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Kölner berichtet über die Wende„Als die Mauer fiel, lag meine Mutter im Kreißsaal“

Lesezeit 4 Minuten
30 Jahre Mauerfall DPA 041119

DDR-Bürger klettern über die Berliner Mauer am Brandenburger Tor am 9. November 1989.

  1. Felix Angermeyer kam sechs Tage vor dem Mauerfall in Köln zur Welt.
  2. Der 30-Jährige kennt Deutschland nur als Einheit. Ein geteiltes Land sah er zum ersten Mal in der Grundschule auf einer Karte.
  3. Osten uns Westen sind für den Kölner nur geographische Bezeichnungen. Dennoch stört ihn etwas 30 Jahre nach der Wende gewaltig.

Köln – Ich bin sechs Tage vor dem Mauerfall, am 3. November 1989, in Köln geboren und kenne die ganze Geschichte daher nur aus zweiter Hand. Meine Mutter hat mir oft erzählt, dass sie am Tag der Maueröffnung noch im Krankenhaus lag und nichts mitbekommen hatte von den Ereignissen. Bis mein Vater irgendwann total aufgewühlt bei ihr hereinplatzte und sagte: „Birgitt, die Mauer ist gefallen.“ Da war die Freude natürlich groß. Diese Geschichte gehört bis heute zu unseren Familienlegenden und wird immer wieder gern erzählt: Wie meine nichts ahnende Mutter nach meiner Geburt im Krankenhaus lag und mein Vater ihr vom Mauerfall erzählte.

Ich bin in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass keinerlei Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland bestehen. Klar, es gibt den Osten, und es gibt den Westen. Doch für mich sind das lediglich geografische Bezeichnungen. Mehr nicht.

Zur Person

Felix Angermeyer ist Industrie- und Möbeldesigner. Der 30-Jährige lebt und arbeitet in Köln.

Ich habe Deutschland nie als gespalten wahrgenommen, eben, weil ich es nur als ein einheitliches Land kenne. Selbst in der Schule wurde meiner Erinnerung nach wenig über die Teilung und den Mauerfall gesprochen. Ich kann mich lediglich an eine Landkarte erinnern, die beide Teile Deutschlands zeigte. Das muss in der dritten oder vierten Klasse gewesen sein.

Nach dem Studium in Berlin gelebt

Nach dem Studium habe ich einige Zeit in Berlin, im Wedding gelebt. Also im Westen. Dort ist es mir genauso gegangen. Ich habe die Stadt als eine einzige große Einheit erlebt, in der sich alle Menschen als Berliner definieren, egal, wo sie wohnen. Ansonsten kenne ich in Ostdeutschland nur Leipzig, aber auch dort ist mir der Osten nicht gerade „ins Gesicht gesprungen“. Okay, in den Außenbezirken gab es ein paar leerstehende Häuser, einige Viertel waren etwas heruntergekommen. Ansonsten war Leipzig halt einfach auch Deutschland.

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Natürlich ist mir klar, dass der Mauerfall für uns Deutsche eine große politische Errungenschaft darstellt. Doch welche Bedeutung dieser Tag letztendlich für viele Menschen hat, habe ich wohl erst begriffen, als ich älter wurde. Selbst heute fällt es mir schwer, mir vorzustellen, wie es gewesen sein mag, in einem geteilten Land zu leben und nicht „rüberzukommen“. Oder seine Familie nicht sehen zu dürfen, weil die im anderen Teil Deutschlands lebt und zwischen beiden Teilen eine schwer bewachte Grenze liegt.

Wirtschaftliche Ungleichheit beschäftigt Angermeyer

Was mich beschäftigt, ist die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Ost- und Westdeutschland. Der Osten ist bis heute nicht richtig auf die Beine gekommen. So gesehen kann ich auch verstehen, wenn manche Ostdeutsche klagen, sie seien abgehängt worden, und rechts wählen. Auch wenn das nicht der richtige Weg ist. Aber wenn Menschen nicht hinterherkommen, wächst ihre Unzufriedenheit. Das hat nichts mit Ost oder West zu tun. Und wenn es einem nicht gut geht, dann wird man intolerant und wählt vielleicht die AfD oder ist gegen Ausländer. Auch wenn das falsch ist.

Was man machen kann? Das ist eine superschwierige Frage. Weil schon so viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen ist und viele Chancen verpasst wurden. Man müsste auf jeden Fall die Wirtschaft im Osten stärken und den Menschen dort das Gefühl geben, dass sie wertgeschätzt und gebraucht werden. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen wird. Für meine Generation ist es kaum noch ein Unterschied, ob jemand aus dem Osten oder dem Westen kommt, welche Nationalität er hat oder welcher Religion er angehört. Zumindest in dem Umfeld, in dem ich mich bewege, ist das so.

Ich könnte mir allerdings nicht vorstellen, im Osten zu leben. Dafür bin ich wohl zu sehr Rheinländer. Selbst in Berlin habe ich mich nicht so wohlgefühlt wie im Rheinland. Ich mag die Nähe zu Holland, zu Belgien, zu Frankreich. Ich mag die Überschaubarkeit hier, aber auch die Dichte der Städte. Ich würde nicht den Osten ausschließen, weil er der Osten ist. Ich würde ganz einfach das Rheinland vorziehen – auch gegenüber Bayern oder Ostfriesland.