Dom-GeheimnisseDieser Plan ist die kostbarste Archivalie der Kölner Kathedrale
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Den Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölnerinnen und Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
In dieser Folge geht es um die kostbarste Archivalie des Kölner Doms: Den Fassadenplan F aus der Zeit um 1280. Dass dieser Plan heute in Köln ist, ist ein „mittleres bis großes Wunder“.
Köln – Wow-Erlebnisse gibt es viele im Dom. Aber nirgends werden sie so effektvoll inszeniert wie in der Johannes-Kapelle im Chorumgang. An der linken Seitenwand gibt es einen zweigeteilten grünen Vorhang.
Mit einem einfachen Seilzug lässt er sich seitwärts nach links und rechts bewegen und gibt so den Blick frei auf die kostbarste Archivalie des Doms: den originalen Bauplan der Westfassade und der beiden Türme aus der Zeit um 1280, drei Jahrzehnte nach der Grundsteinlegung des Doms. „Das ist er!“, möchte man jedes Mal ausrufen, wenn der Vorhang wegschwingt. Natürlich hat der dramaturgische Effekt konservatorische Gründe. Die Zeichnung, braune Tusche auf Pergament, soll so selten wie möglich dem Tageslicht ausgesetzt werden.
Kölner Dom: „Fassadenplan F“ aus 20 Einzelstücken zusammengeklebt
Der „Fassadenplan F“, die größte erhaltene und am besten ausgeführte mittelalterliche Bauzeichnung, ist 4,05 Meter hoch und am unteren Blattrand 1,66 Meter breit. Weil Schafe, aus deren Haut das Pergament gefertigt wurde, nun mal nicht so groß sind, ist er aus 20 Einzelstücken zusammengeklebt. Dombaumeister in jener Zeit war ein gewisser Meister Arnold. Ihm wird folglich auch der Plan zugeschrieben.
Weniger eindeutig als die Urheberschaft des Plans ist die Technik der Ausführung. Wir wissen eigentlich nicht genau, wie Meister Arnold vorgegangen ist. Auf einem Tisch lassen sich vielleicht 50, 80 Zentimeter Fläche zeichnen – mehr nicht. Vermutlich gab es eine Art Rollvorrichtung, mit deren Hilfe der Zeichner sich Stück für Stück hocharbeitete. Tatsache ist: Alle Linien sind perfekt parallel, alle rechten Winkel haben exakt 90 Grad. Selbst die kleinsten Kreislinien sind penibel mit dem Zirkel ausgeführt. Die Einstichlöcher in der Kreismitte sind auf dem Pergament noch erkennbar.
Kölner Dom: Fassadenplan war lange verschollen
Während der französischen Besatzung Kölns wurde der Fassadenplan von den Revolutionstruppen verschleppt und war lange verschollen. Dann wurde er aber 1814 und 1816 in zwei Teilen wiedergefunden. Der eine Teil mit dem Nordturm lag in Darmstadt auf dem Dachboden des Gasthauses „Zur Traube“, wo die Wirtin Erbsen darauf trocknete. Dort entdeckte ihn ein Zimmermannsgeselle. Der andere Teil mit dem Mittelbau und Südturm fand sich in Paris bei einem Antiquar und konnte 1816 zurückgekauft werden.
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Die Auffindung des Plans und seine Rückführung nach Köln wirkte im frühen 19. Jahrhundert als Initialzündung für das große national-religiöse Projekt der Domvollendung. 1814 hatte der kunstbegeisterte Kölner Johann Boisserée den späteren preußischen König Friedrich Wilhelm IV. von der Idee überzeugt, den Dom zu vollenden.
Fassadenplan im Kölner Dom: „Ein mittleres bis großes Wunder“
Aber erst jetzt, nach Wiederauffindung der mittelalterlichen Zeichnung, bekam die Vision der Baumeister des 13. Jahrhunderts auch wieder sichtbare Gestalt. Der Fassadenplan bot die erforderliche Orientierung an der ursprünglichen Bau-Idee. Von spirituell durchdrungeneren Gemütern wurde das natürlich als Wirken und Wink Gottes interpretiert. Aber auch bei etwas profanerer Betrachtung wird man sagen können: Dass der Fassadenplan die Wirren der Französischen Revolution heil überstanden hat und letztlich nach Köln zurückgekehrt ist, das fällt schon in die Kategorie „mittleres bis großes Wunder“.
Gut verdeckt, hängt der Plan nun seit den 1980er Jahren im Dom und ist dort auch gut aufgehoben – einmal seiner Höhe wegen, die andernorts ein Problem wäre. Dann aber auch wegen des natürlichen Raumklimas, das sich im Dom immer nur sehr langsam ändert. Der Rahmen aus Eichenholz ist übrigens noch der originale aus dem 19. Jahrhundert, in den der Fassadenplan nach seiner Auffindung eingepasst worden war.