Eine Gedenktafel soll an den Sprengstoffanschlag vor 22 Jahren durch den NSU erinnern. Sie ist aber auch ein Zugeständnis von Fehlern.
Sprengstoffanschlag in KölnGedenktafel für NSU-Attentat in der Probsteigasse eingeweiht
„So viele Leben, die zerstört wurden. Wofür? Was hat es euch gebracht? Wir hingegen können uns mit Stolz hinstellen und sagen, dass wir trotz allem, was ihr uns angetan habt, weitergemacht haben. Wir übernehmen Verantwortung für unser Leben.“
Dieser Text ist seit Donnerstag (19. Januar) auf einer Gedenktafel an der Probsteigasse 44 in der Kölner Innenstadt zu lesen, die von Bürgermeister Andreas Wolter und Vertreterinnen und Vertretern der Stadtgesellschaft eingeweiht wurde. Das Zitat stammt von einer Überlebenden des Sprengstoffanschlags des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), der sich dort, vor genau 22 Jahren, ereignete.
Anschlag in Köln: 22 Jahre später ist noch Wut da
Ein Mann, der sich als Kunde ausgab, hatte rund vier Wochen zuvor einen Korb mit einer Weihnachtsdose in dem Lebensmittelgeschäft gelassen, das sich damals im Erdgeschoss der Probsteigasse 44 befand und von einer Familie mit iranischen Wurzeln betrieben wurde. Der Mann habe gesagt, dass er seine Geldbörse vergessen habe, aber gleich wiederkomme. Tat er aber nicht. Der Korb wurde in einem Nebenraum abgestellt.
Vier Wochen später, am 19. Januar 2001, hob die 19-jährige Tochter des Ladeninhabers den Deckel der Metalldose an, um nachzusehen, was sich darin verbirgt. Der versteckte Sprengsatz aus Schwarzpulver zündete einen Augenblick später, die junge Frau hatte sich gerade mal ein paar Schritte wegbewegt. Die 19-Jährige überlebte mit schwersten Verletzungen.
Die Tochter selbst ist 22 Jahre später bei der Einweihung der Gedenktafel, die an diese Gräueltat des NSU erinnern soll, nicht dabei. Dafür aber Rechtsanwältin Edith Lunnebach, die die Familie bei den Verfahren gegen den NSU vertreten hat.
Noch heute mache es die Familie und sie wütend, „dass damals, als man noch hätte aufklären können, nicht aufgeklärt wurde.“ Eigentlich hätten in den Ermittlungen zu dem Sprengstoffanschlag gegen eine Familie mit ausländischen Wurzeln rassistische oder rechtsextremistische Motive sowie organisiertes Verbrechen berücksichtigt werden müssen.
Stattdessen wurde von der Polizei Köln im Umfeld der Familie nach Schuldigen gesucht, auch der iranische Geheimdienst wurde verdächtigt. Für Lunnebach ist das mit dem heutigen Kenntnisstand unlogisch. „Skandalös“ sei es etwa, dass V-Leute mit Kontakten zur rechten Szene vom Verfassungsschutz nicht genutzt worden sind. Auch heute sind noch viele Fragen ungeklärt.
Die Familie hatte in der Probsteigasse „nicht nur ein Geschäft“ betrieben, „es war auch ein Stück Heimat für sie“, so Lunnebach. Neben den schweren Verletzungen, die die damals 19-jährige Tochter erlitt, ist der Familie diese Heimat durch den Sprengstoffanschlag genommen worden.
Wunden, die 22 Jahre später zwar verschlossen sind, aber trotzdem Narben hinterlassen haben. Das soll sich auch in der Gedenktafel widerspiegeln. „Man sagt immer, dass die Zeit alle Wunden heilen kann, aber manche Wunden sind zu tief“, zitiert der Künstler Daniel Poštrak die Überlebende des Sprengstoffanschlags. Poštrak hat die Gedenktafel entworfen.
Die Stahlplatte ist einfach gehalten. Nur eine Schweißnaht, die sich von der oberen Ecke durch schwarze Textblöcke zieht, bricht mit der Schlichtheit. Eine symbolische Narbe.
Neben dem Zitat der Überlebenden findet sich auf der Gedenktafel auch ein Zugeständnis des Kölner Stadtrates: Damals wurden Fehler gemacht. Dadurch, dass man zunächst in ihrem Umfeld ermittelte, „wurden die Opfer in der öffentlichen Wahrnehmung zu Tätern“.
Das änderte erst die Selbstenttarnung des NSU am 4. November 2011. Erst dann wurde anerkannt, dass sich der Angriff auf die Familie am 19. Januar 2001 in die von 2000 bis 2007 andauernde Mord- und Anschlagsserie der Rechtsterroristen einreihen lässt, bei der mindestens zehn Menschen getötet wurden.
Genauso wie der Nagelbombenanschlag am 9. Juni 2004 in der Keupstraße. Das zweite NSU-Attentat in Köln. 22 Menschen sind dabei verletzt worden. Auch dort, an der Ecke zur Schanzenstraße, soll eine Gedenkstätte entstehen. Wann die Bauarbeiten für das Mahnmal beginnen werden, ist allerdings noch nicht sicher.