Köln – Benutzte Spritzen auf den Gehwegen, Dealer, die vor aller Augen ihre Geschäfte abwickeln und Junkies, die sich mitten in der Öffentlichkeit einen Schuss setzen – die Situation auf dem Neumarkt und in den umliegenden Straßen macht Anwohnern und Geschäftsleuten große Sorgen. Der im Mai eröffnete Drogenkonsumraum im Gesundheitsamt zieht neuerdings noch mehr Drogenabhängige in die Innenstadt, was wiederum auch mehr Drogenhändler anlockt. Und nun hat die Stadt angekündigt, die Öffnungszeiten für den Drogenkonsumraum noch ausweiten zu wollen.
Ab Mitte August, so der Plan, können Drogenabhängige das Angebot dann montags bis freitags bis 18.30 Uhr nutzen statt wie bislang bis 15.30 Uhr. Außerdem soll der Raum dann auch samstags geöffnet sein, ebenfalls bis 18.30 Uhr. Auch der Sonntag solle noch hinzukommen, teilte eine Sprecherin mit – wann genau, stehe aber noch nicht fest. Darüber hinaus sollen im Gesundheitsamt Aufenthaltsräume mit Beschäftigungsmöglichkeiten für die Süchtigen geschaffen werden.
Stadt Köln: Konsumraum beruhigt Situation auf Neumarkt
Manche Anwohner befürchten nun, dass die geplante Ausweitung des Angebots die Probleme nur noch weiter verschärfen wird. Die Rede ist von einer „Sogwirkung“, die der Drogenkonsumraum auf die Szene ausübe und somit auch auf die Begleitumstände wie Lärm, Vermüllung und soziale Verelendung. Die Stadt allerdings betont das Gegenteil: „Das Angebot wird gut angenommen. Die ersten Erkenntnisse der städtischen Kümmerer zeigen, dass während der Öffnungszeiten der Drogenkonsumräume der Neumarkt deutlich ruhiger und ansehnlicher erscheint“, sagt Stadtsprecherin Simone Winkelhog. Es seien in dieser Zeit merklich weniger Drogenkonsumenten auf dem Neumarkt und im Umfeld anzutreffen, auch die Verschmutzung sei in dieser Zeit geringer.
Kümmerer von Stadt und KVB sind täglich im Einsatz
Während Anwohnerinnen und Anwohner und auch die Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt e.V. berichten, dass sich die Zustände auf dem Neumarkt in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert hätten, verweist die Stadt auf „erste Erfolge“, was die Verbesserung von „Sicherheit, Sauberkeit und Aufenthaltsqualität“ auf dem Neumarkt betrifft. So seien etwa zwei städtische Kümmerer montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr auf dem Platz unterwegs und für alle ansprechbar, außerdem zwei Kümmerer der KVB von 7 bis 20 Uhr. Sie machten Kontrollgänge, sprächen Abhängige und Obdachlose an, vermittelten Hilfsangebote und hielten zudem Kontakt zu Polizei, Ordnungsamt oder AWB.
Außerdem werde der Neumarkt „intervallmäßig“ gereinigt, es seien zuletzt weitere Papierkörbe und Entsorgungsbehälter für Drogenutensilien aufgestellt und die Toilettenanlage in der Krebsgasse inklusive einer Bewachung ertüchtigt worden, sagt Stadtsprecherin Winkelhog. Man habe den Fußweg an der Ostseite des Neumarkts erweitert, eine Radspur markiert und die LED-Beleuchtungsmasten von fünf auf acht Meter erhöht, um die Platzfläche besser ausleuchten zu können. Die „kulturelle Aufwertung“ des Neumarkts werde „zunächst symbolisch“ durch die kürzlich aufgestellte Rodin-Statue sichtbar. Weitere kulturelle Veranstaltungen auf dem Neumarkt sollen folgen, kündigte Winkelhog an. Sie räumt ein, dass trotz der „erheblichen Anstrengungen“ bislang das Bild auf dem Neumarkt „gerade jetzt in den warmen Sommermonaten“ geprägt sei durch die Drogenszene. Aber: „Die in einer relativ kurzen Zeit umgesetzten Maßnahmen beginnen langsam zu greifen.“
Kölner FDP beklagt „untätige Ignoranz“
Der Kölner FDP sowie der SPD indes geht all das zu langsam und nicht weit genug. „Als einzige direkte Maßnahme wurde ein von Anfang an selten bis gar nicht besetzter Container als somit kaum erreichbare Anlaufstelle für die Anwohnerinnen und Anwohner aufgestellt - ein Stadtbild verschandelndes Monument der Hilflosigkeit“, sagt Parteivorsitzender Lorenz Deutsch. Die „untätige Ignoranz“ der Stadtverwaltung und der politischen Führung in der Stadt gegenüber den „unhaltbaren Zuständen“ am Neumarkt müsse ein Ende haben. „Die kriminelle Dealerszene und ihre organisierte Infrastruktur muss endlich bekämpft werden. Der Neumarkt darf nicht länger das Eldorado dieser Szene sein, die mit Krankheit und Sucht ihre Geschäfte macht“, sagt Deutsch. Den Süchtigen müssten gleichzeitig „gute Angebote“ gemacht werden.
SPD-Fraktionschef Christian Joisten nennt den Container der Kümmerer „Show-Politik“. Er fordert ein ganzeitliches Konzept. „Der Drogenkonsumraum allein kann die Probleme nicht lösen, sondern ist ein Hilfsangebot für die Drogensüchtigen.“ Begleitend bräuchte es eine Bespielung des Neumarktes, um den Platz zu beleben und wieder der Kölner Bevölkerung zurückzugeben, sagt Joisten.