Kölner Brauerin mit BestnoteMarie Winter zeigt, wie sich die Bierbranche verändert
Köln – Wie sollte es auch anders sein: „Am Anfang war das eine Schnapsidee“, erzählt Marie-Christine Winter lachend bei einer Führung durch die Sünner-Brauerei. Aus der Schnapsidee sollte schließlich ihr Arbeitsplatz werden.
Als erste Frau hat die 25-Jährige dieses Jahr ihre Ausbildung zur Brauerin und Mälzerin in der ältesten Kölsch-Brauerei der Welt abgeschlossen. Und wie: Für ihre Bestnoten wurde sie bei einer Feier der Industrie- und Handelskammer mit anderen Top-Azubis ihres Jahrgangs Anfang November in der Motorwelt geehrt.
Es bewegt sich etwas in der Männerdomäne Bier
Wenn Winter in gelben Stiefeln und grüner Arbeitshose durch die denkmalgeschützten Hallen der Sünner-Brauerei führt und zwischen riesigen Maischbottichen und klirrenden Abfüllanlagen mit großer Routine erklärt, wie sie das älteste Kölsch der Welt braut, wird klar: es bewegt sich etwas in der Männerdomäne Bier. Dabei hatte sie ganz andere Pläne.
Denn eigentlich wollte Winter Lehrerin werden. Nachdem sie die Schule in ihrem Geburtsort Haltern am See abgeschlossen hatte, verschlug es Winter nach Dortmund zum Studieren. Als sie dann bei einem Praktikum das erste Mal vor einer Unterrichtsklasse stand, merkte sie: Das ist nichts für mich. Doch was nun?
Sie landete bei der Bundesagentur für Arbeit. Ein Test sollte Stärken und Interessen ermitteln. „Wie bei einem Persönlichkeitstest der Bravo“ habe sie sich gefühlt. Das Ergebnis lautete: Winter eignet sich zur Bierbrauerin. Klar, Bier hat sie schon immer gerne getrunken. Aber richtig ernst nahm sie die Empfehlung zunächst nicht. „Anfangs fand ich das witzig. Jeden Tag Bier bei der Arbeit trinken. Ist doch toll!“ Doch aus der Schnapsidee erwuchs schnell ein Interesse für den Beruf. Nach einer Brauereiführung war sie angefixt und bewarb sich kurz vor Einsendeschluss für die Ausbildung zur Brauerin und Mälzerin bei einigen Brauereien. So landete sie bei Sünner in Köln-Kalk.
Winter ist keine laute Persönlichkeit. Sie ist weder besonders kräftig gebaut, noch besonders groß. Immer wieder muss sie sich beim Sprechen gegen den Lärm der großen Abfüllanlagen anstrengen. Doch was man fürs Bierbrauen braucht, hat nichts mit den Klischeevorstellungen des starken, lauten Mannes zu tun: „Vor allem braucht man ein Interesse für Naturwissenschaften und für bio-chemikalische Prozesse. Und ein Talent für Mathematik schadet auch nicht.“
Nach der Arbeit wird weitergebraut
Wenn Winter erklärt, wie in der Maischpfanne Stärke zu Zucker wird und wie durch Hefe aus diesem Zucker Alkohol gewonnen wird, wird schnell die Faszination deutlich, die Weber für den Formenwandel von Hopfen, Malz und Hefe verspürt. Auch nach der Arbeit geht sie dieser Faszination nach. Zuhause steht eine eigene kleine Brauanlage. Im Garten pflanzt sie den Hopfen sogar selbst an. Und probiert an neuen Rezepturen herum.
Ob sie als Frau in der Männerwelt des Bieres anders behandelt wird? Winter ist zwiegespalten. In der Belegschaft fühlte sie sich auch als Frau sofort willkommen. Mit dummen Sprüchen oder Vorurteilen hatte sie nicht zu kämpfen. Und doch – ganz so wie ihre männlichen Kollegen hat man sie anfangs nicht behandelt. „Ein älterer Kollege hat beim Fässer abfüllen und beim Transport den Männern immer gesagt, dass sie mir das Schleppen abnehmen sollten. Obwohl ich das auch selbst hinbekommen hätte. Aber bevor so etwas angekommen ist, hat es schon ein bisschen gedauert.“
Dass ihr abgesehen davon so wenig Skepsis in der Sünner-Brauerei entgegenschlug, hat sicher auch damit zu tun, dass die Geschäftsführung ebenfalls weiblich ist. Astrid Schmitz-DuMont führt den Familienbetrieb schon seit 2006. Seit 1999 ist sie in der Branche. Auf die erste Frau in der hauseigenen Bierproduktion ist Schmitz-DuMont stolz.
Das könnte Sie auch interessieren:
Als „sensationell“ bewertet sie die Leistung der 25-Jährigen. Mit dieser Leistung ist Winter allerdings nach wie vor die Ausnahme. Die Industrie- und Handelskammer zählt unter 778 Azubis, die 2020 Bier brauen wollten, nur 90 Frauen. Das ist ein Anteil von knapp 12 Prozent. Im operativen Bereich sei das nicht anders. „Auch wenn wir hier in Köln mit gutem Beispiel voran gehen“, so Schmitz-DuMont.
Denn unüblich für die Branche werden in Köln gleich drei Brauereien von Frauen geführt. Unter anderem auch die Malzmühle, die Sünner im Oktober erst aufkaufte. Mit vereinten Kräften wollen die beiden Brauereien nun am Markt bestehen.
„Bier gilt einfach als Getränk des Mannes“
Trotzdem sagt Schmitz-DuMont: „Bier gilt einfach als Getränk des Mannes. Das ist nach wie vor so.“ Kein Wunder also, dass sich das auch in der Bierproduktion nieder schlägt. „Aber ich als Frau versuche natürlich dazu beizutragen, dass sich das ändert“, sagt Schmitz-DuMont.
Mit Marie-Christine Winter hat sie nun zumindest in der Sünner-Brauerei Verstärkung bekommen. Und auch Winter selbst kann vom Wandel der einstigen Männerdomäne Bier berichten. Auf ihrer Berufsschule gab es nur drei Frauen unter 50 angehenden Brauern. Trotzdem schaffte es neben Winter eine weitere Kollegin, die Ausbildung mit Bestnoten abzuschließen. Dass Männer also mehr von Bier verstünden – von dem Klischee kann man sich verabschieden.
Für Winter ist die einstige Schnapsidee schon längst zur Leidenschaft geworden. Die trägt sie mittlerweile sogar unter der Haut. Den linken Arm der 25-Jährigen ziert unter einem Bierglas eine Hopfenpflanze. Auch die Tattoos, so Winter, waren nicht von langer Hand geplant, sondern sind spontan entstanden. „Mein Freund, der auch hier arbeitet, hat einen Tätowierer im Bekanntenkreis. Und eines Tages dachten wir, dass sei eine gute Idee.“ Klingt sogar fast wie eine Schnapsidee. Aber mit Schnapsideen hat Marie-Christine Winter ja gute Erfahrungen gemacht.