Kölner Äbtissin über Führungskräfte„Frauen sind sicherer im emotionalen Bereich“
- Die Benediktinerin Sr. Emmanuela ist durch ihre kritische Haltung zu den Vorgängen in der katholischen Kirche über die Grenzen von Köln hinaus bekannt geworden.
- Nun hat sie das Buch „Die Kunst des Leitens“ geschrieben. Es erscheint am 14. Februar, nur wenige Wochen bevor Kardinal Woelki nach fünf Monaten Auszeit wieder die Leitung des Kölner Erzbistums übernehmen will.
- Im Interview spricht Sr. Emmanuela über ihre Idee einer guten Führungskraft, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Leitung sowie den Umgang mit den Missbrauchsfällen in der Kirche.
Köln – Sie sind Priorin eines Klosters, das zu den wenigen in Deutschland gehört, in denen es keine Nachwuchsprobleme gibt. Was ist Ihr Geheimrezept?Gemeinschaft. Ich bin als Leitung nicht die Macherin, das mag ich nicht, ich bin Moderatorin und Impulsgeberin. Ich erkläre es gerne mit dem Bild vom Tanzen: Wenn Ihr Partner Sie schubst beim Tanzen, ist der Tanz schnell vorbei; wenn er versucht Sie zu dominieren, kommen Sie nie in ein wirkliches Flow-Erlebnis. Es klappt nur, wenn Sie sich gemeinsam auf die Musik einlassen, und dann gibt es immer noch die sanfte Führung, den Impulsgeber.
Leiten Frauen besser als Männer?
Anders glaube ich. Atmosphäre schaffen, Selbstbestimmung zulassen und Wertschätzung ausdrücken, diese sogenannten Soft Skills beherrschen Frauen besser als Männer. Frauen sind stärker gemeinschaftsorientiert und auf jeden Fall sicherer im emotionalen Bereich. Außerdem finde ich Frauen effektiver. Ich schreibe dazu in dem Kapitel „Effektivität“.
Was war der konkrete Anlass für dieses Buch?
Die Anregung zum Buch kam von außen. Das Thema „Leitung“ hat mich dann so beschäftigt, dass ich an einem Nachmittag das Inhaltsverzeichnis geschrieben habe. Schnell habe ich gemerkt, dass ich nur aufschreibe, was ich persönlich erlebt habe auf dem Weg zur Priorin. Ich musste mir nichts ausdenken, innerhalb von vier Wochen war das Buch fertig.
Wer sollte Ihr Buch lesen?
Es betrifft alle. Leitung ist ein großes Thema in unserer Zeit, es gibt viele Menschen, die unter Leitung leiden oder mit Leitung überfordert sind. Das Buch ist kein klassischer Ratgeber, es ist mein persönlicher Erfahrungsschatz. Zugegeben: Die Geschichte ist exotisch, weil es die Geschichte einer Nonne ist.
Schwester Emmanuela
Die Kölner Benediktinerin Sr. Emmanuela, die durch Ihre kritische Haltung zu den Vorgängen in der katholischen Kirche über die Grenzen der Domstadt hinaus bekannt geworden ist, hat das Buch „Die neue Kunst des Leitens“ geschrieben.. Ihr Buch erscheint am 24. Februar, eine Woche bevor Kardinal Woelki nach fünf Monaten Auszeit wieder die Leitung des Kölner Erzbistums übernehmen will.
Sr. Emmanuela Kohlhaas trat als 20-Jährige in den Orden der Benediktinerinnen ein. Die heute 61-Jährige ist inzwischen Priorin der Kölner Benediktinerinnen und leitet das Kloster in Raderthal mit 31 Schwestern. Sie studierte Musikwissenschaft, Psychologie und vergleichende Religionswissenschaften an der Uni Bonn und promovierte in Musikwissenschaften. Bis 2009 lehrte sie an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. In den Jahren 2010 bis 2012 absolvierte sie den Masterstudiengang Supervision, Coaching und Beratung in der Arbeitswelt. Während ihrer elfjährigen Amtszeit als Oberin konnte das Kölner Kloster personell expandieren.
„Top down war gestern“, steht auf Ihrem Buchcover. Was meinen Sie damit?
Begriffe wie Chefin, Big Boss, Papst oder König stehen für eine Kultur, die stark von einem Top-down-Führungsverständnis geprägt ist. Heute geht es aber vielmehr um Moderation und Koordination auf Augenhöhe. Nur so können sich Expertise und Kreativität aller entfalten.
