Kölner InfektiologeCoronavirus führt uns vor Augen, dass wir verletzlich sind
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Dr. Gerd Fätkenheuer ist Leiter der Klinischen Infektiologie an der Universitätsklinik Köln.
In seinem Gastbeitrag schreibt er über das Coronavirus und die richtige Verhaltensweise bei Epidemien.
Denn der Virusausbruch zeigt uns drastisch, wie verletzlich wir sind. Trotzdem heißt es nun Ruhe bewahren, denn auch wenn es eine große Belastung ist – wir sind gut vorbereitet, so Fätkenheuer.
Köln – Epidemien mit Krankheitserregern haben die Menschheit von jeher begleitet. Sie haben vielfach den Verlauf der Geschichte beeinflusst, und immer haben sie große Ängste ausgelöst.
Insofern ist die aktuelle Epidemie mit dem neuen Coronavirus namens SARS-CoV-2 nichts Ungewöhnliches. Aber die Epidemie trifft uns in einer Welt, die extrem stark global vernetzt und damit auch in vielfacher Hinsicht verwundbar ist.
Der Ausbruch des Coronavirus führt uns gerade drastisch vor Augen, dass wir verletzlich sind, dass es eben keine hundertprozentige Sicherheit vor großen Krankheitsausbrüchen gibt. Deshalb ist es sehr verständlich, dass die aktuelle Situation von vielen Menschen als Bedrohung angesehen wird und dass Ängste vor der Erkrankung weit verbreitet sind.
Gleichzeitig trifft das neue Virus aber auch auf eine Gesellschaft, die sich sehr gut auf eine Epidemie vorbereitet hat. Noch nie in der Geschichte hatten wir bessere Möglichkeiten zur raschen Identifizierung des Erregers. Das hat dazu geführt, dass der Verursacher der neuen Erkrankung nicht nur innerhalb kürzester Zeit bekannt war, sondern dass auch innerhalb von wenigen Wochen Labortests auf breiter Ebene zur Verfügung standen.
Noch nie waren die medizinischen Möglichkeiten zur Versorgung von schwer kranken Patienten, die bei dem neuen Virus glücklicherweise die große Ausnahme darstellen, besser. Und noch nie zuvor gab es die heutigen Möglichkeiten der Informationsübermittlung, die es erlauben, neue Erkenntnisse über die Erkrankung zum Nutzen der Bevölkerung unmittelbar umzusetzen.
Trotzdem konnten wir nicht verhindern, dass das Virus auch den Weg in unser Land gefunden hat und uns in der letzten Woche sehr nahe gerückt ist. Und noch können wir nicht absehen, wie schwer uns die Epidemie insgesamt treffen wird. Aus vergangenen Ausbrüchen sollten wir gelernt haben, dass hierfür nicht die Personen verantwortlich zu machen sind, bei denen die Erkrankung zuerst festgestellt wurde. Die damit einhergehende Stigmatisierung ist medizinisch nicht gerechtfertigt und einer modernen humanen Gesellschaft nicht würdig. Vielmehr ist rationales und menschlich mitfühlendes Handeln gefordert. In der aktuellen Situation schließt dies insbesondere die Testung von Personen mit einem Risiko sowie Quarantäne Maßnahmen ein.
Eine Epidemie ist auch für ein wohlhabendes Land eine Belastung
Eine Epidemie wie die jetzige mit SARS-CoV-2 stellt auch für sehr gute Medizinsysteme in wohlhabenden Ländern wie Deutschland eine große Belastung dar und kann sie an ihre Grenzen bringen. Alle Maßnahmen müssen deshalb möglichst rational, gezielt und Ressourcen schonend eingesetzt werden. Dies bedeutet einerseits, dass möglichst viele Personen getestet werden sollten, bei denen ein Übertragungsrisiko bestand. Das heißt andererseits aber nicht, dass jetzt jeder untersucht werden sollte, der befürchtet, sich mit diesem Virus infiziert zu haben. Die Testung auf das neue Coronavirus ist derzeit noch sehr personal- und zeitaufwändig und nicht unbegrenzt verfügbar.
