Alkoholleichen, Schlägereien, Wildpinkler: alles Aufgaben für Felix Günther und sein Team. Das schlechte Wetter ist für ihn eine gute Nachricht, zumindest fast.
Auf Karnevalspatrouille durch die AltstadtRegen nimmt dem Kölner Ordnungsamt die Arbeit ab
Um 14:30 Uhr schunkeln auf dem Heumarkt nur noch die Hartgesottenen. Oder jene, die mit Regenponchos und – Schirmen am besten ausgerüstet sind. Die meisten Jecken haben sich aber schon längst in die Kneipen in der Altstadt verzogen, als Felix Günther und sein Team vom Ordnungsamt über den Heumarkt patrouillieren.
Ein Paar im Knastkostüm stellt sich zu ihnen, die Frau hält Günther eine Handschelle entgegen. „Hier, damit kannst du mich festnehmen, deine brauchst du gar nicht“, sagt sie und lacht, bevor sie wieder geht. „Ein typisches Gespräch um diese Uhrzeit, wenn der Pegel auf dem Höhepunkt ist“, befindet Günther.
„Für die Karnevalisten tut mir das schon leid“
Doch nicht alle Jecken haben um diese Uhrzeit noch so gute Laune wie die beiden. Denn man kann es nicht anderes sagen: Weiberfastnacht ist dieses Jahr ins Wasser gefallen, auch wenn tausende Jecken ihr Bestes taten, um dem Regen zu trotzen. Was für die Karnevalisten eine schlechte Nachricht war, bedeutete für Günther und sein Team einen vergleichsweise entspannten Start in die jecken Tage. „Heute ist deutlich weniger los als in den letzten Jahren. Der Regen treibt die Menschen in die Kneipen der Altstadt – oder direkt nach Hause“, sagt Günther. Richtig freuen kann sich Günther darüber aber auch nicht: „Klar, für uns ist das einfacher. Aber für die Karnevalisten tut mir das schon leid.“
Günther ist stellvertretender Dienstgruppenleiter beim Kölner Ordnungsamt. Mit fünf Kolleginnen und Kollegen patrouilliert er seit 8 Uhr morgens durch die Altstadt, um für Ordnung im Kölner Karnevalsirrsinn zu sorgen. Insgesamt sind hier an Weiberfastnacht rund 40 Beamte im Einsatz, in der ganzen Stadt sind es 200.
Günther und sein Team kontrollieren, ob die Kneipen und Büdchen Gewerbeordnung und Jugendschutz einhalten, schauen nach Alkoholleichen in den Gassen, die Hilfe brauchen könnten und sind Wildpinklern auf den Fersen. „Vor allem geht es aber einfach darum, Präsenz zu zeigen“, fasst Günther zusammen.
Ganz friedlich bleibt die Karnevalspatroullie nicht
Seinen Vornamen haben wir für diesen Text geändert, damit er nicht im Internet auffindbar ist. „Seit Corona hat die Gewalt uns gegenüber extrem zugenommen“, sagt er. Das merke er und sein Team auf der Straße genauso wie im digitalen Raum. „Von Beleidigung über Bedrohungen bis hin zu Angriffen ist alles dabei“, sagt er. Gerade an Karneval käme es immer wieder zu Konfliktsituationen.
Das weiß auch die 26- jährige Johanna Lobenstein, die seit 2022 beim Ordnungsamt arbeitet. Auch sie heißt mit Vornamen eigentlich anders. „Gerade auf der Zülpicher Straße ist das schon enorm“, sagt sie. „Auch die vielen jugendlichen Alkoholleichen, die man dort sieht, geben einem schon zu denken“, sagt sie. „Dagegen ist das hier in der Altstadt, wo ja eher traditioneller gefeiert wird, etwas ganz anderes.“
An Weiberfastnacht erfreuen sich Günther und sein Team unter vielen Jecken, die auch im strömenden Karneval feiern, tatsächlich großer Beliebtheit. Als sie an den Kneipen am Rheinufer vorbeiziehen, prosten viele Jecken ihnen zu oder wollen Fotos machen. „Wie oft ich heute schon den Spruch gehört habe: ‚Nettes Gruppenkostüm‘, kann ich gar nicht zählen“, sagt Günther später und lacht.
Doch ganz so entspannt geht der Rundgang dann doch nicht zu Ende. In der Nähe der Disco „Wiener Steffi“ treffen die Beamten auf einen Wildpinkler. Keine zehn Meter von ihm entfernt steht ein Dixi-Klo. Als der Mann das Ordnungsamt erblickt, faltet er die Hände, um seine Reue zu bekunden und bittet um Entschuldigung: „Ich seh's ja ein, ich hab Mist gebaut und wurde erwischt“, sagt er, als Günthers Team die Personalien des Mannes aufnimmt.
Plötzlich taucht ein Bekannter des Mannes auf und versucht, an den Beamten vorbeizukommen. Doch die Beamten halten ihn zurück. „Das ist mein Bruder! Und wenn ich zu meinem Bruder will, hält mich niemand auf“, schreit der Mann. Für einen Moment scheint die Situation zu eskalieren. Der Mann lässt sich auch von seinem „Bruder“, dem einsichtigen Wildpinkler, nicht beruhigen, blafft die Beamten an und kommt immer näher.
Doch als auch die Polizei vorbeikommt, scheint der Mann kein Interesse mehr an einer Auseinandersetzung zu haben. Nachdem die Beamten die Personalien seines Freundes aufgenommen haben, dürfen sie gehen. Mindestens 70 Euro Strafe erwarten den Wildpinkler.
Günther und sein Team machen sich auf den Weg zurück ins Rathaus, der Dienstzentrale, um sich dort ein bisschen zu wärmen. Bis 18 Uhr werden sie am Donnerstag noch durch die Altstadt patrouillieren. Ob er bei seinem Job auch noch Lust hat, Karneval zu feiern? „Selten. Das, was ich in meinem Job erlebe, reicht mir meistens.“ Lieber kommt er an einem freien Karnevalstag in der bergischen Kleinstadt zur Ruhe, in der er wohnt. Doch freie Karnevalstage hat er nicht viele. Noch an diesem Wochenende geht es weiter. Dann ist Günther auf der Zülpicher Straße im Einsatz.