolaos Gazeas formuliert, der Anwalt der Familie der getöteten Radfahrerin Miriam Scheidel (19). Möglicherweise muss der Schöffe sogar bald als Zeuge aussagen, weil er offenbar Kontakte zu Sympathisanten der Kölner Raserszene hat oder hatte.

Polizei hatte Schöffen 2004 im Auge

Der Schöffe berichtete den anderen Richtern in der Mittagspause, er sei 18 Jahre alt gewesen, als die Polizei 2004 wegen einer so genannten Gefährderansprache bei ihm war. Im Internet kursierte damals ein Video, auf dem der junge Mann mit Freunden offenbar schnell und mit lauter Musik im Auto durch die Stadt fuhr. Ein Strafverfahren wurde deshalb nicht eingeleitet, die Polizisten warnten den Fahranfänger allerdings eindringlich davor, so etwas zu wiederholen.

Heute, so beteuerte der Schöffe am Mittwoch, interessiere er sich nicht mehr für schnelle Autos. Beim Blick auf sein Facebook-Profil könnten da Zweifel aufkommen: Auf mehreren Fotos posiert er vor hochwertigen Sportwagen. Der Laienrichter beteuerte, er habe „kaum noch Kontakt“ zu seinen alten Kölner Freunden, da er inzwischen in Rheinland-Pfalz wohne.

Prozess könnte von vorne beginnen

Auch dieser Umstand ist allerdings problematisch. Denn nach seinem Wohnortwechsel dürfte der 31-Jährige eigentlich gar nicht mehr als Schöffe in Köln tätig sein. Noch ist unklar, warum er dennoch auf der Schöffenliste des Landgerichts stand.

Sollte das Gericht zur Entscheidung kommen, den 31-Jährigen gegen einen Ersatzschöffen auszutauschen, müsste der Prozess von vorne beginnen – alles, was am Mittwochvormittag verhandelt wurde, müsste wiederholt werden.

„Jeder hasst mich, das macht mich kaputt“

Vor der Mittagspause hatte Firat M. sich bei der Familie Scheidel entschuldigt. Es tue ihm „unendlich Leid“, hatte er von einem Blatt abgelesen. „Es hat lange gedauert, aber heute stehe ich dazu, was ich getan habe.“ Menschen gehe er heute aus dem Weg, sagte der 24-Jährige. „Jeder hasst mich, das macht mich kaputt.“

Die Unfallstelle am Auenweg

Die Medien hätten ihn nach dem tödlichen Unfall auf dem Auenweg im April 2015 als „Totraser“ abgestempelt, als „Rowdy Nummer eins“. Inzwischen wisse er, was ein Auto alles anrichten könne, das sage er auch seinen Freunden immer wieder. „Ich bin ein unerträglicher Beifahrer.“

Bei den Eltern und dem Bruder der getöteten Studentin hinterließen seine Worte zweifelnde Blicke. Sie vermuten ein taktisches Manöver.

Erstes Urteil zu milde

Das Kölner Landgericht hatte Firat M. und Erkan F. in erster Instanz zu Bewährungsstrafen von zwei Jahren beziehungsweise 21 Monaten verurteilt. Bei dem illegalen Rennen auf dem Auenweg war F.’s BMW ins Schleudern geraten und hatte die Radfahrerin tödlich verletzt.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hob das vielen als zu milde erscheinende Urteil teilweise auf. Die Begründung: Das Landgericht habe sich nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich die Bewährungsstrafe auf das Rechtsempfinden der Bevölkerung auswirke. Bei der Neuauflage müssen die beiden 24-Jährigen nun damit rechnen, ins Gefängnis zu kommen.

Die Angeklagten nach dem Auenweg

Erkan F. arbeitet inzwischen in der Bäckerei seiner Schwester. In seinem Maschinenbaustudium komme er trotz „15 bis 20 Therapiestunden“ seit dem Unfall wegen seiner anhaltenden Konzentrationsstörungen nicht richtig voran. Firat M. arbeitet bei einer Zeitarbeitsfirma in der Autobranche.

Er habe die Aussicht auf eine Festanstellung, wolle sich aber auch um eine Ausbildung bemühen. In getunte Autos sei er nie wieder eingestiegen, sagt M. Eine Therapie wolle er aber auch nicht machen: „Dann denken die Leute, dass ich bekloppt bin.“

Hintergrund – Was sind Schöffen?Schöffen sind ehrenamtliche Laienrichter ohne juristische Ausbildung. Sie entscheiden mit den Berufsrichtern über Schuld und Strafe des Angeklagten und sollen zu einer „lebensnahen“ Rechtsprechung beitragen, heißt es beim NRW-Justizministerium. Fast jeder Deutsche kann zum Schöffen berufen werden und ist verpflichtet, die Aufgabe wahrzunehmen.

Ausgenommen sind wenige Personengruppen, etwa Bundes- und Landespolitiker, Mediziner oder Menschen über 70. Alle fünf Jahre schlagen die Gemeinden Schöffen aus dem Kreis ihrer Bürger vor, das jeweilige Amtsgericht wählt sie dann aus. Die Sitzungen, an denen die Laienrichter teilnehmen, werden ihnen zugelost.