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„Doppelt so viele Online-Anzeigen“So erlebt die Kölner Polizei die Corona-Krise

Lesezeit 4 Minuten
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Polizeipräsident Uwe Jacob bei der morgendlichen Videokonferenz mit seinen engsten Führungskräften.

  1. Eingeschränkte Arbeitsbedingungen, weniger Einsätze, mehr Online-Anzeigen: Auch bei der Kölner Polizei ist in der Corona-Krise nichts, wie es mal war.
  2. In Corona-Zeiten lenkt Polizeipräsident Uwe Jacob die Behörde per Videoschaltung.
  3. Unser Autor war bei zwei Lagebesprechungen dabei und hat dabei interessante Beobachtungen gemacht.

Wenn Miriam Brauns morgens um kurz vor sieben ihr Arbeitszimmer im Dachgeschoss ihres Kölner Hauses betritt, komme sie sich jedes Mal vor wie in einem Flugzeugcockpit: „In der Mitte der Dienstrechner, links der Monitor des Videokonferenzsystems mit Kamera und Lautsprecher, rechts der private PC.“ So sieht es aus im Homeoffice der stellvertretenden Polizeipräsidentin.

Pünktlich um neun Uhr an diesem Donnerstagvormittag wählt Brauns sich in die „Neun-Uhr-Runde“ im Präsidium ein, der täglichen Lagebesprechung der höchsten Führungskräfte der Behörde. Für gewöhnlich findet die Zusammenkunft im Präsidium in Kalk statt, von Angesicht zu Angesicht. Aber seit das Coronavirus die Welt in Atem hält, läuft auch bei der Kölner Polizei vieles anders.

Persönliche Kontakte sollen weitgehend vermieden werden. Anwesend im großen Besprechungssaal in der vierten Etage des Präsidiums sind an diesem Morgen daher nur Polizeipräsident Uwe Jacob, drei seiner Mitarbeiter und ausnahmsweise zwei Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“, die die morgendliche Runde begleiten dürfen – alle in ausreichendem Abstand zueinander. Die übrigen acht Teilnehmer sind per Videokonferenz auf zugeschaltet, entweder von zu Hause oder aus einem Nachbarbüro.

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Lage in Köln? „Ausgesprochen überschaubar“

Seit ein paar Wochen bespricht sich nach der „Neun-Uhr-Runde“ auch der Corona-Krisenstab der Behörde, in nahezu identischer Konstellation. Im Krisenstab werden Maßnahmen beraten und geplant, die mit der Pandemie zusammenhängen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ durfte die beiden Besprechungen am Donnerstag begleiten.

„Einen schönen guten Morgen aus dem sonnigen Köln-Kalk“, begrüßt Uwe Jacob seine Kollegen. Kripochef Stephan Becker gibt einen kurzen Überblick über die Kriminalitätsentwicklung in den vergangenen 24 Stunden. „Die Lage stellt sich ähnlich dar wie in den letzten Tagen und Wochen“, sagt Becker, „nämlich ausgesprochen überschaubar.“

Deutlich weniger Kriminalität auf Kölner Straßen

Unter anderem sechs Festnahmen, sieben Taschendiebstähle und ein einziger Wohnungseinbruch sind seit Mittwoch zu verzeichnen. Vor allem die Straßenkriminalität ist drastisch gesunken, seit Veranstaltungen verboten, Kneipen und Clubs geschlossen und die Menschen häufiger zu Hause sind. Viele scheinen auch den Kontakt zur Polizei derzeit eher zu meiden, zumindst den direkten. So hat sich die Zahl der Anzeigen, die Online statt auf einer Wache erstattet worden sind, in einer Woche auf nahezu 1300 verdoppelt.

Die Stadt, veründet Kripochef Becker, habe der Polizei am Mittwoch 400 neue Vorgänge wegen Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung übergeben. „Da müssen wir jetzt prüfen, ob Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten vorliegen“, sagt Becker. „Stellt uns aber nicht vor unlösbare Aufgaben.“

Illegale Griller am Niehler Rheinufer

Der Ton ist eher locker, der Ablauf professionell. Der Reihe nach berichten die Direktionsleiter kurz und knapp über besondere Vorkommnisse aus ihren Ressorts. Werner Gross, Verkehrsdirektion, meldet 121 Unfälle – weniger als üblich. Martin Lotz, Chef Gefahrenabwehr/Einsatz, berichtet von einer „ruhigen Nacht“ im Streifendienst, von Dealern auf dem Neumarkt („Da müssen wir in den nächsten Tagen wieder ein bisschen mehr machen“) – und von Grillern, die man am Niehler Rheinufer erwischt habe, obwohl Grillen in der Öffentlichkeit nach der Corona-Schutzverordnung verboten und mit einem Bußgeld belegt ist. „Wir werden das auch am Wochenende im Auge behalten“, kündigt Lotz an. „Das könnten teure Grillwürstchen werden“, stellt Uwe Jacob fest.

Sitzung des Krisenstabs folgt

Nach 20 Minuten geht die Lagebesprechung fast nahtlos in die Sitzung des Krisenstabs über, heute geführt vom Leitenden Polizeidirektor Klaus Rüschenschmidt. Drei weitere Teilnehmer werden dazu geschaltet, vorrangiges Thema sind angemeldete Versammlungen am Osterwochenende. Auch die sind derzeit nach der Schutzverordnung untersagt. Ausnahmen sind theoretisch zulässig. Eine Rechtsanwältin aus Baden-Württemberg hat für Samstag eine Demo mit 500 bis 1000 Teilnehmern in der Innenstadt angemeldet – ein Protest gegen ebenjene Corona-Vorschriften, die die Freiheiten einschränken.

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Aber der Krisenstab der Polizei ist sich einig: Bei so vielen Teilnehmern wäre das Abstandsgebot kaum zu händeln, der Infektionsschutz nicht einzuhalten. „Wir sollten im Moment gar keine Versammlungen stattfinden lassen“, fasst Jacob zusammen, „da sollten wir eine klare Linie fahren.“ Und er hat noch eine Bitte an den Vertreter der hauseigenen „Koordinierungsgruppe Corona“: Einige Dokumente und Handlungsempfehlungen für die eigenen Beamten seien im Intranet nicht auffindbar. „Botschaft angekommen, Problem erkannt, alles gut“, meldet der Leiter der

Abschied mit besten Wünschen

Koordinierungsgruppe, Andreas Sandvoß, via Monitor zurück. „Es wird alles gut, oder es ist alles gut?“, setzt Jacob nach. „Ist!“, kommt die Antwort zurück. „Es ist schon umgesetzt.“Dann geht es um Schutzkleidung und Atemmasken für die Beamten im Streifendienst und bei der Kripo. Sandvoß präsentiert die neuesten Zahlen, und die sind beruhigend, sogar mehr als das: Es sind so viele Masken der Schutzklassen FFP1 und FFP2 vorrätig und so viel Desinfektionsmittel und Einmalhandschuhe, dass die Runde sich einig ist, Material zu spenden. Denn weiterer Nachschub ist bereits unterwegs.

Eine Abfrage bei Wohlfahrtsverbänden habe ergeben, dass Seniorenheime und mobile Pflegedienste zu wenig hätten. Die Polizei will Masken abgeben – „am besten noch vor Ostern“, drängt Jacob. Später am Tag übergibt eine Streife FFP1-Masken an sieben Verbände und Einrichtungen. Nach einer Stunde ist die Sitzung des Krisenstabs beendet. Jacob wünscht seinen Kollegen ein „entschleunigtes, sonniges Osterwochenende“.