„Völlig unverhältnismäßig“Ordnungsamt verhängt Bußgelder gegen Kölner Abiturienten
Köln – Die Schulzeit des Corona-Abiturjahrgangs 2021, sie endete traurig, fast unauffällig: Am vergangenen Freitag war der letzte Schultag der Kölner Abiturientinnen und Abiturienten. Sämtliche Feierlichkeiten wie Abifeten oder Abiturfeiern mit Eltern im festlichen Rahmen sind pandemiebedingt schon abgesagt. So ganz ohne Beisammensein oder das gemeinsame Gefühl von Abschied wollten dann aber doch nicht alle ihre zwölf Jahre Schulzeit zu Ende gehen lassen – trotz Corona: Nach ihrem letzten Schultag versammelte sich ein Teil der Abiturientinnen und Abiturienten der Gesamtschule Holweide draußen im Freien auf dem Areal vor der Schule. Laut den Schilderungen der Schüler standen sie in kleineren Gruppen mit Masken zusammen. Später kamen nach und nach noch Abiturienten des Herder-Gymnasiums dazu.
Bußgelder in Höhe von 250 Euro verhängt
Dann kamen Ordnungsamt und Polizei und griffen „rigoros und gnadenlos durch“, wie es der Schulpflegschaftsvorsitzende der Gesamtschule Holweide, Guido Kuschel formuliert. Gegen 54 Schülerinnen und Schüler erstattete das Ordnungsamt Anzeige. Ihnen droht nun ein Bußgeld wegen Verstoß gegen das Ansammlungs- und Kontaktverbot in Höhe von 250 Euro. Das kompromisslose Vorgehen des Ordnungsamtes sorgt bei Eltern und Schülern für Fassungslosigkeit: „Uns ist klar, dass das nicht richtig war. Wir haben gegen die Coronaregeln verstoßen und haben auch ein schlechtes Gewissen“, sagt eine Abiturientin, die dabei war, aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Aber die Reaktion von Polizei und Ordnungsamt sei sehr heftig gewesen: „Von allen Seiten kamen Einsatzwagen. Ein Freund wurde in den Polizeigriff genommen. Man hat ihm mit Handschellen gedroht. Meine Freundinnen und ich hatten richtig Panik.“
Auch Pflegschaftsvorsitzender Koschel hält das für „völlig unverhältnismäßig“. Die Jugend – speziell die Abiturienten haben ein Jahr auf alles verzichtet. Es gab keine Treffen und keine Partys. Und jetzt steht ihnen nach einem Schuljahr im Ausnahmemodus ein Abitur unter sehr schwierigen Bedingungen bevor“, erläutert der Schulpflegschaftsvorsitzende.
„Hätte man die Abiturienten nicht einfach auffordern können nach Hause zu gehen?“
Hinzu komme, dass man sich ja durch die Ausgangssperre nicht mal mit einem Mitschüler in einer Kleingruppe draußen treffen könne. „Muss man da so kompromisslos und ohne Fingerspitzengefühl agieren?“, fragt Koschel, selbst Vater einer Abiturientin. Natürlich hätten die Abiturienten gegen die Auflagen der Corona-Schutzverordnung verstoßen. Das stelle keiner in Abrede. „Aber hätte man die Abiturienten nicht einfach auffordern können die Versammlung aufzuheben und nach Hause zu gehen? Wer dann nicht gegangen wäre, der wäre dann selber schuld gewesen und wäre zu Recht angezeigt worden.“ Auch die Abiturientin bekräftigt: Wir wären direkt gegangen und erleichtert gewesen, davonzukommen." Wenn sich Schüler an ihrem letzten Schultag Tag versammeln, werde das so massiv geahndet, aber „Querdenker dürfen mit 1000 Leuten ohne Abstand demonstrieren, ohne sanktioniert zu werden“, so Koschel. Da stimme das Verhältnis nicht.
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Mindestens 150 Personen vor Ort
Das Ordnungsamt rechtfertigt seinen Einsatz. Es habe sich nicht um eine kleine Versammlung gehandelt. Als Polizei und Ordnungsamt eintrafen, habe es sich auf dem Areal um mindestens 150 Personen gehandelt, viele seien sofort geflohen als die Beamten eintrafen. Nicht alle hätten Masken getragen. „Es gibt kein Handlungsermessen bei einer Ansammlung von solcher Größe“, betonte Stadtsprecher Robert Baumanns. „Das Ordnungsamt musste im Rahmen der Gefahrenabwehr aktiv werden zum Schutz der Bevölkerung.“ Auch Schülerinnen und Schüler kennen die Corona-Regeln, hieß es. Man sei vielmehr enttäuscht, wie Eltern angesichts der brisanten Infektionslage das Verhalten ihrer Kinder bewerten. Köln steuere auf eine Inzidenz von 200 zu und die Lage auf den Intensivstationen sei bedrohlich. Bei allem Verständnis für das Bedürfnis der Abiturienten, könnten im Rahmen der Gleichbehandlung für bestimmte Gruppen keine Sonderrechte geltend gemacht werden. „Alle Menschen leiden unter der aktuellen Situation und den damit verbundenen harten Einschränkungen“, so der Sprecher.
Neben dem Bußgeldverfahren laufen die Ermittlungen, um einen Veranstalter oder Verantwortlichen der Zusammenkunft zu ermitteln. Auch das Schulverwaltungsamt sei über den Vorgang informiert worden.