Hildegund Laaff„In Sprache fallen“ – Die wohl Kölns älteste Buchhändlerin
Köln – Hildegund Laaff strahlt Ruhe aus. Von Workaholic keine Spur. Und doch: Sie will nicht aufhören zu arbeiten.
Die 80-Jährige ist die wohl älteste aktive Buchhändlerin der Stadt. „Der Austausch mit den Kunden ist etwas Schönes, etwas Lebendiges“, sagt Laaff. Außerdem halte die Tätigkeit fit. „Man erfährt immer wieder etwas Neues, und man muss ständig etwas anderes denken. Jeder Kunde hat ja einen anderen Anspruch, möchte etwas anderes.“
Zusammen mit Inhaber Carsten Saenger ist Hildegund Laaff Herz und Seele der Lengfeld’schen Buchhandlung am Kolpingplatz 1 in der Innenstadt. Fast jeden Tag ist sie dort, berät, verkauft, nimmt Bestellungen an. Sie packt Geschenke ein, organisiert Lesungen. Sie trifft Verlagsvertreter, wälzt Kataloge und entscheidet, was ins Sortiment kommt. „Wir legen Wert auf die Tiefe des Angebots“, sagt Laaff, „darauf, dass wir nicht nur Neuerscheinungen haben, sondern auch den Bestand der Literatur führen“. Zu Hause geht die Arbeit weiter, „denn man kann nur empfehlen, was man kennt“, sagt Laaff. Jeden Abend lese sie zwei bis drei Stunden lang – mit Genuss: „Ich habe ja mein Hobby zum Beruf gemacht.“
Ein Leben von Literatur geprägt
67 Jahre ist das her. In Stuttgart geboren und nach einer kriegsbedingt von mehreren Ortswechseln geprägten Kindheit begann Laaff im Alter von 13 Jahren als Aushilfe in einer Buchhandlung in Ludwigshafen. Der Literatur war sie da längst verfallen. „Mein Lieblingsbuch als Kind war »Pu der Bär«. Das hat meine Oma uns immer vorgelesen.
Als nächstes kamen, weil es im Buchbestand von meinem Onkel war, Abenteuerromane. So etwas wie »Robinson Crusoe«.“ Laaff erlebte die Literatur als Schlüssel zu anderen Welten. Das ist es, was sie bis heute am Lesen fasziniert. Hier die Fantasie, dort der Alltag. „Diese zwei Seiten hat doch, glaube ich, jeder“, sagt sie, „beides in Balance macht ein sehr gutes Leben“.
Zum Abschluss ihrer Lehre besuchte Laaff sechs Wochen lang die Buchhändlerschule in Rodenkirchen. „Danach bin ich zurück nach Hause, habe die Prüfung gemacht und ein Stellengesuch im Börsenblatt aufgegeben. Aus Köln kamen drei Antworten, und weil mir die Stadt gut gefiel, bin ich wiedergekommen. Und hängengeblieben“, sagt sie. Am 1. Oktober 1957 hatte Laaff ihren ersten Arbeitstag in Köln, damals noch in der Bücherstube am Dom.
Dort hatte sie prominente Kunden wie Georg Stefan Troller und Heinrich Böll. Als Organisatorin von Lesungen holte Laaff auch immer wieder namhafte Autoren in die Stadt. „Muschg, Walser, Canetti“, zählt sie auf, „José Saramago war hier, kurz bevor er den Nobelpreis bekommen hat. Inge Jens war großartig, Ralf Rothmann hochinteressant.“
Man kann sich gut vorstellen, wie Laaff, die Ruhe selbst, den Geistesgrößen souverän begegnete. Von einer Panne kann sie aber auch berichten: „James Baldwin war Gast für eine Lesung und ich habe ihn ins Hotel gebracht. Er hatte ein bisschen getrunken und war etwas wackelig auf den Beinen. Wir gingen über den Innenhof des Hotels, vorbei am Swimming Pool, und ehe ich mich versah, lag er im Wasser.“ Der amerikanische Essayist und Bürgerrechtler sei „klitschnass“ gewesen. Laaff bewahrte Haltung, brachte den triefenden Baldwin bis an die Zimmertür. „Für die Lesung hatte er zum Glück einen trockenen Anzug dabei.“
Hildegund Laaff fällt am liebsten in Sprache
Nicht Personen, nicht Ereignisse, sondern allein die Sprache kann Hildegund Laaff den Boden unter den Füßen entziehen, so scheint es. „Ich liebe Sprache. Sprache, in die man reinfallen kann“, sagt sie, „deshalb lese ich langsam. Ich lese jedes Wort. Ich bin kein Querleser, das kann ich nicht.“ Klassiker haben es ihr besonders angetan.
Sie liebt Fernando Pessoa „für seine umwerfenden Gedanken“. Sie verehrt Marcel Proust „für seine großartigen Beschreibungen“. Auch Miguel de Cervantes’ „Don Quijote“ und Uwe Johnsons „Jahrestage“ stehen bei ihr ganz hoch im Kurs. Beide Mammutwerke wurden auf Laaffs Initiative vollständig in einer Reihe von Lesungen in der Lengfeld’schen vorgetragen.
Für ihren Beitrag zum kulturellen Leben in der Stadt hat Hildegund Laaff 2014 den Ehrenpreis des Kölner Kulturpreises erhalten. Darauf ist sie stolz, ebenso wie auf den Deutschen Buchhandlungspreis, den die Lengfeld’sche 2015 und 2016 erhalten hat. „So ein Preis muss nicht einmal dotiert sein. Die Anerkennung ist etwas Schönes“, sagt Laaff. Sie ist nicht nur eine leidenschaftliche Gestalterin, sondern eine ebenso rege Teilnehmerin des kulturellen Lebens in Köln.
Laaff, die verwitwet ist, besucht regelmäßig klassische Konzerte. Auch Oper und Schauspiel ist sie im Ausweichquartier treu geblieben. „Ich fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln hin, und meistens treffe ich vor Ort Bekannte oder langjährige Kunden, die mich nach der Vorführung nach Hause bringen. In all den Jahren musste ich nur einmal den Bus zurück nehmen“, sagt sie. Wer seit 60 Jahren in Köln im Buchhandel tätig ist, der kann selbstverständlich die Ruhe selbst sein und trotzdem bekannt wie ein bunter Hund. Wie lange sie noch arbeiten will? „Solange ich denken und gehen kann.“
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