Derzeit laufen die Dreharbeiten für die neue RTL+-Serie „Euphorie“, unter anderem auch in Köln. Wir waren an einem Drehtag im August dabei.
Dreharbeiten in Kölner BrauhausSo läuft es am Set der deutschen Adaption von „Euphoria“
In dem vergeblichen Versuch, seinen Körper etwas abzukühlen, öffnet der Tiger seinen Reißverschluss und zupft am T-Shirt darunter. Etwas besser geht es der Fee im kurzen Kleid oder dem Engel-Köbes, der sich über sein luftiges Tutu freut. Auch der junge Mann in heller Jeans und dazu passender Weste wedelt sich mit jener Luft zu – immerhin ist er darunter oberkörperfrei und schwitzt nicht wie der Fliegenpilz unter langem, flauschigem Stoff.
„Achtung, wir drehen wieder“, ruft der Aufnahmeleiter durch das Kölner Brauhaus. Reißverschlüsse werden wieder zugezogen und das Luft Zufächeln eingestellt. Wenn es heißt „und bitte!“, ist es kein Sommertag mit mehr als 30 Grad mehr – dann ist Winter. Es wird Karneval gefeiert.
„Euphorie“ spielt in Gelsenkirchen
Seit Juli und bis Ende November 2024 dreht die Kölner Produktionsfirma „Zeitsprung Pictures“ in Köln und Region im Auftrag von RTL+ den deutschen Ableger der israelischen Miniserie „Euphoria“. Die US-amerikanische Adaption der Dramaserie wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem gewann Zendaya Coleman einen Emmy Award als beste Hauptdarstellerin. Nachdem der Sender HBO „Euphoria“ so erfolgreich adaptierte, versucht sich RTL nun an einer deutschen Version. Das Projekt des jungen Regie-Duos André Szardenings und Antonia L. Schmidt wurde von der Film- und Medienstiftung NRW mit der Spitzenförderung von 1,5 Millionen Euro für acht 45-minütige Episoden gefördert.
Die Drehbücher für „Euphorie“ – der Serientitel wurde für die deutsche Adaption eins zu eins aus dem Englischen übersetzt – stammen von Headautor Jonas Lindt, Raquel Kishori Dukpa, Paulina Lorenz und Antonia L. Schmidt. Inhaltlich soll es nah am Original bleiben, nur spielt die Serie eben in Gelsenkirchen, die Hauptfiguren tragen andere Namen und feiern Karneval.
Drogen, Sex, Gewalt: Deutsche Adaption soll „Euphoria“ in nichts nachstehen
Doch die Geschichte bleibt im Kern die Gleiche: Im Fokus steht die 16-Jährige Mila (Derya Akyol), die nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik wegen eines vermeintlichen Suizidversuchs zurück nach Hause, zurück an ihre alte Schule kommt. Drogenmissbrauch, psychische Probleme, Sex und Gewalt – „Euphoria“ beschönigt nichts und zeigt eindrucksvoll das Leben von Teenagern, die auf die schiefe Bahn geraten sind. Dem soll die deutsche Fassung in nichts nachstehen.
Vor dem Brauhaus zur „Schreckenskammer“ in der Kölner Altstadt strahlt die Sonne an diesem Drehtag gnadenlos auf den Asphalt. Im Schatten von St. Ursula und vereinzelter Pavillons versammeln sich junge, bunt kostümierte Menschen und warten auf ihren Einsatz. Insgesamt 81 Komparsinnen und Komparsen sind an diesem heißen Nachmittag gebucht worden, um die Karnevalsparty in der Schreckenskammer mit Leben zu füllen. Gedreht wird von Nachmittag bis in die Nacht – auf dem Plan stehen insgesamt 14 verschiedene Bilder, also kleine Sequenzen, die zwischen einigen Sekunden bis wenige Minuten lang sein können.
Jedes Bild wird in verschiedenen Einstellungen gedreht, manchmal dauert es eine ganze Stunde Drehzeit, um nur fünf Sekunden auf dem Bildschirm zu füllen. Mehrere Tage hintereinander dreht das Team im Brauhaus die Partyszenen, die gegen Ende der ersten Staffel der Serie spielen. Schwarzer Molton hängt draußen vor den Buntglasfenstern, damit kein Licht eindringt. Von der Decke hängen Luftschlangen und Girlanden, auf den Stehtischen stehen Kölschgläser – gefüllt mit Apfelschorle, in manchen Fällen auch alkoholfreiem Kölsch, je nachdem wie abgestanden oder frisch das Bier aussehen soll.
„Ruhe bitte!“, ruft der Aufnahmeleiter durch das Brauhaus. Der Kameramann macht sich hinter seiner Kamera mit dem oberschenkeldicken Objektiv bereit, der Tonassistent richtet die Tonangel über den Hauptdarstellern aus. Auf Stichwort klingt aus den Boxen „Pirate“ von Kasalla. Die Komparsen im Hintergrund der Szene fangen an zu tanzen. Damit hören sie auch nicht auf, als die Musik wieder ausgeht – während die Hauptdarsteller sprechen, darf es keine störenden Geräusche geben, die Musik wird später im Schnitt wieder über die Szene gelegt.
Neben dem Gespräch der Schauspieler ist im Brauhaus dann nur das leise Wischen der Schuhsohlen auf dem Holzboden zu hören, die Komparsen tanzen zu Musik, die nur sie selbst hören und unterhalten sich miteinander, ohne tatsächlich einen Ton von sich zu geben. „Danke!“, ruft der Aufnahmeleiter – das Bild ist im Kasten. Zu sehen sind die Szenen dann im kommenden Jahr bei RTL+.