An fünf Abenden will Kirsten Jahn diese Woche die Vorbehalte gegen ihre Kandidatur als Co-Parteichefin der Grünen ausräumen.
Nach Stadtwerke-SkandalUmstrittene Kandidatin Jahn stellt sich den Fragen der Kölner Grünen

Die frühere Grünen-Fraktionschefin Kirsten Jahn im Jahr 2018.
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Die Wahl der umstrittenen Kandidatin für den Co-Parteivorsitz der Kölner Grünen, Kirsten Jahn (48), am kommenden Wochenende (15./16. März) könnte auf der Kippe stehen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ werden die Pläne für einen formalen Antrag zur Vertagung konkreter, er wird demnach intern gerade im Ortsverband Innenstadt diskutiert und erarbeitet. Für eine Vertagung braucht es eine Mehrheit auf der Kreismitgliederversammlung. Der Sprecher des Ortsverbandes Innenstadt, Reinhold Goss, wollte sich am Sonntag nicht dazu äußern.
Zuvor hatte die Nippeser Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert (Grüne) vorige Woche schon die Vertagung gefordert, Goss unterstützte sie damals (wir berichteten). Siebert begründete ihren Wunsch mit „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit!“, weil Jahn ihre Kandidatur erst am 26. Februar öffentlich gemacht hatte. Siebert befürchtete, die politische Konkurrenz könnte Jahns Vergangenheit vor der Kommunalwahl am 14. September öffentlich nutzen.
Stadtwerke-Skandal im Mittelpunkt
Jahn war von 2014 bis 2019 Fraktionschefin im Rat und verantwortete in führender Position Kölns größten kommunalpolitischen Skandal der vergangenen Jahre: die Stadtwerke-Affäre im April 2018. Gemeinsam mit den Spitzen der SPD- und CDU-Fraktion schnürte die Grünen-Fraktionsspitze um Jahn und Geschäftsführer Jörg Frank ein Paket von Absprachen über Spitzenjobs in städtischen Unternehmen.
Im Kern stand das Vorhaben, für den damaligen SPD-Fraktionschef Martin Börschel den Posten des hauptamtlichen Geschäftsführers bei den Kölner Stadtwerken zu schaffen – ohne Ausschreibung. Der Deal platzte, bundesweit berichteten Medien, Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sprach von einer Blamage, das Wort Kölner Klüngel machte die Runde.
Viel Kritik in internen Chats
In internen Chat-Gruppen der Grünen ist unter anderem deshalb richtig Dampf: Darin sagt beispielsweise ein Mitglied, man werde gebeten, Jahn eine zweite Chance zu geben. „Das kann man ganz allgemein auch so sagen, aber die aktuelle Bewerbung spricht überhaupt nicht für einen kritischen oder reflektierten Umgang mit dieser Vergangenheit.“
Ohne die Termine zur Aussprache, so das Mitglied, würde es bei der Mitgliederversammlung am 15. März wahrscheinlich nur zwei bis vier geloste Fragen geben, „und das wäre niemals eine breite und offene Diskussion darüber, wer für uns Kölner Grüne die nächsten zwei Jahre sprechen sollte“.

Der frühere SPD-Politiker Martin Börschel im Jahr 2020.
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Ab dem heutigen Montag will Jahn deshalb in zehn Versammlungen an fünf Tagen auf den letzten Metern vor der Wahl die Vorbehalte gegen sich ausräumen. Mit Jahn stellen sich unter anderem die Kandidaten Cyrill Ibn Salem (Co-Vorsitz, 32) und Sarah Brunner (politische Geschäftsführerin, 39) den Fragen der Mitglieder. Die bisherigen Vorsitzenden Katja Trompeter und Stefan Wolters treten nicht mehr an (wir berichteten).
Partei-Prominenz steht zu Jahn
Jahn wollte sich am Sonntag auf Anfrage nicht äußern. Am Dienstag hatte Jahn gesagt: „Ich weiß um meine Geschichte und ich stehe zu meiner Geschichte.“

Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin.
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Ein großer Teil der Partei-Prominenz der Grünen um beispielsweise Bundestagsfraktionschefin Katharina Dröge und Stadtrats-Fraktionschefin Christiane Martin unterstützt Jahns Kandidatur. Das geht aus ihren Kommentaren auf Instagram hervor (wir berichteten).
Doch nicht nur die Stadtwerke-Affäre macht Jahn sieben Jahre später Probleme: Auch ihr Wechsel als Geschäftsführerin zum Lobbyverein Metropolregion Rheinland nur neun Monate nach der Stadtwerke-Affäre ist ein Thema. Wie diese Zeitung mehrfach berichtete, gab es keine offizielle Ausschreibung für die Stelle.
Jahn bestätigt: Es gab keine Ausschreibung
Das bestätigte Jahn im Januar 2019 in einem Interview mit der „Kölnischen Rundschau“. Sie sagte: „Für die Steuerung des Verfahrens bin ich nicht verantwortlich, auch nicht dafür, dass es keine Ausschreibung gab.“
Es gab mehrere Bewerber, Reker setzte sich laut der damaligen Aussagen des früheren Vorsitzenden, Düsseldorfs OB Thomas Geisel (SPD), seinerzeit für sie ein. Letztlich erhielten Jahn und die Aachener CDU-Politikerin Ulla Thönnissen jeweils die hochdotierten Geschäftsführer-Posten. Es gab also zwei Geschäftsführerinnen – und drei Angestellte.
Grüne sehen keinen Interessenskonflikt
Ebenfalls ein Thema in den Chats ist Jahns aktueller Job als Abteilungsleiterin für Personal und interne Organisation beim Immobilien-Projektentwickler Osmab. Dort arbeitet sie seit Anfang 2022 – und ist gleichzeitig auf Vorschlag der Grünen als sachkundige Einwohnerin Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss des Stadtrates.
Der Ausschuss berät und beschließt wichtige Kölner Bauprojekte – also genau jene Themen, die Osmab betreffen. Unter anderem baut Osmab Kölns größtes neues Büroviertel „I/D Cologne“ in Mülheim. Jahn darf als sachkundige Einwohnerin zwar nicht abstimmen, hat aber Einsicht in nicht-öffentliche Dokumente (wir berichteten 2022).
Die Grünen-Fraktion teilte damals mit: „Wir haben keine Hinweise auf einen Interessenkonflikt.“ Jahn betonte, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein.
Im Chat schrieb ein Mitglied, die Stadtwerke-Affäre 2018 als Nicht-Mitglied verfolgt zu haben. „Ich bin (als Frischgrün seit letztem Sommer) sehr froh, dass hier so offen intern darüber gesprochen wird und ich die Möglichkeit habe, eine eigene Sicht zu bekommen und mir eine eigene Meinung zu bilden.“