Den Sparplänen der Stadt könnte der Sportsektor zum Opfer fallen. Was Kölner Vereine befürchten und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.
„Armutszeugnis“Wie Kölner Vereine auf die geplanten Kürzungen im Sport reagieren
Seit 2016 wartet der SV Botan Köln auf einen Kunstrasenplatz. 2023 sollte dieser eigentlich fertig sein. Doch der Kreisligist an der Von-Bodelschwingh-Straße in Höhenhaus spielt noch immer auf einem holprigen Aschenplatz Fußball. Die Hoffnung, dass sich daran in nächster Zeit etwas ändert, hat Vereinsvorsitzender Beyaztas Senol aufgegeben, seit die Haushaltsentwürfe der Stadt Köln bekannt geworden sind.
Im Bereich Sport drohen Kürzungen von rund 20 Millionen Euro, befürchten der Stadtsportbund und die „Allianz Kölner Sport“. Ende vergangener Woche hatten sich zahlreiche Vereine in einem offenen Brief an die Verwaltungsspitze und Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) gerichtet (wir berichteten).
Sportstadt Köln: Kürzungen in Millionenhöhe befürchtet
„Dann bleiben Zustände hier so, die eigentlich nicht mehr zumutbar sind“, sagt Senol. In den heruntergekommenen Kabinen- und Duschräumen hängt seit Monaten ein Hinweisschild der Stadt. Darauf wird vor zu warmen Wasser gewarnt, das aus den Duschen kommt. „Das ist kochend heiß, da kann man sich übel verbrühen“, sagt der Vereinsvorsitzende. Zumindest ein Problem konnte zuletzt behoben werden: Wenn die Duschen oder die Toilettenspülung benutzt wurde, schwappte das Schmutzwasser aus einem vor dem Verkaufs-Kiosk gelegenen Gully. In kürzester Zeit bildete sich eine bestialisch stinkende Lache.
Doch das ist noch nicht alles: Laut Senol sollen sich unter dem Aschenplatz zwei Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg befinden. Ein Sprecher der Stadt Köln stellt klar, dass sich „Hinweise auf einen möglichen Bombenblindgängerverdacht ergeben“ haben. Vorausgegangen war eine Auswertung von Luftbildern aus dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen einer geplanten Baumaßnahme. „Sondiert wird aber grundsätzlich erst, wenn konkret mit dem Bau begonnen werden soll“, so der Sprecher weiter. Dieses Prozedere entspreche der üblichen Vorgehensweise. Wegen der Vielzahl solcher Blindgängerverdachte im Stadtgebiet werde nur dann sofort gehandelt, wenn eine konkrete und akute Gefahrenlage bestehe. Dies sei hier aus Sicht der städtischen Kampfmittelexperten nicht der Fall.
Die Lage, mit der die Kölner Sportvereine durch die Haushaltsentwürfe der Stadt konfrontiert sind, scheint paradox. Selten war die Nachfrage nach den Bewegungsangeboten so groß. Die Wartelisten sind lang, Übungsleiter fehlen – und das trotz zahlreicher maroder Hallen und Anlagen.
„Es ist ein Armutszeugnis, die Axt in diesem Bereich anzulegen“, kritisiert etwa Holger Dahlke, Vorstand vom MTV Köln, der das Schreiben gemeinsam mit rund 20 weiteren Vereinen unterzeichnete. Die Investitionssumme in Hallen und Sportplätze solle in den nächsten Jahren um 96 Prozent reduziert werden. Das bedeute eine „Streichung fast aller geplanter Sportprojekte“ und eine „Rücknahme nahezu jeder Investition in Vereinsheime, Sportanlagen oder Kunstrasenplätze“, heißt es in dem Schreiben.
„Wir haben schon lange keinen Goldstandard mehr“, sagt Dahlke. „Das ist die Holzklasse, mit der die selbsternannte Sportstadt Köln hier unterwegs ist.“ Komme es zu den Kürzungen, sei auch der 6000 Mitglieder umfassende Breitensportverein in Buchheim betroffen. Für die Neugestaltung der Sportanlage am Herler Ring sei ursprünglich eine Summe von 650.000 Euro vorgesehen gewesen. In den aktuellen Entwürfen „wurde die auf Null gesetzt“, berichtet der MTV-Chef. „Das ist für uns ein herber Schlag, da wir als gemeinnütziger Verein die Sanierung nicht aus Eigenmitteln stemmen können.“ Schon jetzt bröckele und tropfe es an allen Ecken der denkmalgeschützten Anlage.
