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„Kunstspäti“ im Museum Ludwig„Es fühlt sich ein bisschen verboten an“

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Museumsdirektor Yilmaz Dziewior begrüßt Besucherinnen und Besucher im Museum Ludwig zu später Stunde.

Museumsdirektor Yilmaz Dziewior begrüßt Besucherinnen und Besucher im Museum Ludwig zu später Stunde.

Alle drei Monate findet im Museum Ludwig das „Kunstspäti“ statt. Ein Abend zwischen Bierflaschen und 800kg schweren Kunstobjekten.

„Wir atmen tief ein und aus. Ein. Aus. Ein. Aus.“ In einem großen weißen Raum im Museum Ludwig sitzen circa 20 Menschen in einem Kreis auf dem Boden. „Unsere Gedanken treiben wie Blätter auf einem Fluss.“ Es ist halb acht Uhr abends. Normalerweise hat das Museum um diese Zeit schon geschlossen. Aber an diesem Donnerstag (11. Juli) läuft in dem Kölner Kunstmuseum alles etwas anders.

„Kunstspäti“ nennt sich die heutige Veranstaltung. Alle sechs Monate öffnet das Museum Ludwig seine Türen nach den regulären Öffnungszeiten noch einmal. „So kann man auch nach der Arbeit noch ins Museum gehen“, erklärt Katja Zakharova die Idee des Veranstaltungsteams. Der Abend soll ein junges Publikum ansprechen. Beim letzten Mal ging es um mittelalterliche Malerei in Internet-Memes, heute um die queere Kunst von Roni Horn.

Museumsdirektor Yilmaz Dziewior führt durch die Ausstellung

Im Foyer legt ein DJ elektronische Musik auf. Im Museum wird heute Bier getrunken und sich laut unterhalten. „Das fühlt sich alles auch ein bisschen verboten an“, erzählt Leni Latzke. Sich einmal so fühlen wie Ben Stiller in „Nachts im Museum“. Die 38-jährige ist heute hergekommen, weil sie die besondere Atmosphäre der Abendveranstaltung genießt, erzählt sie. „Und die Kurzführungen sind sensationell.“

Denn neben den gelockerten Verhaltensnormen bietet die Veranstaltung auch verschiedene Programmpunkte an. In halbstündigen Führungen beleuchten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums sowie die Ehrenamtlichen von „jungekunstfreunde“ und „job&kunstfreunde“, verschiedene Teile der Ausstellungen. Den Anfang macht heute Museumsdirektor Yilmaz Dziewior.

Gefolgt von etwa 25 Menschen läuft er durch die weißen Räume und erzählt, wie er mit Roni Horn über die Ausstellung nachgedacht hat. Etwa dass die Künstlerin Skulpturen nur bei Tageslicht ausstellen wolle, warum die Wände nicht mit Erklärtexten bestückt sind oder wie er die Künstlerin zum ersten Mal angerufen hatte und nicht wusste, mit welchem Pronomen er sie ansprechen soll.

Die ungewöhnlich persönlichen Eindrücke zur Ausstellung kommen gut an: „Man hat den Eindruck, dass hier Menschen aus Köln kommen, die sich für die Ausstellung interessieren und das Museum nicht mit Touristen gefüllt ist, die nur ein To-do abhaken“, meint Lars Kollmann. „Die Atmosphäre ist einfach intimer“, sagt der 30-Jährige.

Neben den Führungen sollen auch geführte Meditationen den Besuchern die Kunst von Roni Horn näher bringen. Zwischen 800kg schweren Skulpturen aus buntem Glas, die an riesige Wassertropfen erinnern, sitzen und liegen Menschen auf dem Boden. Roni Horns Kunst beschäftigt sich mit der Fluidität von Identität. Mit ruhiger, langsamer Stimme will Mediationsführerin Nicole Wiehl die Besucherinnen und Besucher an die eigene Komplexität und Widersprüchlichkeit erinnern.

Draußen beginnt es zu dämmern. Im Museum wird es voller und geselliger. Je später es wird, desto jünger wird das Publikum. Nach und nach gehen auch in den Ausstellungsräumen, die sonst von Tageslicht beleuchtet werden, die Beleuchtungsanlagen an. Wenn Roni Horn das wüsste!

Der „Kunstspäti“ findet einmal alle drei Monate statt, meist an einem dritten Donnerstag im Monat. Der Eintritt beträgt sieben bis elf Euro. Als Veranstaltungsort wechseln sich das Museum Ludwig und das Wallraff-Richartz-Museum ab.