Trotz viel KritikWarum Kopfsteinpflaster in Köln eine Renaissance erleben
- Fahrradfahrer werden auf Kopfsteinpflaster durchgerüttelt, wenn Autos darüber fahren, wird es laut, die Verlegung ist teuer.
- Es gibt inzwischen wenig Argumente für diese Form des Bodenbelags, außer: Sieht hübsch aus.
- Dennoch erlebt der rustikale Straßenbelag eine Renaissance. Die Hintergründe.
Köln – Der natürliche Gegner von Stöckelschuhen ist eine Ansammlung von etwa 14 mal 18 mal 18 Zentimetern großen Quadern aus Bergischer Grauwacke. Es verlangt schon einige Aufmerksamkeit, unbeschadet mit Pfennigabsätzen über Kopfsteinpflaster zu gehen, ohne in die Zwischenräume der grob gehauenen Blöcke zu rutschen.
Fahrradfahrer werden auf dem Bodenbelag durchgerüttelt, wenn Autos darüber fahren, wird es laut, seine Verlegung ist teuer – es gibt inzwischen wenig Argumente für Kopfsteinpflaster, außer: Sieht hübsch aus.
„Heute hat es vor allem gestalterische Funktion. In der Altstadt zum Beispiel möchte man das Flair erhalten“, sagt Kai Lachmann vom Amt für Straßen und Verkehrstechnik bei einem Rundgang mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die einen lieben die Klötze wegen ihrer urigen Aura, andere verteufeln sie als unpraktisch und veraltet. „Kopfsteinpflaster ist immer ein Kompromiss“, weiß Lachmann.
Niemand weiß, unter welcher Straßendecke er sich verbirgt
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war es der bestimmende Straßenbelag, dann setzt sich Asphalt durch. Außer dort, wo Kopfsteinpflaster zu sehen ist, weiß niemand, unter welcher Straßendecke es sich noch verbirgt. Ein Kataster dazu, wie es manche anderen Städte haben, gibt es in Köln nicht, sagt Lachmann. „Wir sind manchmal überrascht, wenn wir eine Straße aufmachen.“
In Köln gibt es Kopfsteinpflaster als Straßenbelag vor allem aus Bergischer Grauwacke, manchmal auch aus Granit oder Basalt. Auch die deutlich kleineren Katzenkopfpflastersteine sind zu finden, oft in Kombination mit ihren großen Geschwistern. In den Straßen der Altstadt sind viele Formen und Gesteinsarten zu finden. Aber auch in anderen Teilen Kölns ist Kopfsteinpflaster wichtiger Bestandteil der Stadtgestaltung. Etwa in der Siedlung „Weiße Stadt“ in Buchforst, wo es sogar unter Denkmalschutz steht.
Stadt muss sich Natursteine leisten können
Die raue Ästhetik der grauen Natursteine muss sich die Stadt leisten können. Etwa 250 Euro kostet nach Worten Lachmanns ein Quadratmeter Straße aus Bergischer Grauwacke, bei Basalt lägen die Preise sogar bei 340 Euro pro Quadratmeter. Die handelsübliche Asphaltdecke ist da mit 110 Euro vergleichsweise günstig. Aus Beton gegossene Pflastersteine, wie sie gern auf Platzflächen benutzt werden, schlagen ebenfalls mit 110 Euro pro Quadratmeter zu Buche.
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Kopfsteinpflaster zu verlegen ist aufwendig. In einem Steinbruch werden die Klötze maschinell gebrochen oder gesägt und müssen Stück für Stück in Handarbeit verlegt werden. Da kein Stein wie der andere ist, entstehen die berüchtigten Lücken. Um die zu entschärfen, experimentiert die Stadt mit hartem Füllmaterial für die sonst nur mit Splitt angereicherten Fugen, zum Beispiel Epoxidharz. Feste Fugen erleichtern zudem die Reinigung. „Früher mussten die Fugen ein- bis dreimal pro Monat von Hand gereinigt werden. Heute können wir den Schmutz meistens mit Maschinen absaugen“, erklärt Lachmann. Der Nachteil versiegelter Fugen: Der Abfluss von Wasser ist komplizierter, weil es nicht über die Lücken ins Erdreich rinnen kann.
Verkehr der größte Feind
Der historische Charme des Kopfsteinpflasters ist indes nicht immer eine gute Lösung. Radfahrer und Fußgänger haben auf dem unebenen Belag ihre liebe Müh. Als Verkehrsberuhigung hält es zwar Autofahrer vom Rasen ab. Von Ruhe kann wegen der starken Rollgeräusche jedoch keine Rede sein.
„Autoverkehr ist der größte Feind des Pflasters“, sagt Lachmann. Die große Anzahl an Pkw und das hohe Gewicht der Lkw lockern die Steine, bis sie aus dem Verbund brechen. Da Reparaturen aufwendig sind, werden die Löcher oft provisorisch mit Asphalt gestopft. Ein solcher Flickenteppich ist auf der Großen Neugasse zu bestaunen: Das Katzenkopfpflaster ist übersät mit Fehlstellen.
Verwaltung macht Deal mit den Straßenbauunternehmen
Wenn die Verwaltung bei der Erneuerung eines Asphaltbelags auf Kopfstein stößt, lautet die Frage: Drinlassen oder rausnehmen? Günstiger ist es, das Pflaster im Boden zu lassen und den Asphalt darüber aufzubringen, sagt Lachmann. „Die Steine drücken sich aber nach einer Zeit durch. Das hält meistens nur zehn bis 15 Jahre“, so der Experte.
Um einiges teurer ist es, die Steine zu entfernen. Immerhin mache die Verwaltung in einem solchen Fall oft einen Deal mit den Straßenbauunternehmen, erklärt Lachmann. Die Firma darf die Steine behalten und weiterverkaufen. Der Erlös daraus wird dann von den Kosten für die neue Straßendecke abgezogen. Verkauft wird pro Tonne, der Preis variiert je nach Zustand der Steine.
„Manchmal muss man um das Pflaster kämpfen“, sagt Lachmann. Der günstige, schnell aufgebrachte Asphalt ist in Zeiten klammer Stadtkassen verlockend. Zudem füge sich altes Pflaster oft so harmonisch in einen Straßenzug ein, dass „die Leute es gar nicht wahrnehmen. Aber das Bewusstsein dafür kommt jetzt langsam wieder“, weiß Lachmann. Für ihn ist das alte Kopfsteinpflaster „eine Herzensangelegenheit“, mit der er sich auch in seiner Freizeit befasst: „Ich habe auch Pflaster in meinem Garten. Man kann irgendwie nicht davon lassen.“