Kölner Sport rechnet mit Kürzungen von 20 Millionen Euro
Ein scheiterndes Bauprojekt befürchten auch die Cologne Crocodiles. Eigentlich sei der Bau eines Football-Leistungszentrums in Köln geplant. Gefördert werde das 1,2-Millionen-Euro-Vorhaben zwar auch vom Land. Wenn die Stadt den Neubau nicht bezuschussen könne, liege das Projekt aber brach, sagt Timo Kohnert, Vorsitzender des Vereins. Neben dem Kunstrasenplatz in Chorweiler nutzen die Athleten seit mehreren Jahren ein Containerdorf, etwa für sanitäre Zwecke. „Es ist ein Witz, dass es die Stadt nicht hinkriegt, vernünftige Lösungen für Umkleiden und Sanitärräume zu finden“, kritisiert Kohnert. Die Kürzungspläne der Stadt empfinde er als Farce.
„Die Gesellschaft schimpft über die Jugend, die daddelnd vorm Computer hockt. Adipositas und andere Krankheiten nehmen zu. Und trotzdem soll uns das Sportleben erschwert werden?“ Das könne er nicht verstehen.
Marode Sporthallen sorgen in Köln für Ärger
Die Leidtragenden sind die Mitglieder, wie ein Beispiel vom DJK Wiking Köln zeigt. „Zwischenzeitlich waren drei unserer angemieteten Hallen gleichzeitig gesperrt“, erzählt Lars Görgens. Der Leiter der DJK-Geschäftsstelle befürchtet, dass nun weitere Schließungen auf den Verein zukommen könnten. Wegen Verlegung des Trainingsorts und fehlender Hallenkapazitäten müssten die Sportstunden gekürzt werden. Beispielsweise komme die Trampolingruppe statt auf zehn derzeit auf nur zwei Trainingsstunden wöchentlich. Manchmal sei gar kein Ersatz möglich.
„Der Anteil, den der Sport für die Gesellschaft leistet, ist bedeutender, als einigen Stellen der Stadt Köln vielleicht bewusst ist“, sagt der Sportwissenschaftler. Das gelte insbesondere für das Einzugsgebiet des DJK, der im Kölner Norden gerade finanziell schwächere Familien vereine. Das Horrorszenario für den Verein und seine Mitglieder: Beitragserhöhungen – und das versuchen sie in Chorweiler möglichst lange hinauszuzögern.
Das probiert auch die DJK Südwest, einer der mitgliederstärksten Vereine Kölns. Beitragsanpassungen drohen wohl eher kleinen, ehrenamtlich organisierten Klubs, die stärker auf Zuschüsse der Stadt angewiesen sind. „Für die stark zersplitterte Kölner Vereinslandschaft – es gibt viele Klein- und Kleinstvereine – brechen harte Zeiten an“, prognostiziert Michael Kosche.
Als Vorsitzender des Traditionsvereins im Kölner Südwesten habe er mit anderen Problemen zu kämpfen: mit langen Wartelisten. „Im Fußball, Basketball, Volleyball und im Turnen könnten wir zusammengerechnet 1000 Kinder und Jugendliche zusätzlich in Sport und Bewegung bringen, wenn wir die entsprechenden Sportstätten hätten.“ Doch von diesen stehen für den Breitensport schlicht zu wenig zur Verfügung. „So traurig es klingt: Wir als Sportverein verwalten den Mangel“, sagt er.
„Man kann nicht verstehen, warum flächendeckend, scheinbar ohne roten Faden, gekürzt werden soll“, sagt auch Anja Hogrefe, kommissarische Vorsitzende der Sportjugend Köln. Bislang geförderte Trainerausbildungen könnten den Sparplänen genauso zum Opfer fallen, wie die kostenlosen Sportkurse von „Kölle aktiv“.
Hogrefe und alle weiteren Unterzeichner fordern die Stadt daher auf, die Streichungen zurückzunehmen. Sonst drohe Köln der „Niedergang des Etiketts ‚Sportstadt‘ zur Sportwüste.“