Kölner Fahrrad-SammlerRäder, für die Ewigkeit gebaut

Dirk Baranowski hat in Kellern, Lagern und seiner Werkstatt knapp 500 Räder gehortet.
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Sülz – Für welchen Preis zum Beispiel würde er das Modell dort ganz hinten in der Ecke abgeben? Dirk Baranowski schüttelt den Kopf. „Nichts zu machen“, sagt er. „Das ist eines meiner Räder, die absolut unverkäuflich sind.“ Er nähert sich dem schwarz lackierten Metallgestell und legt seine Hand auf den Ledersattel. Ein Cavaliera, wahrscheinlich Baujahr 1908, nachgerüstet mit einer Trommelbremse und Renault-Klingel.
Das Herkules gleich daneben, das sich immer noch im Originalzustand befindet, ist zehn Jahre jünger und ebenfalls nicht zu haben. Der von Hand auf den Rahmen gelötete, anschließend vernickelte Firmenschriftzug zeugt davon, dass es aus einer Epoche stammt, in der Fahrräder für die Ewigkeit gebaut wurden.
Vor elf Jahren machte der damals arbeitslose Tischler sein Hobby zum Beruf und gründete eine Zweirad-Werkstatt. Seit einem Jahr betreibt er zusätzlich einen An- und Verkauf für Antiquitäten. Baranowski ist von Sammelleidenschaft besessen. Mittlerweile hat er weit mehr als 500 alte und uralte Gebrauchträder im Bestand. Einige hat er geschenkt bekommen, andere ersteigert, etliche aus Nachlässen übernommen. Was der 45-jährige Sülzer in Kellern, Lagerräumen und in seiner Werkstatt an der Marsiliusstraße gehortet hat, würde reichen, um ein Fahrradmuseum auszustatten.
Eine Seltenheit ist das Exemplar der längst untergegangenen Lindenthaler Cito-Werke, das 1927 das Schaufenster von Lindlau am Ring zierte. Ein elegantes Gefährt im Art-déco-Design, gelagert Rahmen an Rahmen mit einem ebenso alten Dürkopp in erstaunlich guter Verfassung. Sein Wanderer Vulkan aus den 30er Jahren hat Baranowski von einem Sammler erstanden, dem er ein lebenslanges Rückkaufrecht zugestehen musste.
Victoria, Rex und GC Hingis; NSU, Peugeot, Mossberg, Tabor – jedes Rad erzählt eine Geschichte. Es hat schon seinen Grund, warum der Lenker an einem blauen Doppelrohrrahmen so extrem breit ist. Schwedische Bauern haben neben den Griffen ihre Milchkannen eingehängt und sind damit von Dorf zu Dorf gestrampelt.
Auf einem bis zur letzten Schraube geschwärzten Gestell findet sich der Schriftzug Miele; das Modell wurde während des Zweiten Weltkriegs fabriziert, es sollte bei Luftangriffen nicht durch glänzende Teile auffallen.Anhand eines im Ersten Weltkrieg genutzten Grabenrades lässt sich die Bedeutung des Begriffes Stahlross nachvollziehen. Eine spezielle Vorrichtung hielt den Lenker im Geradeauslauf stabil, so dass die Soldaten während der Fahrt – ähnlich wie Cowboys im Galopp – freihändig mit ihrem Gewehr schießen konnten. Ein abschließbares Metallfach am Gepäckträger diente dazu, die Pistole zu verstauen.
Die Bonanza-Räder waren wohltuend unpraktisch
Die Bonanza-Räder der 70er Jahre zeichneten sich dadurch aus, dass sie wohltuend unpraktisch waren. Baranowski besitzt eins in Vollausstattung; mit Wimpel und Fuchsschwanz am Gepäckträger sowie einer Rollklingel, die verboten und deshalb umso beliebter war. Die eckige Kunststofflampe setzte Maßstäbe in Sachen Hässlichkeit. Gesamteindruck: ein bisschen Harley Davidson, ein Schuss Opel Manta.
Ein halbes Dutzend Rennmaschinen der Kölner Bahnradlegende Hans Zims, alle aus der Goldrad-Schmiede, sind ebenfalls in dem Sülzer Keller gelandet; jenes Hans Zims, der dem Brauhaus am Heumarkt seinen Namen gab.Was ist das beste Fahrrad, das jemals gebaut worden ist? Der Experte zögert. Da will er sich nicht festlegen und bleibt lieber im Allgemeinen: „Die Verarbeitungsqualität war früher besser, die haben auf Langlebigkeit gebaut.“ Baranowski zeigt auf ein verbogenes Etwas. Das schwarze Adler-Herrenrad aus dem Jahr 1946 hat bei einem Unfall einen Totalschaden erlitten, ein hoffnungsloser Fall. Eigentlich habe er es zum Ausschlachten gekauft. „Aber das kann ich nicht“, sagt der Sammler, „das tut mir zu Leid.“