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Mein Opa, ein Nazi?Künstlerin geht mit Familienporträts auf Kölner Litfaßsäulen auf Spurensuche

Lesezeit 2 Minuten
Eine Frau mit blondem Pagenkopf steht neben einer Litfaßsäule, die mit Texten und Bildern beklebt ist.

Claudia Konold steht neben der Litfaßsäule an der KVB-Haltestelle Gustav-Heinemann-Ufer in Bayenthal.

Ein Zeichen gegen Rechts setzt Claudia Konold mit ihrem Projekt „Deutscher Frühling“, das an 25 Litfaßsäulen in Köln zu finden ist. Ein Appell.

An einer Litfaßsäule am Rheinufer in Bayenthal herrscht so etwas wie Wohnzimmeratmosphäre: Auf einer Kommode thront eine Grünpflanze, daneben das Halbporträt eines Seniors mit Schirmmütze. Der ältere Herr ist Claudia Konolds Großvater. Daneben gibt es weiter Bilder von den Großeltern, auch von ihr selbst als Kind. Die 46-jährige Künstlerin hat die Bilder dem eigenen Familienalbum entnommen und verfremdet. Sie sind nun an 25 Litfaßsäulen in Köln zu sehen.

Ihr eigenes Familienalbum steht dabei exemplarisch für all die anderen, die in deutschen Kommoden, auf Speichern und in Kellern zu finden sind. „In vielen Deutschen wird die Vergangenheit verdrängt“, glaubt Konold, die sich schon seit einigen Jahren mit dem Thema Erinnerung beschäftigt. Ihre aktuelle Arbeit, die sie „Deutscher Frühling“ genannt hat, versteht sie als Appell. „Ich möchte gerade die jüngere Generation dazu ermutigen, nicht nur ins Familienalbum zu schauen, sondern auch die Geschichten hinter den Bildern zu erfragen.“

Kölner Künstlerin Claudia Konold setzte sich mit Familiengeschichte auseinander

Bei der Spurensuche bezüglich der Eltern ihres Vaters etwa, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Ostpreußen lebten, entdeckte sie große Lücken bei den Geschichten, die immer so erzählt wurden. Wenn überhaupt in der Familie über Erlebnisse in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg gesprochen wurde, dann nur von der eigenen Flucht am Ende des Krieges. Die Zeit des Nationalsozialismus wurde aber in der Familie völlig ausgeblendet und nicht thematisiert.

Was beispielsweise die Aufgabe des Großvaters als Professor der Agrarwirtschaft war, wurde nie hinterfragt. In familiären Aktenorden fand Claudia Konold Unterlagen aus denen hervorgeht, dass ihr Großvater ein landwirtschaftliches Versuchsgut in Ostpreußen leitete auf dem polnische Zwangsarbeiter eingesetzt waren.

Claudia Konold ist nach wie vor dabei, die Puzzleteile zusammenzusetzen, um sich ein besseres Bild von der Lebensrealität ihrer Großeltern machen zu können. „Für mich war es wichtig, herauszufinden, inwiefern meine Familienmitglieder eventuell auch Täter waren.“ Dass aktuell fast ein Fünftel der Deutschen die AfD für eine wählbare Partei hält, ist für Konold Anlass genug, sich der eigenen vielleicht auch unerfreulichen Familiengeschichte zu stellen. „Denn wenn wir das mal wirklich an uns ran lassen, macht es uns resilienter gegen Rechts“, ist sie überzeugt.


Am Sonntag, 8. Oktober, um 15 Uhr liest Claudia Konold aus ihrem Band „Worte“, der im Laufe der Beschäftigung mit ihrer eigenen Familiengeschichte entstanden ist. Die Lesung findet statt an der Litfaßsäule an der Richartzstraße/an der Rechtsschule beim Museum für Angewandte Kunst Köln. Die Ausstellung „Deutscher Frühling“ ist noch bis Ende Oktober an 25 Litfaßsäulen in ganz Köln zu sehen.