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Vom römischen Reich bis zur NazizeitDie jüdische Vergangenheit Kölns

Lesezeit 4 Minuten
Synagoge Köln

Die Synagoge an der Roonstraße

Köln – Es war ein eisiger Februarmorgen des Jahres 1960, als Jutta Bohnke-Kollwitz, eine Enkelin der Künstlerin Käthe Kollwitz, ihren neuen Arbeitsplatz antrat. Nicht irgendeine Stelle: Sie war zur ersten Leiterin der Germania Judaica ernannt worden, einer deutschland-, ja europaweit einzigartigen Bibliothek mit Literatur zum deutschen Judentum in der Kölner Merlostraße. Als Jutta Bohnke-Kollwitz ihren Bestand betrachtete, staunte sie nicht schlecht. In einem frostigen Arbeitsraum erblickte sie magere 180 Bände, immerhin verstaut in einem verglasten Bücherschrank.

Der bescheidene Beginn der Bibliothek markiert indes einen entscheidenden Wendepunkt in der Kölner Nachkriegsgeschichte im Hinblick auf die Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte. Die Gründungsmitglieder um Heinrich Böll wollten nicht länger hinnehmen, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten verdrängt wurden, dass insbesondere das jüdische Leben im Land des Holocaust einem kollektiven Gedächtnisverlust zum Opfer fiel.

Wenn am heutigen Donnerstag der Grundstein für das Jüdische Museum gelegt wird, besitzt Köln bald ein weiteres Haus, das in der Tradition der Bibliothek Vorurteile durch Wissen bekämpfen will.

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Synagoge durch Kaiser geschützt

Köln blickt auf ein reiches und tief verwurzeltes römisches Erbe zurück, das man in den 50er Jahren mit einem „Fahrstuhl in die Römerzeit“ in den Mittelpunkt des Interesses rückte. Doch die Stadtmauern der Colonia Claudia Ara Agrippinensium beherbergten bereits in der Antike eine jüdische Gemeinde – es ist die älteste diesseits der Alpen.

Belegt wird diese Tradition durch ein Dekret des Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 an den Rat der Stadt Köln: „Allen Behörden gestatten wir durch allgemeines Gesetz, die Juden in den Stadtrat zu berufen.“ Man vermutet, dass bereits damals das Gemeindezentrum in dem Areal lag, das auch im Mittelalter Schauplatz des jüdischen Lebens in der Stadt war – das Geviert zwischen Kleiner Budengasse, Unter Goldschmied, Obenmarspforten und Judengasse.

Mit einer zweiten Urkunde aus dem Jahr 341 wird die Kölner Synagoge unter den Schutz des Kaisers gestellt. Diese Jahre und das frühe Mittelalter dürften für die jüdische Gemeinde der Stadt also eine relativ ruhige Epoche, eine Zeit der Teilhabe und des Respekts gewesen sein. Der Kölner Kaufmann Isaak etwa fand sich an der Wende vom achten zum neunten Jahrhundert in der Nähe zweier Superherrscher wieder: Als Gesandter Karls des Großen reiste er nach Bagdad, um am Hof des abbasidischen Kalifen Harun al-Rashid diplomatische Dienste zu tun. Offenbar mit Erfolg. Isaak kehrte mit einem Elefanten als Geschenk ins Rheinland zurück.

Kölner Massaker an Juden

Wie alle Juden, so gedachten auch die Mitglieder der Kölner Gemeinde zu Pessach des Auszugs aus Ägypten mit den Worten: „Nächstes Jahr in Jerusalem.“ Mehr und mehr wurde die Stadt indes zum Objekt christlicher Eroberungsgelüste, und nach dem Aufruf von Papst Urban II. im Jahr 1095 zum Kreuzzug bekamen sie das auch am Rhein zu spüren: die Juden wurden als „Christusmörder“ verunglimpft, es kam zu religiös motivierten antisemitischen Pogromen.

In Köln kulminierten diese 1349 im „Judenbrand“, einem regelrechten Massaker, zu dem christliche Hassprediger anstifteten. Später kam nach klassischem Sündenbock-Muster noch hinzu, dass man die Juden als „Brunnenvergifter“ für die Pest verantwortlich machte.

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Die Gemeinde erholte sich über Jahrhunderte hinweg nicht; weder der Rat noch der Erzbischof geboten dem Mob Einhalt, im Gegenteil: 1424 mussten die verbliebenen Juden die Reichsstadt „auf ewig“ verlassen. Viele siedelten sich daraufhin im Rechtsrheinischen an; erst in der Franzosenzeit kehrten Juden wieder zurück.

Seiner weit zurückreichenden jüdischen Tradition zum Trotz bildete Köln im Vergleich zum übrigen Deutschland keine Ausnahme, was den erbitterten Antisemitismus betrifft – auch nicht in der Nazi-Zeit, obwohl man im Nachhinein gern eine Art kölschen Widerstandsgeist beschwor. Der judenfeindliche Zynismus eines Rosenmontagswagens spricht eine andere Sprache, und im NS-Dokumentationszentrum am Appellhofplatz kann man sich heute über die zahllosen Deportationen aus der Stadt informieren. Wie die Germania Judaica, mittlerweile in der Zentralbibliothek beheimatet und auf einen Bestand von 85.000 Titeln angewachsen, trägt auch das NS-Dok zur Erinnerung an die Kölner jüdische Vergangenheit bei. Und es bleibt glücklicherweise nicht bei der Erinnerung. Köln ist wieder Heimat zweier jüdischer Gemeinden.

Die Grundsteinlegung

Ein Sandstein des Kölner Doms bildet den Grundstein des Jüdischen Museums, der heute um 14 Uhr in Anwesenheit des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet gelegt wird. Der Entwurf für das Museumsgebäude am Rathausplatz stammt vom Saarbrücker Architekturbüro Wandel Hoefer Lorch + Hirsch und wird die Archäologische Zone und das Jüdische Museum verbinden. Das Museum soll den Namen „MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“ tragen, wie der Landschaftsverband Rheinland bekanntgab. Nach langem politischem Streit wird die Stadt Köln das Museum bauen sowie Gebäude und Bodendenkmal unterhalten. Mit Fertigstellung übernimmt der LVR die Trägerschaft des Museums, um es als LVR-Dienststelle unter der Leitung von Thomas Otten zu führen.

Im Museumsneubau wird eine Dauerausstellung die jüdische Geschichte und Kultur Kölns dokumentieren. Wechselausstellungen sollen weitere Facetten der 2000-jährigen Geschichte des Ortes präsentieren. Im Untergrund des Rathausplatzes führt ein 600 m langer Rundgang zu archäologischen Zeugnissen der Kölner Stadtgeschichte und des Rheinlandes: das römische Praetorium, das mittelalterliche jüdische Viertel und das Goldschmiedeviertel. (F.O.)