Viele Ärztinnen und Ärzte, Labor- und Praxisangestellte, Krankenschwestern und -pfleger sowie Mitarbeiter der Gesundheitsämter sind hierdurch bereits stark beansprucht. Deshalb können und sollten die Laboruntersuchungen nur streng nach den ständig aktualisierten Vorgaben des Robert Koch Institutes durchgeführt werden. Diese Empfehlungen sind genau auf die aktuelle Situation zugeschnitten, werden fortwährend angepasst und sind medizinisch sinnvoll. Der nachvollziehbare Wunsch nach einer Testung auf das neue Virus bei Krankheitssymptomen lässt sich deshalb nicht in allen Fällen erfüllen.
Ruhe bewahren und medizinisches Personal schonen
Darauf zu bestehen, dass der Test durchgeführt wird, auch wenn dafür keine Notwendigkeit besteht, ist also nicht gerechtfertigt und belastet nur unnötig das medizinische Personal sowie unser Gesundheitssystem insgesamt. Und völlig inakzeptabel sind Versuche, Tests mit aggressivem Verhalten gegenüber medizinischem Personal zu erzwingen- was leider auch vereinzelt zu beobachten ist.
Allein durch die Symptome unterscheidet sich die Infektion mit SARS-CoV-2 nicht von anderen Erkältungskrankheiten. Wer aktuell unter Husten, Schnupfen, Hals- und Gliederschmerzen leidet, hat sehr viel wahrscheinlicher eine Infektion mit einem anderen Erreger als mit dem neuen Coronavirus. Insbesondere das Influenzavirus ist derzeit noch sehr aktiv in der Bevölkerung. Das bedeutet aber auch, dass sich alleine von den Symptomen nicht die Notwendigkeit für einen Test auf SARS-CoV-2 ergibt. Wenn allerdings ein Kontakt zu einer Person mit Nachweis des neuen Virus bestanden hat, dann muss ein Test durchgeführt werden. Bei einer solch neuen Erkrankung mit rascher Ausbreitung ändern sich die Erkenntnisse und damit auch die Empfehlungen praktisch täglich. Was heute richtig erscheint, kann morgen schon wieder überholt sein. Die optimale medizinische Versorgung der Bevölkerung erfordert die ständige Anpassung von Handlungsempfehlungen an die jeweilige Situation und an die neuesten Erkenntnisse. Dies erfolgt derzeit von allen Vertretern im deutschen Gesundheitswesen in – wie ich denke – vorbildlicher Weise.
Mit Gelassenheit gegen das Virus
Ich möchte deshalb dafür plädieren, der neuen Erkrankung und der Epidemie mit stärkerer Besonnenheit und Gelassenheit zu begegnen, als wir das zur Zeit vielfach erleben. Mit der nahenden wärmeren Jahreszeit wird es für das Virus schwieriger werden, sich weiter auszubreiten. Die Möglichkeiten der modernen medizinischen Wissenschaft und die Anstrengungen, die hier unternommen werden machen es außerdem wahrscheinlich, dass mit großer Geschwindigkeit Impfstoffe und Therapeutika gegen das neue Virus entwickelt werden. In der Zwischenzeit ist es von entscheidender Bedeutung, die Infektion möglichst gut einzugrenzen und Übertagungen zu verhindern.
Ein wichtiger Beitrag, den jeder einzelne zur Bewältigung der Situation beitragen kann, besteht deshalb darin, den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden, des Robert Koch Instituts und der behandelnden Ärzte zu folgen. Wenn wir das tun, haben wir – zusammen mit der zu erwartenden Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten - gute Aussichten, dass auch diese Epidemie in unserem Land bald eingedämmt und schließlich beherrscht werden wird.