Sie sind als Ordensschwester Teil der Institution Kirche, die seit Jahrhunderten hierarchisch geführt wird. Ihre These erfordert gerade von der Kirche ein radikales Umdenken. Ist das realistisch?
Während bei den Bischöfen noch Absolutismus herrscht, sind in den Ordensgemeinschaften eine auf Zeit gewählte Leitung und gemeinsame Entscheidungsfindung völlig normal. Wenn die Kirche sich nicht in diese Richtung bewegt, wird sie in dieser Form bald Vergangenheit sein oder in einer Nische als Sekte übrigbleiben, denn diese hierarchischen Strukturen sind völlig aus der Zeit gefallen, auch deshalb sind die Beschlüsse des Synodalen Weges wie auch der weltweite synodale Prozess ein starkes Signal. Allerdings müssen auf die Texte jetzt auch Taten folgen.
Viele Gläubige sind enttäuscht oder gar entsetzt über die Politik der Kirche und treten aus. Können Sie diese Menschen verstehen?
Da habe ich totales Verständnis. Ich wünsche allen, die an der Kirche leiden, dass sie sich ihre persönlichen spirituellen Wurzeln erhalten können. Ich finde, dass die christliche Botschaft selbst in Nichts überholt ist, ihre Leuchtkraft nicht verloren hat.
Missbrauchsfälle, Vertuschung, Schweigen, Gehorsam. Hätte man diese Vertrauenskrise durch einen anderen Führungsstil vermeiden können?
Ja, davon bin ich überzeugt. Wenn der Schutz der Institution oder der eigenen Position wichtiger ist als das Recht der Kinder auf Schutz und Unversehrtheit, dann ist das ein großes Leitungsproblem. Männerbünde, Klerikalismus, Opportunismus, Angst oder Ehrgeiz – das Problem hat tiefe Wurzeln.
Der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki steht massiv im Fokus dieser öffentlichen Kritik. Was hat er falsch gemacht?
Der Papst hat in seinem Brief, mit dem er Kardinal Woelki in die Auszeit geschickt hat, geschrieben, er habe große Fehler in der Kommunikation gemacht. Ich denke, das trifft es. Wenn das Vertrauen so tief zerstört ist wie derzeit in der Kirche von Köln, da ist kommunikativ definitiv was falsch gelaufen.
Veranstaltung
Am Dienstag, 22. Februar, spricht Moderator Simon Biallowons mit Schwester Emmanuela und Weihbischof Rolf Steinhäuser über das Thema Leitung in der Kirche. Anlass ist das neue Buch von Sr. Emmanuela. Das Gespräch findet statt in der Karl-Rahner-Akademie, Jabachstraße 4-8, 50676 Köln. Beginn ist um 19 Uhr. Die Teilnahme kostet 10 Euro. Anmeldungen werden erbeten: 0221 - 801078-0, info@karl-rahner-akademie.de
Mit dem Gutachten hat der Kardinal doch versucht aufzuklären?
Das Gutachten hätte ein wichtiges Signal sein können. Der Kardinal hatte totale Transparenz versprochen, aber dann hat er dieses erste Gutachten wegen, wie es hieß, juristischer Fehler nicht veröffentlicht, sondern ein neues in Auftrag gegeben. Ich habe bis heute nicht verstanden, worin diese juristischen Fehler konkret bestehen. Dieser Vorgang bleibt intransparent. So wurde die Ankündigung totaler Transparenz zur kommunikativen Katastrophe.
Am. 2. März soll Kardinal Woelki wieder ins Amt zurückkehren. Wäre ein Rücktritt des Kardinals angesichts des Vertrauensverlustes nicht ein Zeugnis von Größe?
Das wäre es. Ich denke, es wird sich nach der Rückkehr schnell zeigen, ob ein Neuanfang möglich ist. Ein Weiter-so wie bisher, das wird wahrscheinlich in einer weiteren Katastrophe enden.
Weihbischof Steinhäuser hat den Erzbischof während seiner päpstlich verordneten Auszeit gut vertreten, das hört man auch von engagierten Katholiken. Hängt die Krise im Kölner Erzbistum vielleicht nicht nur am System Kirche, sondern vor allem an der Person Woelki?
Es ist völlig egal, in welchem System Sie sich bewegen. Bei der Kommunikation liegt es immer am Menschen, an der Person. Weihbischof Steinhäuser ist es erstaunlich schnell gelungen, Mauern zum Bröckeln zu bringen.
Sollte Kardinal Woelki Ihr Buch lesen?
Das würde mich freuen und ich hoffe, dass viele Menschen in meinem Buch etwas finden, das ihnen beim Thema Leitung hilft.