Mallorca-KultEs lag am Alkohol: Wie Kölner vor 50 Jahren den Ballermann erfanden
Köln – Wenn Werner Dive im Bäckerei-Café an der Bonner Straße spricht, gerät das persönliche Mallorca-Bild gehörig ins Wanken. So zurückhaltend und leise schildert der 77-Jährige zumeist op kölsch, was er und seine Vereinskameraden einst auf der Balearen-Insel begründet haben, dass man es kaum glauben mag. Sitzt hier wirklich der Miterfinder des „Ballermanns“? Jener Ort, der berühmt-berüchtigt ist und entweder geliebt oder verachtet wird? Aber Vorsicht – beim leisesten Zweifel daran wird Werner laut und unmissverständlich: „Klar, haben wir das erfunden. Vorher war ja nichts!“
Vorher, das war vor 1972. Da gingen die Vereinsfahrten des „FC Merowinger“ meistens an die Mosel oder den Rhein, erzählt Werner. Benannt nach der damaligen Kneipe „Merowinger Eck“ in der Südstadt, gehörten auch Fußball-Stars wie der kürzlich verstorbene Torhüter Wolfgang Fahrian zu der Thekenmannschaft. Und weil sich die Mitglieder so gut verstanden, gründete man gleich noch einen Kegelverein dazu.
Doch die Fahrten nach Boppard oder Cochem erwiesen sich als zunehmend teuer, schildert Werner, der eines Tages einen Neckermann-Katalog in der Hand hatte: Vier Übernachtungen im Hotel „Dunas Blancas“, inklusive Flug für 399 Mark. „Dat maache mer“, waren sich Kicker und Kegler einig. Zur Sicherheit mit Gulaschsuppe und reichlich Kölsch im Handgepäck – „wir wussten ja nicht, was uns erwartet“ – ging es dann los. Eine Vereinsfahrt, auf der jedes Jahr eine nächste folgen sollte, und die den Strandabschnitt von El Arenal zunehmend veränderte.
Der Treffpunkt „Balneario“, übersetzt „Badehaus“, wollte den Kölnern mit steigendem Alkoholpegel allerdings immer schwerer über die Lippen kommen. „Irgendwann haben wir dann Ballermann gesagt“, sagt Werner und schiebt im besten Kölsch hinterher: „Jo, mer han uns so su jähn eine jeballert. Un dat han mer den janzen Daach jemaht, et hätt jo nix jekost.“
In den Folgejahren laufen die Vereinsfahrten immer professioneller ab. Jedes Mitglied hat im Handgepäck ein 20 Liter-Fass-Kölsch dabei. „Wo mer sin es Kölle, ejal wo mr sin“: Werner und seine Kumpel bringen den Karneval auf die Insel. „Wir haben die Kellner im Hotel und am Strand verkleidet. Die kannten so was ja gar nicht, aber fanden es klasse.“ Sogar in Original-Ornaten eines Dreigestirns wird gefeiert. Am Ballermann es Musik, am Ballermann es Tanz – das sprach sich nicht nur in Köln rum. Immer mehr Touristen tanzten und tranken an der Playa de Palma, Bars, Clubs und Restaurants siedelten sich an.
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Bis heute organisiert Werner, der früher die Südstadtkneipe „Maischbottich“ betrieb, Frühschoppen und andere Feste mit 400 bis 500 Gästen im Hotel. Zur „Kölschen Woche“ kommen Promis wie Marita Köllner vorbei. Am 8. September geht es in diesem Jahr wieder „runter“ nach Malle.
Kölner Verein erfindet Ballermann auf Mallorca
Dass der Ballermann heute einen zweifelhaften Ruf genießt, stört den Kölner sehr: „Dieser Film »Ballermann 6« mit Tom Gerhardt“, sagt Werner und wird einmal mehr op kölsch direkt, habe „vill kapott“ gemacht. So schlimm gehe es dort gar nicht zu, es sei einfach ein Ort für Party und Lebensfreude. „Die Lück, die darüber schänge, solle ze Huss blieve. Dat es en schön Insel!“
Werner zieht einen Vergleich mit Köln: „Was passiert denn auf den Ringen oder auf der Zülpicher?“ Das seien auch nur einige hundert Meter von Köln, aber deshalb könne man doch nicht eine ganze Stadt schlecht machen.
Wenn der heutige Ehrenpräsident über die ersten Vereinsfahrten des FC Merowinger spricht, dann kann er sich ein Grinsen oftmals nicht verkneifen. So mancher Spanier musste sich an die neue Kundschaft gewöhnen, wie etwa der Kapitän eines Ausflugsboots. „Wir hatten ihn vorher gefragt, ob er genug zu trinken an Bord habe. Er hat dann ja gesagt – und nach einer Viertelstunde auf dem Meer gedreht und ist zurück zum Hafen: Es war nämlich nichts mehr zum Trinken da.“
Sicherlich habe man viel Quatsch gemacht, vor allem in jüngeren Jahren. Neuen Mitgliedern stand ein äußerst intensives Aufnahmeritual bevor: Sie mussten heiraten. Werner erzählt vom leider schon verstorbenen Klaus, der immer den Pfarrer gespielt habe, sogar Eheringe gab es für die Zeremonie – und die nötige Frau? „Wir haben einfach Mädcher im Hotel gefragt, ob sie den Spaß mitmachen …“ Werner zuckt mit den Achseln und schiebt hinterher: „Was in der Hochzeitsnacht wirklich passierte, das wussten nur zwei.“